Wunderbares Dokument

Kommentar

19.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr

Es ist kaum noch vorstellbar, was sich Deutsche und Franzosen über Jahrhunderte angetan haben. Immer und immer wieder brachten Hass und Waffen Tot und Verderben. Sie waren erbitterte Feinde.

Erbfeinde. Bis die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges zu einem Umdenken geführt hat und zwei weise Männer - Charles de Gaulle und Konrad Adenauer - endlich Schluss gemacht haben mit dem Wahnsinn. Sie unterzeichneten den Élysée-Vertrag. Das ist am Montag genau 55 Jahre her und wird von den Parlamenten in Paris und Berlin gefeiert. Ein wunderbares Dokument.

Die Staatsmänner hätten nüchtern feststellen können, dass Deutschland und Frankreich gemeinsame wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen verfolgen. Doch de Gaulle und Adenauer hatten erkannt, dass das nicht ausreichen würde, um die Feindschaft zu überwinden. Beide Länder muss doch mehr verbinden. Ihre Völker sollten sich kennenlernen, um einander näherzukommen und um sich zu verstehen. Das Deutsch-Französische Jugendwerk war eine geniale Idee. Es hat dazu beigetragen, dass sich zwischen den ungleichen Nachbarn eine Beziehung entwickelt hat, die ihresgleichen sucht - und von der ganz Europa über viele Jahre profitiert hat.

Doch zuletzt hat das "deutsch-französische Herz", wie es Präsident FranÃ.ois Hollande einst nannte, zunehmend Rhythmusstörungen bekommen. Zwischen seinem Nachfolger Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel ist der Funke noch nicht so recht übergesprungen. Was auch daran liegt, dass Macrons Pläne für Europa weit über das hinausgehen, was den Deutschen vorschwebt.

Doch was will Merkel eigentlich? Die langwierige Regierungsbildung in der Bundesrepublik bremst die Debatte über die EU-Reform aus, was für den forschen Franzosen schwer erträglich ist. Umso wichtiger war der gestrige Besuch der Kanzlerin in Paris. Nur wenn sich Deutschland und Frankreich einig sind, kann Europa vorankommen. Sonst werden die Bremser in der Europäischen Union zunehmend den Takt angeben.