Beilngries
Wo soll's hingehen, Beilngries?

Wichtige Entwicklungsfelder und potenzielle Herausforderungen im Überblick

06.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:09 Uhr
Der Großgemeinde Beilngries stehen spannende Jahre mit vielen Herausforderungen bevor, sowohl auf Stadtgebiet als auch in den Ortsteilen. −Foto: F. Rieger (neu/Archiv)

Beilngries - Die politische Debatte ist oftmals geprägt vom Tagesgeschehen oder zumindest von Vorhaben für die nähere Zukunft. Wo aber soll Beilngries in fünf oder gar zehn Jahren stehen? Welche Themenbereiche werden eine wichtige Rolle spielen? Und wo muss möglicherweise mehr passieren als bislang? Unsere Zeitung hat sich dazu Gedanken gemacht - eine kommentierende Analyse.

WACHSTUM

Die vergangenen sechs, sieben Jahre waren für die Gemeinde Beilngries eine Zeit, in der die Einwohnerzahl geradezu explodiert ist, man kann es nicht anders sagen. Von Anfang 2015 bis heute kamen fast 1000 Bürger hinzu. Besonders stark war das Wachstum in der Phase bis etwa 2018, natürlich mitbeeinflusst durch die Ankunft vieler Flüchtlinge, aber auch durch viel "gewöhnlichen" Zuzug - und durch einen erfreulichen Anstieg bei den Geburten. Zuletzt hat sich das Bevölkerungswachstum nun schon wieder verlangsamt - die 10000-Einwohnermarke wird dennoch eher früher als später überschritten werden. Dann stellt sich aber die Frage: Wie kann und soll es weitergehen? Schnurstracks in Richtung 11000? Wohl eher nicht. Denn die vergangenen Jahre haben auch ganz deutlich gezeigt, welche Auswirkungen ein so rasantes Wachstum hat. Die Gemeinde war und ist in Sachen Infrastruktur massiv gefordert. Das wäre so nicht beliebig wiederholbar.

DEMOGRAFISCHER WANDEL

Den vielen Geburten in den vergangenen Jahren zum Trotz: Auch die Gemeinde Beilngries wird insgesamt deutlich altern. Das dürfte die Kommune auf absehbare Zeit noch einmal vor ganz neue Herausforderungen stellen. Kreative Wohnformen für Senioren, zusätzliche Pflegeplätze, einen Ausbau der medizinischen Angebote, aber auch angepasste Freizeit-Möglichkeiten und entsprechende Mobilitäts-Strukturen - all das sind Themen, die schon jetzt in Angriff genommen werden sollten (und zum Teil auch schon werden). Nicht alles davon kann die Stadt selbst leisten, es wird auf Netzwerke und gute Partner ankommen.

WOHNEN

In der Stadt dürfte die große Frage der Zukunft sein: Wie viel "bezahlbaren" Wohnraum wird es noch geben? Schon jetzt ist das für viele Bürger ein Problem - und man muss kein Pessimist sein, um vorherzusagen, dass sich die Lage eher noch verschärfen wird. In den Dörfern hingegen wird die von der großen Politik bereits vorgegebene Maxime "Innen vor Außen" in Zukunft sicherlich die Diskussionen bestimmen. Ja, es wird auch weiterhin noch klassische Baugebiete geben. Aber der bislang praktizierte Kurs, in gewissen Zyklen immer wieder neues Bauland außen an einen Ort anzudocken, wird sicherlich auf den Prüfstand kommen - die Signale vieler Parteien auf Landes- und Bundesebene sind eindeutig. Die Alternative würden dann wohl zwangsläufig Ersatzneubauten auf Grundstücken mit leerstehenden Gebäuden im Dorfkern sein, zum Teil auch mit größeren Wohnblöcken. Das birgt Zündstoff - und könnte das ländliche Leben deutlich verändern.

VERKEHR

Wo ist das Beilngrieser Verkehrskonzept? Diese Frage hat jüngst ein Bürger im Gespräch mit unserer Zeitung aufgeworfen. Ein Verkehrskonzept, das eine wirkliche Entlastung des kompletten Beilngrieser Stadtgebiets zur Folge hätte, vielleicht auch mit einer verkehrsberuhigten Altstadt. Und mit einem Fokus auf die Bundesstraße 299. Während es für den Berchinger Raum in jüngerer Vergangenheit bereits konkretere Debatten um einen Ausbau der B299 gab und dieser bei Mühlhausen schon erfolgt ist, bleibt Beilngries hier wohl weiter das "Nadelöhr", auf dem es zweispurig durch Teile der Stadt geht. Das Staatliche Bauamt will in Kooperation mit der Stadt bekanntlich die Brand-Kreuzung durch einen Kreisel ersetzen. Um die seit Jahrzehnten immer wieder einmal diskutierte Tunnellösung durch den Arzberg ist es derweil ruhig geworden. Sie ist in keinem aktuellen Verkehrsentwicklungsplan enthalten. Konkret geplant ist hingegen der zweite Bauabschnitt der Umgehungsstraße, der zumindest eine deutliche Entlastung der Ampel-Kreuzung und somit der Innenstadt zur Folge haben dürfte. Doch auch, wenn jüngst von allen lokalpolitischen Seiten gefordert wurde, dass es hier zügig zu einer Umsetzung kommen muss: So wirklich die Hand dafür ins Feuer legen, dass dieser zweite Abschnitt in fünf Jahren tatsächlich befahrbar ist, würden zahlreiche Beobachter wohl nicht.

DER WESTEN

Eine besonders einschneidende Veränderung wird Beilngries in den kommenden Jahren im Westen erfahren. Die Verlagerung des Volksfestplatzes und die geplante Wohnbebauung des bisherigen Festplatz-Areals werden das künftige Gesicht der Sandsiedlung prägen - ob rein zum Positiven, wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, das "Wohnen am Festplatz" so zu gestalten, dass die langjährigen Anwohner gut damit leben können. Falls dies klappt, könnte die große Neuordnung im Westen der Stadt tatsächlich als Erfolg verbucht werden, vor allem in Sachen (Schul-)Verkehrsverlagerung.

GEWERBEFLÄCHEN

Auf dem Altmühlberg hat sich in Sachen Gewerbeflächen viel getan - zunächst in Grampersdorf und jetzt mit der Erschließung bei Paulushofen. Für die Kommune wird das mittelfristig einiges bewirken, von Arbeitsplätzen in der Gemeinde bis zu Gewerbesteuereinnahmen. In der Stadt selbst sind die Entwicklungsmöglichkeiten hingegen arg beschränkt, Stichwort "Überschwemmungsgebiet".

FINANZEN

Ein Schuldenstand auf Rekordniveau - und ein prognostizierter weiterer Anstieg der Verbindlichkeiten. Die Finanzlage der Stadt ist alles andere als rosig, um es ganz freundlich zu formulieren. Und daran wird sich so schnell nichts ändern. An einem rigiden Sparkurs werden die politischen Entscheidungsträger daher auch mittelfristig nicht vorbeikommen. Das schreit förmlich nach Konflikten und Knatsch - könnte aber auch als Chance gesehen werden, dass zwangsläufig kreative Ideen für die Gemeindeentwicklung auf den Tisch müssen.

STADT/LAND

Von einem tiefen Graben zu sprechen, der durch die Großgemeinde geht, wäre sicher etwas übertrieben. Ignorieren kann die Politik den bereits im Wahlkampf aufgekommenen Vorwurf aus diversen Dörfern, dass bei ihnen weniger getan wird als in der Stadt, aber auch nicht. Jüngst ist das Thema wieder hochgekocht. Eine einfache Lösung gibt es dabei nicht. Das Geld, um all die völlig legitimen und gut begründeten Wünsche zu erfüllen, hat die Stadt schlichtweg nicht. Es kann daher nur über eine gute Kommunikation und mit Kompromissen gehen. In den Dörfern wird es ein Verständnis dafür brauchen, dass Investitionen in Beilngries (zum Beispiel in der Altstadt, wo man auf einem guten Weg ist) allen Bürgern dienen - und dass nicht jede Maßnahme umsetzbar ist. Gleichzeitig wird die Politik aber auch Wege finden müssen, um noch mehr und vor allem schneller Projekte auf dem Land umzusetzen, die nicht unbedingt immer viel kosten müssen - und das Leben der Bürger trotzdem ein Stück weit besser machen.

TOURISMUS

Über Jahrzehnte hinweg hat sich Beilngries den Ruf als beliebtes Zentrum des touristischen Geschehens erarbeitet. Man befindet sich zweifellos auch immer noch auf einem hohen Niveau, Corona zum Trotz. Dennoch bleibt festzuhalten, dass im Laufe der Jahre mehr und mehr von dem Vorsprung auf andere Gemeinden eingebüßt wurde - und Beilngries nicht mehr ganz diese strahlende Tourismus- und Veranstaltungs-Marke ist, wie es schon mal der Fall war. Wandern, Radeln und Kulinarik werden als alleinige Aushängeschilder auf Dauer nicht reichen. Es wird sich zeigen müssen, inwiefern die von Touristikchef Andreas Seyller in einem DK-Gespräch aufgestellte These "Das Schönste haben, die Ersten sein, das Beste machen" künftig tatsächlich wieder verstärkt mit Leben erfüllt und wieder ein ganz scharfes eigenes Profil für Beilngries entwickelt werden kann.

FREIZEIT

In Sachen Radwege tut sich viel in der Gemeinde - die Hoffnung ist nicht unbegründet, dass hier in fünf bis zehn Jahren ein gut verzweigtes Netz vorliegt. Die mittelfristig größte Einzel-Investition auf dem Freizeit-Sektor dürfte definitiv die nicht mehr ewig aufschiebbare Freibad-Sanierung sein. Ob hierbei die einst geweckten Bürger-Hoffnungen auf mehr "Spaß-Elemente" erfüllt werden können? Mehr als fraglich. Gut aufgestellt ist man in der Gemeinde Beilngries derweil, was die Vereine angeht. Sie sind der Motor des gesellschaftlichen Lebens, das zeigt sich auch jetzt wieder beim Erwachen aus der Corona-Zwangspause. Und sie müssen es auch bleiben - und dafür große Wertschätzung erfahren. Eine "Baustelle" ist derweil das Freizeit-Angebot für Jugendliche, allen Anregungen des Stadtrats-Jugendreferenten zum Trotz. Hier bräuchte es wohl dringend einen echten Startschuss für Entwicklungen - möglicherweise mit einem gezielt beworbenen (digitalen) Treffen für interessierte junge Leute zur Ideensammlung?

DK


Fabian Rieger