Ingolstadt
Wunderbares vom Kammerorchester

Herbstkonzert mit Werken aus Oper und Operette entfacht große Begeisterung im Ingolstädter Festsaal

17.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:30 Uhr
Sopranistin Claudia Bauer vom Landestheater Niederbayern war Solistin beim Ingolstädter Kammerorchester. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) "Es muss was Wunderbares sein?" lautete der Titel des traditionellen Herbstkonzerts des Ingolstädter Kammerorchesters, eine Anspielung auf einen Schlager in der Operette "Im weißen Rössl".

In der Tat, es ging um ein Wunder. Denn das Ensemble verwandelte sich zauberisch fast von Stück zu Stück, wie die beiden vorzüglichen Moderatoren des Abends ausführten: Aus dem Kammerorchester wurde ein "Ingolstädter Barockorchester", ein "Streichquintett", ein "Operettenorchester", später veränderte es sich noch zum "Schlagerorchester" und zur "Chamber Jazz-Swing Combo" oder so ähnlich. Die Flexibilität der Musiker war tatsächlich beeindruckend, das Programm weit gefächert und so für den Dirigenten Klaus Hoffmann eine echte Herausforderung. Die er allerdings hervorragend meisterte.

Der Musiklehrer des Gnadenthal-Gymnasiums machte überhaupt eine ausgezeichnete Figur auf dem Dirigentenpult. Mit energischen Bewegungen schlug er den Takt fast so überdeutlich, dass die Musiker eigentlich überhaupt keine Chance hatten, den Faden zu verlieren. Gleichzeitig formte er die Stücke des Abends mit großer Stilsicherheit und verblüffte mit vielen liebevoll ausgearbeiteten Details. Hoffmann agierte so überaus souverän und fantasievoll, dass man ihn sehr gerne auch einmal mit einem professionellen Orchester hören möchte.

Eröffnet wurde der Abend mit der Ouvertüre zur Oper "Xerxes" von Georg Friedrich Händel - ein Werk, das die Musiker mit wuchtigem rhythmischen Drive vortrugen. Dann folgte aus der gleichen Oper die berühmte Arie "Ombra mai fu", mit der sich die Solistin des Abends, die Sopranistin Claudia Bauer vom Landestheater Niederbayern, vorstellte. Sie sang mit großer Schlichtheit, sehr textverständlich, mit fast knabenhaft reiner Stimme, begleitet von fünf Streichern auf der Empore über der Bühne. Mit gleicher Reinheit gestaltete sie kurz darauf auch die Arie der Susanna aus "Le Nozze di Figaro" von Wolfgang Amadeus Mozart. Dass Claudia Bauer auch darstellerisch zu überzeugen vermag, zeigte sich spätestens bei der Arie "Mein Herr Marquis" aus der "Fledermaus" von Johann Strauss (Sohn): ein Auftritt mit viel Witz und Koketterie, ein musikalischer Flirt.

Im zweiten Teil des Konzerts wandten sich die Musiker noch stärker der leichten Muse zu. Die Schlager "Nur nicht aus Liebe weinen" und "Bei dir war es immer so schön" von Theo Mackeben sang Claudia Bauer betörend - gewürzt mit einem Hauch Ironie. Erst in der Zugabe war endlich das Werk zu hören, das dem Abend den Titel gab: der Schlager aus dem "Weißen Rössl", ebenfalls vorzüglich gesungen. Zwischen den Arien und Schlagern stand das Orchester im Mittelpunkt - oder kleinere Formationen aus dem Klangkörper. Über was für fabelhafte, wirklich solistisch agierende Mitglieder das Kammerorchester verfügte, wurde etwa im "Intermezzo" aus Georges Bizets Carmen-Suite deutlich: Was für eine fantastische Flötistin da das Solo spielte, tonschön, gelassen, voller Romantik! Ein Höhepunkt. Oder die kleine Jazzcombo, die unglaublich fetzig Sholom Secundas "Bei mir bist du schön" gab, ein Werk stilistisch genau zwischen Jazz und Klezmer. Klaus Hoffmann legte hier übrigens den Taktstock zur Seite und griff zum Kontrabass.

Den Höhepunkt des Abends hatte der Dirigent ans Ende gelegt: die Wilhelm-Tell-Ouvertüre von Gioachino Rossini. Ein Werk, das wie Kammermusik beginnt und voller symphonischer Wucht abschließt. Wunderbar, wie zart die fünf Celli den Anfang gestalteten, und berauschend, mit welchem Temperamt das Gebirgsgewitter dann über den Festsaal hereinbrach und die Schweizer Soldaten straff marschierten. Der Saal tobte vor Begeisterung. Kein Zweifel: Das Konzert war "was Wunderbares".

Jesko Schulze-Reimpell