Wolfsburgs umstrittenstes Privileg

21.12.2020 | Stand 23.09.2023, 16:07 Uhr
Ein Dienstwagen steht tariflich Beschäftigten oft nicht zu. Laut mehreren Medienberichten könnte VW hier Betriebsräte bevorzugt haben. Bei Audi betont man, sich an die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu halten. Betriebsräte würden vertraglich genauso behandelt wie alle anderen Arbeitnehmer. −Foto: Müller, dpa

Bei Volkswagen gibt es seit Jahren eine Diskussion um Dienstwagen. Nun wird öffentlich über die Ansprüche der Betriebsräte debattiert. Die Konzernspitze hat so manchen Vorteil gekappt - wohl auch, weil es rechtliche Bedenken gibt. Bei der Ingolstädter Tochter Audi verweist man auf die geltende Rechtslage.

Ingolstadt/Wolfsburg - Es ist nicht erst seit gestern bekannt, dass Gewerkschaften und Betriebsräte im VW-Kosmos eine besondere, bisweilen durchaus machtvolle Stellung genießen. Dazu passt auch, dass Volkswagen über Jahre viele Arbeitnehmervertreter mit Dienstwagen ausgerüstet haben soll. Wie mehrere Medien berichten, soll die Konzernspitze um Herbert Diess dieses Privileg inzwischen endgültig gekappt haben. Der Autobauer hat das mittlerweile bestätigt.

Hintergrund ist ein interner Bericht der Konzernrevision, in dem die Prüfer zu dem Schluss gekommen sind, VW habe Betriebsräte seit Längerem besser behandelt als andere Mitarbeiter von vergleichbarem Rang. Das Magazin "Business Insider" hatte darüber berichtet. Mit der Gewährung von Dienstwagen für die Arbeitnehmervertretung könnte Volkswagen am Ende sogar gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen haben. Denn demnach dürfen Mitglieder des Betriebsrats weder benachteiligt noch bevorzugt behandelt werden. Im Extremfall können Geld- und sogar Freiheitsstrafen für denjenigen drohen, der eventuelle Sonderbehandlungen genehmigt hat.

In Wolfsburg hat man die Bremse eingelegt und einigen Betriebsräten das Privileg eines Dienstwagens aberkannt. Fakt ist aber: Arbeitnehmervertreter haben ein Recht auf die benötigte Ausstattung, um ihr Amt ordentlich ausüben zu können - und hier kann auch Mobilität eine Rolle spielen. Eine überwiegende Nutzung des Dienstwagens für private Zwecke ist jedoch nicht vorgesehen. Und hier liegt das Problem für VW: Denn die Konzernrevision befand, dass viele der tariflich angestellten VW-Betriebsräte in Deutschland für die Ausübung ihres Amtes gar keinen Dienstwagen gebraucht hätten - und ihn auch privat nutzen.

Betrifft diese Debatte in irgendeiner Form auch die VW-Töchter, etwa die vier Ringe aus Ingolstadt? "Nein, diese Debatte betrifft den Betriebsrat der Audi AG Ingolstadt nicht", betont Ralf Mattes, der Sprecher Kommunikation Betriebsrat Ingolstadt gegenüber unserer Zeitung. Den Mitgliedern des Betriebsrats stehe in "ihrer Funktion als Betriebsrat kein privater Dienstwagen zur Verfügung." Jedoch für betriebliche Dienstfahrten, wie Mattes weiter beschreibt, stünden entsprechende Geschäftsfahrzeuge im sogenannten Carpool bereit. Die Leistungsbezüge für Mitglieder von Betriebsräten in Deutschland bestimmten sich generell nach den "jeweils individuellen arbeitsvertraglichen Regelungen sowie nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Das ist gut so und gilt auch für die Mitglieder des Betriebsrats der Audi AG Ingolstadt", betont Mattes.

Auch der Autobauer verweist auf Anfrage unserer Zeitung auf das Betriebsverfassungsgesetz und teilt mit: "Das ist der Rahmen für die Leistungen des Unternehmens an die Arbeitnehmervertreter." Betriebsräte würden bei Audi vertraglich genauso behandelt wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, teilte eine Sprecherin mit. "Sie haben daher auch keinen gesonderten Anspruch auf persönliche Dienstwagen."

Und wie verfährt man bei Audi generell - also abseits der Betriebsratsmitglieder - mit dem Thema Dienstwagen? Die Konzernsprecherin erklärt hierzu: "Grundsätzlich sind außertarifliche Mitarbeiter geschäftsfahrzeugberechtigt." Es gäbe jedoch auch Funktionen, denen Autos zum dienstlichen und privaten Gebrauch zur Verfügung gestellt werden. Ein Beispiel ist der Außendienst.

Unter dem Strich ergeben sich laut Unternehmensangaben für die beiden großen deutschen Standorte Ingolstadt und Neckarsulm zusammen rund 4000 Audianerinnen und Audianer, die "geschäftsfahrzeugberechtigt" sind. Diese Zahl sei seit den letzten Jahren konstant. Wie die Sprecherin weiter erklärt, entfallen auf diese Gruppe gegenwärtig gut 5000 Dienstwagen.

Erst im Sommer dieses Jahres war VW-Chef Herbert Diess vorgeprescht und betonte auf einer Online-Karriere-Plattform, die eigene Flotte solle grüner werden. "In den kommenden Monaten werden wir die Elektrifizierung unserer eigenen Flotte vorantreiben", meinte er damals. In Wolfsburg wurde auch das als Angriff auf so manches Privileg gewertet. In Ingolstadt dagegen ging man damit auffallend ruhig um: Audi betonte damals gegenüber unserer Zeitung, dass "alle Mitglieder des oberen Managements dazu angehalten" sind, "mindestens einmal im Jahr einen e-tron als Dienstwagen zu bestellen".

DK

Christian Tamm