Wohnen mit täglich 8000 Autos vor der Tür

21.08.2009 | Stand 03.12.2020, 4:43 Uhr

Mitten durch ein Wohngebiet schlängeln sich Alte Dorfstraße und Mitterweg zur B 300 (im Bild von links unten nach rechts oben). Die Anlieger leiden unter Verkehrslärm und Abgasen. - Foto: Haßfurter

Schrobenhausen (SZ) Ein B 300-Zubringer mitten durchs Wohngebiet: Familie Mayr gehört zu den gut 100 Anwohnern von Mitterweg und Alter Dorfstraße in Mühlried, die massiv unter den Lärm- und Abgasbelastungen leiden. Der gemütliche Kaffeeplausch im heimischen Garten am Nachmittag wird da eher ungemütlich.

"Ostumfahrung: Ja!" steht das Banner am Gartenzaun überschrieben. Mehr als 8000 Fahrzeuge passieren täglich das Grundstück von Familie Mayr. "Pkws, Bulldogs, Laster", zählt Petra Mayr nüchtern auf. Der Familie stinkt es im wahrsten Sinne des Wortes. Seit 1995 wohnt sie in dem Haus auf dem ehemaligen elterlichen Grundstück ihres Mannes. Während der Stoßzeiten ist die Situation unerträglich. Und es wird immer schlimmer.

Es ist schon schwierig zwischen all den Fahrzeugen per Drahtesel bei der Fahrt zu den Mayrs die Ingolstädter Straße zu überqueren. Beherzt und flotten Fußes ließ sich dann eine Lücke nutzen. Ein abenteuerliches Unterfangen!

Nur aus Gründen des Vorführeffekts hat Petra Mayr einen optisch gemütlichen Kaffeetisch mitten im gepflegten Hausgarten gedeckt. Normalerweise nutzt die Familie den Garten nicht. Hier kann man sich nicht länger als ein paar Minuten aufhalten.

Der Grund ist nicht zu überhören: ein permanent hoher Geräuschpegel. Selbst durch die extra gepflanzte Buschreihe ist der Verkehrsstrom noch deutlich auszumachen. Besonders lästig die Anfahrgeräusche der Brummis an der Einmündung der Alten Dorfstraße in den Mitterweg. Aufgrund des Verkehrslärms hebt man automatisch die Kommunikationslautstärke bis knapp unter die Schreigrenze an. Gemütlichkeit ist etwas anderes.

Eine lange Schlange wartender Fahrzeuge – natürlich mit laufendem Motor – steht draußen, vor dem Garten. Manchmal sei sie über 100 Meter lang, weiß Petra Mayr. Sohn Florian kann mit seinen 21 Jahren ein Lied vom Versuch singen, in der Hauptverkehrszeit mit dem Auto überhaupt nur die Einfahrt zu verlassen. Fünf bis zehn Minuten Wartezeit sind keine Seltenheit, erzählt er. Brandgefährlich empfindet seine Mutter die Situation. Als ihre beiden Söhne noch kleiner waren, habe sie sich nicht nur einmal mitten auf die Fahrbahn gestellt, um die Passage über die Straße zu Kindergarten und Schule möglich zu machen.

1999 gab es an der abbiegenden Vorfahrtstraße einen tödlichen Unfall als zwei Lkw kollidierten. Da waren die Kinder fünf und elf. Die ganzen so genannten Bagatellschäden kann sie gar nicht mehr zählen. Sohn Felix ist heute 15. Er ist einmal von einem Autofahrer übersehen und schmerzhaft angefahren worden – obwohl er sich auf dem Gehweg befand. "Es grenzt an ein Wunder, dass nicht mehr passiert", findet Petra Mayr, die Straße sei doch für dieses enorme Verkehrsaufkommen gar nicht ausgelegt.

Ihr Mann Richard mutmaßt, dass die hohe Dichte an Lastern von der Autobahngebühr herrührt, denn die werde gemieden wie die Pest. Er ist selbst Lkw-Fahrer, und er weiß sehr genau, dass die B 300-Ausfahrt an der Rinderhofer Breite von Navigationsgeräten als ideale Strecke ins Donaumoos angezeigt werde.

Das Wohnen an der Alten Dorfstraße hat auch körperliche Auswirkungen: Pseudokruppanfälle und Allergien, asthmatische Atembeschwerden bis zu Übelkeit und Schlafstörungen – mit solchen Befunden kamen die Mayrs mehrfach schon vom Arzt zurück. Ganz zu schweigen von der nervlichen Belastung und Überreiztheit durch den permanenten Lärm.

Sieben Anrainer seien an Krebs erkrankt, haben die Mayrs gehört. An Zufall mag Petra Mayr da nicht mehr glauben. "Ich mache mir wirklich Sorgen", sagt sie.

Jedes Mal, wenn die B 300 über den Mitterweg und die Alte Dorfstraße umgeleitet wird, liegen die Nerven blank. Neulich erst, als die Teerdecke aufgebracht wurde. Da war die komplette Familie samt Schwiegermutter im Haus schon am zweiten Tag krank. "Was wir nicht verstehen ist, dass Menschen, die an dieser schwer belasteten Straße wohnen und Schaden nehmen an Körper und Psyche, nicht schnellstmöglich Schutz erfahren", sagt Petra Mayr. Sie muss die Worte fast schreien, draußen stehen mehrere Lkw gleichzeitig an der Kreuzung und blockieren sich gegenseitig. Aber die Ostumfahrung ist bisher nur ein halber Plan.

Schon oft haben sie darüber gesprochen wegzuziehen. Aber das ist nicht so einfach. Wer würde für dieses Grundstück schon soviel zahlen, damit man sich andernorts eine neue Bleibe schaffen könnte? Also hoffen sie weiter, die Mayrs, und pflegen den schönen Garten, den sie dann doch nur durch die geschlossenen Fenster wehmütig ansehen können.