"Zauberstab nicht aus der Hand legen"

04.04.2008 | Stand 03.12.2020, 6:01 Uhr

Eichstätt (buk) Auch wenn die nun zu Ende gegangene Präsidentschaft an der Katholischen Universität mit viel Arbeit und administrativen Aufgaben verbunden war – eines hat sich Ruprecht Wimmer doch niemals nehmen lassen: Seinen Studien über Thomas Mann ist er all die Jahre hindurch treu geblieben.

Als Resultat aus dieser Tätigkeit präsentiert sich nun der 20. Band des Thomas Mann-Jahrbuchs, den Wimmer mit Thomas Sprecher herausgegeben hat. Sprecher ist der Leiter des Thomas Mann-Archivs der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, und auch Wimmer hat in der "Mann-Szene" einen klangvollen Namen, leitete er doch bis 2006 als deren Präsident die deutsche Thomas Mann-Gesellschaft. Das neue Jahrbuch enthält Beiträge eines Internationalen Kolloquiums, das im Oktober 2006 unter dem Motto "Abschied und Avantgarde" in Lübeck stattfand – es war die letzte derartige Tagung, die unter der Leitung Wimmers stattfand.

Die Beiträge dieses Kolloquiums werden in der Reihenfolge des Tagungsprogramms dokumentiert, aber auch um vier weitere Abhandlungen ergänzt. Beiträger sind unter anderem renommierte Forscher wie Herbert Lehnert (der Mann als "Schriftsteller für und gegen deutsche Bildungsbürger" darstellt), Ulrich Karthaus (der Mann als "modernen Klassiker" betrachtet), Manfred Dierks (der "Die Modernisierung der Moderne bei Thomas Mann" untersucht), Hans Rudolf Vaget (der Mann als "Amerikaner" in den Blick nimmt) oder Gert Sautermeister (der sich eine Figur aus Thomas Manns "Buddenbrooks" herausgegriffen hat: "Tony Buddenbrook – Lebensstufen, Bruchlinien, Gestaltwandel"). Dass Germanisten auch in der Lage sind, flotte Überschriften zu kreieren, zeigt Holger Rudloff mit seinem Beitrag: Der trägt nämlich den Titel "Die Sendung mit der Maus – über den Urenkel Schillers, Herrn von Gleichem-Rußwurm, in Thomas Manns Roman ,Doktor Faustus’ ".

Nicht zuletzt aber ist Ruprecht Wimmer auch mit einem eigenen Beitrag vertreten: Er behandelt unter dem Motto "Neu doch auch wieder nicht – späte Selbstüberbietungsversuche Thomas Manns": Darin geht es um das Problem des frühen Ruhmes, den der Lübecker Autor unverhofft jung mit seinem "Buddenbrook"-Roman erlangt hatte: "Es drohte ihm das Schicksal, vor den Augen der Nachwelt dazustehen als der Autor eines triumphal aufgenommenen Erstlingswerkes, dem nichts auch nur annähernd Entsprechendes mehr folgte", umschreibt Wimmer das Problem, das bald literarische Gestalt angenommen hatte. Mann hatte sich die Messlatte schließlich sehr hoch gelegt – "und er wusste es". Das Fazit von Wimmers Studie: Thomas Mann versuchte bis zuletzt produktiv zu sein und wollte "kein Lebenserntedankfest feiern", er, der bei seinen Kindern auch "der Zauberer" genannt wurde, wollte "den Zauberstab bis zuletzt nicht aus der Hand legen" und sein Leben als Künstler bis zuletzt durch Werke rechtfertigen, welche die Leser im mehrfachen Wortsinn als "neu" empfinden sollten.

Wer sich für die Werke des Lübecker Romanciers interessiert, profitiert bei der Lektüre dieses Jahrbuchs nicht nur von den enthaltenen Aufsätzen, sondern kann sich auch einen Überblick über die jüngste Erforschung des Werks von Mann machen.

Thomas Mann-Jahrbuch Band 20, herausgegeben von Thomas Sprecher und Ruprecht Wimmer, Vittorio Klostermann-Verlag Frankfurt 2008, 325 Seiten (kartoniert), Preis 42 Euro.