Yoga, Erdbeeren und ein Youtube-Kanal

Raphaela Gromes war von der Corona-Krise tief getroffen - Ein Internet-Projekt gab ihr neuen Mut

03.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:36 Uhr
Endlich Zeit für Hobbys: Die Cellistin Raphaela Gromes ist auch eine fantastische Köchin. −Foto: privat

München - "Anfangs wollte ich gleich so viele Dinge angehen und habe dann doch fast überhaupt nichts getan.

 

Nicht einmal mein Cello habe ich oft hervorgeholt", erzählt Raphaela Gromes (29) von der Phase tiefer Niedergeschlagenheit, die sie erfasst hatte, nachdem die bayerische Landesregierung Mitte März wegen der Corona-Epidemie die Ausgangsbeschränkungen in Kraft setzte. Fast von einem Tag auf den anderen war das alte Leben der Münchner Cellistin auf Eis gelegt. Innerhalb kurzer Zeit wurden alle Konzerte für die kommenden Wochen abgesagt. "Es gab eigentlich nichts, wofür es sich noch lohnte, morgens aufzustehen", erzählte sie. "Es war ein Gefühl der Leere, der Lähmung. " Und tiefe Existenzängste stiegen in ihr auf: "Bis heute weiß ja keiner, wann der Konzertbetrieb wieder losgeht. "

 

Raphaela Gromes erzählt das, und muss dann plötzlich darüber lachen. Denn die Mutlosigkeit liegt inzwischen hinter ihr. Irgendwann hat sie sich einen Ruck gegeben. Hat sie eingesehen, dass sie nicht den ganzen Tag mit Corona-Binge-Watching verbringen kann, dass sie sich losreißen muss von all diesen Katastrophenmeldungen, den steil ansteigenden Kurven der Infizierten, den Bildern von Leichenwagen und vermummten Ärzten in gespenstischen Krankenhäusern. Raphaela Gromes, die 2011 mit dem Musikförderungspreis des Ingolstädter Konzertvereins und 2019 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet wurde und seit 2016 Exklusivkünstlerin von Sony Classical ist, machte sich einen Plan für den Tag, in dem vor allem das Cello-Üben wieder Raum findet. "Ich definiere mich über die Musik", sagt sie, "das Instrument hilft mir auch, Trost zu finden und über Krisen hinwegzukommen. "

 

Vor allem aber ergreift sie jetzt die Chance, endlich sich Beschäftigungen zuzuwenden, zu denen sie im stressigen Alltag als Solistin nicht so richtig gekommen war. Sie hat Yoga und Meditation für sich entdeckt ("das tut mir unglaublich gut"), telefoniert viel mit Freunden, und sie kocht - sehr aufwendig, etwa nach den Rezepten von Hans Haas oder Jamie Oliver. "Das ist jetzt eine herrliche Zeit im Jahr", schwärmt sie, "es gibt Erdbeeren, Rhabarber und Spargel".

Am meisten beschäftigt sie allerdings ein neues Projekt. Wie so viele Musiker derzeit geht die Münchnerin mit ihren Fähigkeiten online. Allerdings in anderer Weise als die meisten ihrer Kollegen. Ihr Projekt heißt "Behind The Scenes" und soll so etwas wie eine sehr unterhaltsame und lehrreiche Musikstunde sein - die allerdings nur 10 bis 15 Minuten lang ist. In jeder Ausgabe, die immer freitags um 17 Uhr auf Youtube online geht, nimmt sie sich mit ihrem ständigen Klavierpartner Julian Riem ein bestimmtes Musikstück vor. Beide sprechen darüber, spielen Ausschnitte daraus, erzählen Anekdoten und erklären biografische Hintergründe. Natürlich steht in den ersten Folgen der Musikserie die von den beiden Musikern entdeckte und erstmals auf CD eingespielte erste Cellosonate von Richard Strauss im Zentrum. Vergangene Woche haben sie das Strauss-Frühwerk selbst vorgestellt und erzählt, wie es zu seiner Wiederentdeckung kam. In der Folge an diesem Freitag haben sie die beiden Cellosonaten von Strauss miteinander verglichen - schließlich ging die zweite Sonate aus der ersten hervor. Dazu luden sie einen Experten ein, den Strauss-Forscher Andreas Pernpeintner.

Ansonsten geht Raphaela Gromes, die in einem kleinen, hübschen Studioartigen Häuschen in der Nähe des Starnberger Sees lebt, die Corona-Krise keineswegs aus dem Kopf. Sie möchte helfen, auf welche Weise auch immer. Dazu hat sie ihre Unterstützung dem Roten Kreuz angeboten und überhaupt allen Corona-Projekten, die ihr einfielen. "Ich kann einkaufen gehen und putzen", sagt sie. Aber: Bisher gab es noch keine Reaktionen.

DK


Raphaela Gromes wird am 7. Mai zusammen mit dem Arcis Saxofon Quartett beim Konzertverein im Ingolstädter Festsaal auftreten.