Wofür aufrüsten?

Kommentar

26.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:03 Uhr

Es ist zwecklos, in den Äußerungen von US-Präsident Donald Trump so etwas wie Sinn finden zu wollen. Ob es um Handelsüberschüsse geht, die er demnächst abstellen will - wahrscheinlich, indem er seinen Landsleuten die Lust an deutschen Autos verbietet - oder um sein Gepolter gegenüber den Staats- und Regierungschefs der europäischen Nato-Partner, die er anschnauzte wie ein Kolonialoffizier einen Haufen Askaris.

Der beste Umgang mit Trumps Tiraden ist wohl, sie einfach abtropfen zu lassen, wie das Kanzlerin Angela Merkel, geschult durch den Umgang mit Trump-Fan Horst Seehofer, eben in Brüssel praktiziert hat. Dort hat Trump wieder einmal geklagt, dass europäische Staaten den USA "riesige Summen" schulden würden, weil er einfach nicht verstehen will, was die Nato ist: Ein Bündnis zur gemeinsamen Verteidigung, in dem jedes Mitglied, auch die USA, selbst über seinen Beitrag entscheidet. Es gibt deshalb keine Auflistung von Krediten und Außenständen und auch keine Schutzgeld-Überweisungen nach Washington.

Allerdings besteht eine Kerbe, in die selbst ein Donald Trump zu Recht schlagen kann: Die Verpflichtung der europäischen Nato-Länder, bis zum Jahr 2024 zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungslasten auszugeben. Nicht also nur für die Nato und schon gar nicht für die USA. Für Deutschland unterschrieben hat das 2014 beim Nato-Gipfel in Wales Bundeskanzlerin Merkel. Neben ihr saß der SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Inzwischen wollen Sozialdemokraten von der Selbstverpflichtung nichts mehr wissen, aber auch in der Union sorgt sie für Bauchschmerzen. Denn würde der deutsche Wehretat tatsächlich auf bis zu 70 Milliarden Euro aufgebläht, würde das Deutschland zur am höchsten gerüsteten Macht in Europa machen, sicher nicht zur Freude der Nachbarn. Außerdem weiß niemand, wo die zusätzlichen Milliarden herkommen sollen und auch nicht, wohin sie vernünftigerweise fließen können.

Heute gibt es in Europa zwar klaffende militärische Lücken, aber nicht, weil zu wenig Geld aufgewendet wird, sondern weil jede Regierung mit dem Militärhaushalt erst einmal Industriepolitik betreibt und sich ansonsten von Prestigezielen treiben lässt. Statt zu kaufen, was alle in der Nato dringend brauchen, kauft jedes Land allein, was es gern hätte - falsch und überteuert. Sehr viel mehr Steuergelder werden daran nicht viel ändern.

Ein ganz anderes Kapitel ist, warum sich die Europäer überhaupt von Amerikanern und Briten zu der Zwei-Prozent-Zusage drängen ließen. 2014 galt die Ukraine-Krise im Westen als Beweis dafür, dass Russland nach wie vor eine aggressive, auf Expansion ausgerichtete Macht ist, deren Armee ohne starke Nato morgen in Warschau und übermorgen in Berlin stehen könnte. Die ganz andere Interpretation, dass Moskau mit seiner Einmischung in der Ukraine nur auf die des Westens dort reagiert und sich gegen das Vordringen von Nato und EU nach Osten gewehrt hat, ging völlig unter. Genauso wie der Vorschlag, der am Rande der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz zu hören war: Deutschland sollte in Trumps Rechenspiele doch auch die 30 Milliarden Euro einführen, die es für Flüchtlinge ausgebe. Schließlich kamen viele von ihnen als Folge der katastrophalen Kriege Amerikas im Mittleren Osten.