Schwandorf
„Wurschtbrot-Affäre“ erregt die Gemüter

Erzieherin soll Kindergartenkind Dialekt verboten haben

05.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:17 Uhr
Symbolbild −Foto: Federico Gambarini (dpa)

Schwandorf (DK) Der Dialekt gehört zu Bayern – und ist klar im Trend. Überall gibt es Initiativen, Vereine und Künstler, die sich die Stärkung der jeweiligen Mundart auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Und dann das: Eine Erzieherin soll einem Kindergartenkind verboten haben,  Bairisch zu sprechen.   Sie störte sich am Wort „Wurschtbrot“, so Sepp Obermeier,  der Vorsitzende  des Vereins „Bund Bairische Sprache“. Auch Tage nach dem Vorfall in  Schwandorf   hört man ihm seine Empörung deutlich an:  Der Kindergarten leiste auf diese Weise „dialektale Sterbehilfe.“  

Kindergärtnerinnen und Kindergärtner haben in den Augen Obermeiers nicht den Auftrag, sich um die Sprache der Kleinen zu kümmern, wie er unserer Zeitung sagt. Diese werde von den Eltern weitergegeben – inklusive Dialekt. „Man sollte bis in die Grundschule warten, um den Kindern das Hochdeutsche nahe zu bringen“, so Obermeier. Denn hier gebe es dafür  ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Hier könnten  die Kleinen Hochdeutsch lernen, ohne dass dabei der Dialekt leide.

Das hochdeutsche  „Wurstbrot“ tritt also gegen das bairische „Wurschtbrot“ an. Der Unterschied ist minimal. Doch der Konfliktstoff groß. „Sonst haben wir höchstens 3000 Zugriffe auf unsere Facebook-Geschichten – hier sind es  schon 30.000“, sagt Obermeier. Die Begründung der Erzieherin soll  gelautet haben, man müsse richtig sprechen und es müsse schließlich jeder verstehen.  Solche Fälle erlebt der begeisterte Dialekt-Pfleger Obermeier nicht selten. Er erinnert sich an einem Fall im Altmühltal, der bereits einige Jahre zurückliegt, wie er sagt. „Damals wurde ein Mädchen von einer Kindergartenleiterin  akustisch nicht richtig verstanden, da  das Kind anstatt ,was’ bairisch ,woas’ gesagt  hat“, erzählt Obermeier. Das sei für die Leiterin  so schlimm gewesen, dass sich das Kind vor der ganzen Gruppe „ins Eckerl“ stellen musste. Wo das Ganze  im Altmühltal genau passiert ist, darf Obermeier nicht verraten. Als er damals die Medien einschalten wollte, habe der Vater der Kleinen einen Rückzieher gemacht.

Aber wieder zurück  zum aktuellen Fall ins Oberpfälzische Schwandorf: Laut Sepp Obermeier war  seinem Verein  per Facebook eine Nachricht zugeschickt worden, worin ein Mitteiler, der anonym bleiben will, dem Verein über den vermeintlichen Vorfall in dem Kindergarten berichtete. Demnach habe eine Mutter dem Facebook-Mitteiler berichtet, dass ihrem Kind in dem betroffenen Kindergarten verboten worden sei, von dem Pausenbrot im Dialekt zu sprechen. Als der Verein direkt mit der Mutter Kontakt aufnehmen wollte, habe es auf Nachfrage geheißen, dass die Mutter nicht in die Medien wolle. Die Mutter des Kindes habe den  Fall dem Informanten aber bestätigt. 

Der beschuldigte Kindergarten sei bekannt, man habe aber keinen Kontakt aufgenommen, denn „das kennen wir ja, dort wird immer alles geleugnet“, winkt Obermeier ab. Und in der Tat dementiert der  Kindergarten  die  ganze „Wurschtbrot-Affäre“ auf Anfrage und geht  eigens in die Offensive: Im Gegenteil sei Mundart  sehr  willkommen, teilt die Leiterin mit. Ganz sicher würden in ihrem Kindergarten keine Sanktionen oder Verbote erteilt, wenn ein Kind Dialekt spreche. Es werde sogar bewusst versucht, den Dialekt zu erhalten.  Grundsätzlich sei Mundart aber gar kein Thema mehr bei ihnen, da nur  vier der 71 Kinder im Kindergarten   daheim noch   Dialekt sprechen. 80 Prozent der Kinder hätten einen Migrationshintergrund und lernten in einen Vorkurs Deutsch.

Obermeier ist dennoch wichtig, auf entsprechende Vorfälle hinzuweisen. Kinder dürften nicht an den „Dialekt-Pranger“, das verletze die Seele. Durch solche „Schlüsselerlebnisse“ sei das Kind dann auf Jahre hinaus geprägt, so Obermeier.

Christian Tamm, Imme Oldenburg