Ingolstadt
"Wo soll ich denn Straßen reinbauen?"

OB Lehmann über unlösbare Verkehrsprobleme, die Bürgergemeinschaft und seine hohen Sympathiewerte

12.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:16 Uhr

Strahlemann: Wer als OB bei einer repräsentativen Umfrage 65 Prozent Zustimmung von den Bürgern bekommt, dem muss vor der nächsten Wahl nicht bange sein - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die jüngste Umfrage des Instituts Forsa im Auftrag des DONAUKURIER dürfte einigen politischen Akteuren in Ingolstadt nicht gefallen haben. Dem OB schon. Denn Alfred Lehmann erfuhr aus der Zeitung, dass derzeit 65 Prozent der befragten Ingolstädter seine Arbeit gut finden. Aber auch, dass die Klagen über den Verkehr weiter zugenommen haben. Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, wollte DK-Redakteur Reimund Herbst vom OB wissen.

Herr Oberbürgermeister, Sie haben bei der Forsa-Umfrage fast schon Merkelsche Sympathiewerte bekommen. Zwei Drittel der Ingolstädter sind mit Ihrer Arbeit zufrieden. Da dürfte Ihre Wiederwahl 2014 nur noch reine Formsache sein.

Alfred Lehmann: Bei Umfragen bin ich grundsätzlich sehr vorsichtig. Wenn jemand sagt, er ist mit einem Politiker zufrieden, heißt es noch nicht, dass er ihn wählt. Natürlich habe ich mich über das Ergebnis gefreut. Ich sehe das als Anerkennung meiner Arbeit, aber vor allen Dingen als eine Beurteilung der Gesamtarbeit der Stadtverwaltung, meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben alle gemeinsam einen Grund, uns darüber zu freuen, wenn die Bürger sehen, dass hier konsequent und systematisch gearbeitet wird.

 

Andererseits, wenn man Ihren potenziellen Nachfolger Christian Lösel sieht, wie er von einem Pressetermin zum nächsten eilt, könnte man glauben, dass Sie ab 2014 doch lieber Ihren Ruhestand genießen wollen und ihm das Feld überlassen.

Lehmann: (lacht) Christian Lösel ist als Referent wirklich eine Bereicherung. Er ist sehr aktiv, ich schätze ihn persönlich sehr. Ich werde doch niemanden bremsen, der sich voll für die Stadt einsetzt.

 

Aber der Ruhestand muss trotzdem noch warten?

Lehmann: Ja.

 

Bemerkenswert ist, dass laut Forsa die Mehrheit der SPD-Anhänger, 54 Prozent, Ihnen sehr gewogen ist, aber nur eine Minderheit der Freien Wähler, 44 Prozent. Warum koalieren Sie nicht gleich mit der SPD?

Lehmann: Man hat ja mit 500 Leuten eine relativ kleine Zahl befragt, da sind ein paar Stimmen hin oder her sehr schnell möglich. Aber ich freue mich, dass auch von den Sozialdemokraten gesehen wird, dass bestimmte Themen wie Arbeit mir ganz wichtig sind. Für mich hat Arbeit eine besondere Bedeutung. Deshalb freue ich mich auch so, dass Ingolstadt inzwischen die Großstadt mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit ist. Wir betreiben das Jobcenter als Stadt, weil wir glauben, dass wir dort für unsere Menschen in Ingolstadt mehr tun können als eine Bundesbehörde.

 

Überraschend schlecht hat bei der Umfrage die Bürgergemeinschaft abgeschnitten.Wie stark schätzen Sie sie ein?

Lehmann: Wir wollen ja, dass die Bürger sich einbringen. Ob sie das individuell tun oder in einem Zusammenschluss, ist erst mal nicht das Entscheidende. Ich glaube aber, dass sich solche Initiativen nicht so in Wählerstimmen niederschlagen, wie es diejenigen erhoffen, die sich da engagieren. Das Wählerpotenzial ist doch sehr überschaubar, weil sehr viele Bürger gebunden sind und sagen: Ich wähle diese oder jene Gruppierung, die kenne ich, damit bin ich zufrieden. Es fehlt der Bürgergemeinschaft das wirklich große Thema.

 

Unabhängig von persönlichen Sympathiewerten hat Forsa gezeigt, dass der Verkehr mit weitem Abstand und noch mehr als bei der Umfrage 2008 für die Befragten das wichtigste Thema ist. Was läuft da falsch in der Verkehrspolitik?

Lehmann: Der Verkehr ist in allen Städten das Thema Nummer eins. Wenn ich die Kollegen frage, dann sind es immer Verkehrsthemen. Auch bei uns in den Bürgerversammlungen ist es so. Das Thema Parken, öffentlicher Verkehr, Individualverkehr – das ist es, was die Menschen am direktesten betrifft. Man muss einfach aufgrund der geografischen Verhältnisse feststellen – Auwald, Donau, massive Audi-Arbeitsplätze an einem Standort –, dass man manche Situationen im Letzten nicht lösen kann. Wer heute eine Stadt ohne Stau verspricht, der sagt die Unwahrheit. Es gibt keine prosperierende Großstadt ohne Verkehrsprobleme. Wenn eine Stadt eine Verkehrsinfrastruktur hat und stark an Einwohnern verliert, reduzieren sich langsam die Verkehrsprobleme. Bei uns ist es genau umgekehrt. Die Stadt ist ungeheuer gewachsen. Aber wo soll ich denn noch Straßen reinbauen? Soll ich ins Glacis bauen, um die Westliche Ringstraße auszubauen? Es gibt ganz wenig Möglichkeiten. Deshalb versuchen wir sehr viel mit Ampelsteuerungen, Rechtsabbiegespuren, Grünpfeilen und kleinen Maßnahmen zu machen. Bei Unterführungen wie jetzt an der Ettinger/Richard-Wagner-Straße ist noch ein Potenzial in Ingolstadt, das müssen wir vielleicht in Zukunft stärker ausnutzen.

 

Auch bei einer vierten Donauquerung im Westen, wie sie von den Freien Wählern immer wieder gefordert wird?

Lehmann: Ich versuche hier, die Diskussion zu versachlichen. Ich sammle gerade in der Stadtverwaltung Informationen, welche Auswirkungen solche Ideen hätten, ökologisch, verkehrstechnisch, finanziell. Jeder hofft, dass mit einer vierten Donauquerung die Probleme gelöst sind. Ich befürchte, dass das nicht der Fall ist. Meine Grundposition ist sehr skeptisch. Aber die Option muss man sich offenhalten. Ich sammle jetzt Fakten und werde sie der Öffentlichkeit zu gegebener Zeit zur Verfügung stellen.