Wellheim
Wo ist der Mehrwert?

Vortrag über Straßenausbaubeitragssatzung in Wellheim beleuchtete Hintergründe und Neuerungen

28.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Foto: DK

Wellheim (pso) Die Straßenausbaubeitragssatzung ist ein viel diskutiertes Thema. Ein Vortrag in Wellheim klärte über Hintergründe und Neuerungen auf. Eingeladen hatten die Freie Wählerschaft Wellheim (FWW) und das Bildungswerk für Kommunalpolitik Bayern (BKB).

"Aktuell wird es immer dann, wenn die eigene Straße und damit der eigene Geldbeutel betroffen sind." Mit diesen Worten begrüßte Markträtin Melanie Pruis-Obel etliche Wellheimer Bürger, aber auch Kommunalpolitiker aus anderen Gemeinden zum Vortrag "Straßenausbaubeitragssatzung - Neuerungen und Grundsätzliches" von Diplom-Verwaltungswirt Jürgen Raab im Gasthaus Klettergarten.

Der Referent erläuterte in seinem fachlich anspruchsvollen Vortrag, den er immer wieder mit Beispielen auflockerte, zuerst die Grundlagen der Gemeindefinanzierung und verglich anschließend die Möglichkeiten der einmaligen und der wiederkehrenden Ausbaubeiträge. Dabei betonte er, dass Gemeinden nach Artikel 5 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes sowie ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes dazu verpflichtet seien, Straßenausbaubeiträge zu erheben. "Artikel 5 ist ein wichtiges Gesetz, weil es direkt in die Rechte und Taschen der Bürger eingreift." Es regle Gemeinsamkeiten, etwa die Aufwandsdeckung oder die Pflicht zur Verteilung des Aufwandes nach Grundstücksfläche, der genannten Abrechnungsarten. Aber eben auch die Unterschiede.

So werden bei den bisher in Bayern üblichen einmaligen Ausbaubeiträgen nur unmittelbare Anrainer explizit für die einzelne zu sanierende Straße zur Kasse gebeten. Die Abrechnung erfolgt nach Abschluss der Maßnahme. Dabei können je nach Situation sehr hohe Summen fällig werden. Bei wiederkehrenden Beiträgen dagegen kann die Gemeinde in größere Abrechnungseinheiten und über einen Zeitraum von fünf Jahren aufgeteilt werden, wodurch die Last auf kleinere Beträge verteilt wird und zudem auf mehreren Schultern ruht. Diese Einteilung müsse aber jede Gemeinde individuell und ganz genau unter Beachtung der Rechtsvorschriften prüfen, so Raab, am besten in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt. "Wo ist der Mehrwert für mein Grundstück, wenn eine andere Straße saniert wird" sei dabei ein klassischer Streitpunkt. Marktrat Johann Groner warf ein, dass dies beim Kanal doch genauso gemeinsam gemacht werde. Raab gab ihm Recht: "Das beißt sich."

Die Eigenbeteiligung der Anwohner ist bei einmaligen Beiträgen je nach Straßenklassifizierung unterschiedlich hoch, bei wiederkehrenden Beiträgen ergibt sich ein einheitlicher Beitragssatz je Abrechnungseinheit. Markträtin Theresia Asbach-Beringer kritisierte, dass durch die fehlende Klassifizierung Anlieger von Hauptverkehrsstraßen, die schon durch Lärm und erhöhtes Verkehrsaufkommen belastet seien, dieselben Beträge zu zahlen hätten wie Bewohner etwa eines ruhigen Siedlungsgebietes. Sie plädierte dafür, einen Anlieger-Faktor hineinzurechnen. Raab ergänzte dazu, dass ein Nebeneinander von einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen in einer Gemeinde zulässig sei. Dem gern genutzten Argument gegen das wiederkehrende Modell, die Bürger würden sich dann Luxussanierungen vorstellen, erteilte Raab eine klare Absage: "Es gilt immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Man darf nur in einem Umfang sanieren, der auch wirklich notwendig ist." Die Abrechnung erfolge am Jahresende rückwirkend oder im Durchschnitt von bis zu fünf Jahren jeweils am Jahresanfang. Der jüngsten Forderung von FW-Chef Hubert Aiwanger nach einer kompletten Abschaffung der Beitragspflicht für Bürger erteilte Raab nur eingeschränkt Zustimmung: "Da gehe ich sofort mit, wenn es rechtlich gesichert und finanzierbar ist."

Vor und nach der Präsentation zeigte sich in verschiedenen lebhaften Diskussionen, wie komplex die Angelegenheit ist: Aus Petershausen bei Dachau war Günter Fleischmann gekommen. Für den Vorsitzenden der "Bürgerinitiative Umgehungsstraße für Petershausen" ist die Thematik aktueller denn je. Denn es steht eine große Ortskernsanierung bevor, die einige Anwohner in Schwierigkeiten bringen könnte, so befürchtet er. "Es ist eine Siedlung aus den 50er-, 60er-Jahren. Viele ältere Anwohner oder Witwen haben kein Geld dafür." Fleischmann prangerte aus seiner Sicht einige Ungerechtigkeiten am aktuellen System der Einmalbeiträge an und versprach: "Ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, dass die Leute auf die Barrikaden gehen."

Mit einem weißen Blatt Papier beginnt dagegen die Gemeinde Ehekirchen aus dem Nachbarlandkreis Neuburg-Schrobenhausen. Gemeinderat Paul Kammerer und Ortssprecher Gerd Kaufmann berichteten, dass die Gemeinde bisher keine Beiträge erhoben habe, nun aber vom Landratsamt zum Erlass einer Satzung verpflichtet worden sei. Man habe sich zwar in einer Abstimmung bereits für wiederkehrende Beiträge entschieden, so Kammerer, aber er habe doch Zweifel bekommen und wolle sich nochmals über die Varianten informieren. "Wir haben 14 Ortsteile mit vielen alten, großen Grundstücken. Da sehe ich Schwierigkeiten."

Dass er eher zu den wiederkehrenden Beiträgen tendieren würde, verdeutlichte FWW-Marktrat Alfons Bernecker: "Für mich soll eine Gemeinde auch in solchen Fragen Solidargemeinschaft sein." Es waren auch einige Anlieger der Konsteiner Bahnhofstraße anwesend, die wegen einer anstehenden Sanierung hohe Ausbaubeiträge befürchten. Die Thematik bleibt also auch für die Marktgemeinde Wellheim spannend.

‹ŒFoto: Pruis-Obel