Erlangen
Wortkünstler auf der Wiese

Das Erlanger Poetenfest vom 28. bis 31. August gilt als eine der wichtigsten Literaturveranstaltungen im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse

06.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

Erlangen (DK) „Die letzten warmen Tage“ steht dieses Mal als Motto über dem Erlanger Poetenfest. Und wie immer haben sich die Organisatoren einen Buchtitel dafür ausgeliehen: „Die letzten warmen Tage“ ist ein Liebes- und Familienroman von Ricarda Junge, der zugleich auch ein Buch über das geteilte Deutschland ist.

Wenn die Autorin am 31. August im Schlossgarten daraus lesen wird, kommt das Buch vermutlich gerade frisch aus dem Druck. Das letzte Wochenende im August steht in Erlangen seit Jahrzehnten im Zeichen der Literatur. Oft haben die Autoren dort ihre neuen Bücher zum ersten Mal in der Hand. Denn eigentlich feiert man in Erlangen dann schon die neue Herbstsaison.

Vom 28. bis 31. August findet das 34. Erlanger Poetenfest statt. Über 80 Schriftsteller und Publizisten kommen zu Lesungen und Gesprächen. Die großen Porträt-Abende sind Ulla Hahn, Navid Kermani und Joachim Sartorius gewidmet, außerdem werden der Büchner-Preisträger Jürgen Becker und der Kameramann Michael Ballhaus vorgestellt. Letzterer zählt zu den bedeutendsten Kameramännern der Welt. In „Bilder im Kopf“ erzählt er die Geschichte seines Lebens: von der Flucht vor den Bombenangriffen aus Berlin, von seiner Kindheit auf Schloss Wetzhausen in Franken bis zu seiner Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese: „Von vielen Filmen sind mir eher die Bilder geblieben, ohne zu wissen, wie die Geschichte ging oder wer mitgespielt hat.“

Höhepunkte des Festivals sind die Lesenachmittage im Schlossgarten. Zu Kaffee und Kuchen, Wein und Käse kann man dann auf Picknickdecken Autoren wie Lukas Bärfuss, Ulrike Draesner, Michael Kleeberg, Tex Rubinowitz, Yoko Tawada und Peter Wawerzinek lauschen, die nach ihren Lesungen auf dem Hauptpodium stets auf den Nebenpodien in Interviews zu erleben sind. Gesprächsrunden beschäftigen sich heuer natürlich mit der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, aber auch mit dem deutsch-russischen Verhältnis, der Ukraine oder den Flüchtlingen auf Lampedusa.

Ein weiterer Programmschwerpunkt gilt der Ingolstädter Dramatikerin Marieluise Fleißer – zum 40. Todestag. Zum einen wird ein Bilderbuch vorgestellt, das sie 1942, also mitten im Zweiten Weltkrieg, für ihre beiden kleinen Neffen Klaus-Dieter und Gerd angefertigt hatte. Klaus Gültig, der auch ihr Nachlassverwalter ist, hatte es 1996 in einem Stapel ungesichteter Papiere gefunden. Jetzt wird „Im Wirtshaus ist heut Maskenball“ als Faksimile-Edition samt Begleitbuch verlegt – und die Buchpremiere in Erlangen gefeiert. Ein weiteres Podium befasst sich mit Fleißers „Sprache, die wie Hammerschlag ist“. Außerdem wird in der Orangerie im Schlossgarten die Dokumentation „Ich ahnte den Sprengstoff nicht“ über Leben und Werk der Dichterin gezeigt, die in Berlin frühen Ruhm erlangte, zu Hause in Ingolstadt aber als „Nestbeschmutzerin“ galt.

Eine Übersicht aktueller Übersetzungsprojekte bietet die 11. Erlanger Übersetzerwerkstatt: Die Reise führt von den Ursprüngen der Dichtung bis zur schwierigen Kunst der Opernübersetzung. Und zum 450. Geburtstag von William Shakespeare gibt es einen Extra-Abend mit Frank Günther, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, alle Shakespeare-Dramen zu übersetzen. Seit den 70er Jahren arbeitet er daran, 2016 soll der letzte von 39 Bänden erscheinen.

Zum ersten Mal gewährt der Bayerische Rundfunk in diesem Jahr Kindern und Jugendlichen einen Blick hinter die Kulissen einer Hörspielproduktion: Vier Geschichten von Sindbad, dem Seefahrer, werden vor Publikum auf einer eigenen Hörspielbühne im Erlanger Schlossgarten geprobt und aufgezeichnet. Und zum Schmökern und Vorlesen lädt die Bilderbuch-Lesewiese ein.