Ingolstadt
Wüstes Gerangel um Rucksack

Gericht ahndet Überfall auf Lokführer mit Haftstrafe Angeklagter leugnet strikt

27.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:54 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Der Vorfall hatte schon seinerzeit im Polizeibericht aufmerken lassen. Gestern nun ist vorm Schöffengericht der seltsame Raubüberfall auf einen Lokführer am Hauptbahnhof vom Januar erörtert worden. Der mutmaßliche Täter leugnete bis zum Schluss, kassierte aber eine zweieinhalbjährige Haftstrafe.

Ein den Umständen nach kurioser, dennoch aber tiefernster Fall: Ein Lokführer der DB Regio hatte am frühen Morgen des 14. Januar gerade seinen Dienst angetreten, als er gegen 3.30 Uhr bei der Kontrolle seines Zuges in einem der Wagen einen klopfenden jungen Mann entdeckt hatte. Er ließ den Fremden heraus, doch dieser bedankte sich nicht etwa, sondern soll sofort in gebrochenem Deutsch den Rucksack des Eisenbahners verlangt haben, den dieser zuvor im Führerstand abgelegt hatte.

Der Lokführer vermochte nicht, den anhänglichen Begleiter auf dem ansonsten menschenleeren Bahnsteig abzuschütteln, musste nach seiner Darstellung sogar erleben, dass dieser sich mit in die Lok drängte, nach dem Rucksack griff und sich mit dem Bahner ein regelrechtes Gerangel um den Gegenstand seiner Begierde lieferte. Beide Männer erlitten dabei offenbar Verletzungen an den Händen, bis dem DB-Mitarbeiter die Kräfte schwanden und der Unbekannte mit seiner Beute Richtung Elisabethstraße verschwand.

Wenig später wurde von der Polizei ein junger Asylbewerber in der Nähe des Bahnhofs aufgegriffen, auf den die Täterbeschreibung passte. Gestern saß dieser 23-jährige Kosovare auf der Anklagebank des Schöffengerichts - und stritt alles ab. "Ich bin nicht die Person; mit diesem Vorfall hab' ich nichts zu tun", übersetzte der Dolmetscher seine Einlassungen. Er sei damals als Flüchtling erst wenige Wochen in Deutschland und lediglich am Bahnhof gewesen, um seine in Augsburg lebenden Brüder (offenbar ebenfalls Asylbewerber) zu besuchen, so der junge Mann.

Doch der Lokführer hatte den Angeklagten bereits am Tag nach dem Vorfall in einer Foto-auswahl bei der Polizei wiedererkannt; auch gestern im Gerichtssaal ließ er keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte jener Mann war, mit dem er um seinen Rucksack gerungen hatte, dessen Inhalt im Übrigen gar nicht so wertvoll gewesen war: Neben einer Brotzeit waren nur einige Dienstpapiere und eine Warnweste darin gewesen - Gesamtwert wohl gerade mal 100 Euro. Das Corpus Delicti war schon kurz nach der Tat nahezu ohne Fehlbestand bei der Antonkirche gefunden worden.

Der Bahner war seinerzeit wegen seiner Handverletzung (ein kaum reparabler Kapselschaden an einem Finger), vor allem aber auch wegen der traumatischen Nachwirkungen seines Erlebnisses sieben Wochen im Krankenstand. Auch heute noch hat er beim Nachtdienst, wenn er wieder allein am Bahnhof unterwegs ist, stets ein mulmiges Gefühl: "Ich weiß jetzt, dass ich schutzlos bin", sagte er dem Gericht.

Der Staatsanwalt sah nach der kurzen Beweisaufnahme alle Punkte der auf Raub und gefährliche Körperverletzung lautenden Anklage als erwiesen an, auch wenn er die Tat für "von der Motivation her überhaupt nicht nachvollziehbar" hielt. Der Verteidiger hatte zwar einige Ungereimtheiten bei der Rekonstruktion des Tatgeschehens entdeckt, wollte dem Opfer aber keinesfalls eine falsche Beschuldigung unterstellen: "Für die Aussage des Zeugen spricht natürlich einiges." Der Anwalt hielt allerdings wegen des geringen Beutewerts eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten für ausreichend.

Vorsitzender Christian Veh und seine Schöffen folgten allerdings punktgenau dem Anklagevertreter. Das Gericht habe sich bei seiner Entscheidung auch daran orientiert, dass der Angeklagte kein Geständnis abgelegt, keinerlei Entschuldigung geäußert und dem Opfer eine anhaltende psychische Belastung zugemutet habe, so Veh. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Gestern sah alles nach einer Berufung aus.