Weichering
Wo einst Bayerns Könige beten sollten

Die Weicheringer Kirche überrascht im Inneren mit einer Jugendstiloptik, die beinahe für immer verloren gewesen wäre

15.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr
Außen schlicht, innen ein Schmuckstück: Die Weicheringer Pfarrkirche St. Vitus erweist sich beim Betreten als imposant ausgestattetes Gotteshaus. Verantwortlich dafür sind Maler Franz Hofstötter und der vor allem für seine Krippen bekannte Bildhauer Sebastian Osterrieder, der in Weichering Altäre und Figuren gestaltet hat – unter anderem eine Krippendarstellung. −Foto: Janda

Weichering (DK) Die letzten bayerischen Könige und Prinzregenten haben wohl nie in der Weicheringer Kirche gebetet. Zumindest ist ein Besuch der Regenten nicht überliefert. Und doch hatten die Wittelsbacher entscheidenden Anteil an der Ausstattung des Gotteshauses, das von außen in schlichter, fast unscheinbarer Ziegelsteinoptik daherkommt, im Inneren aber einen kleinen Jugendstilschatz birgt. Dass es diesen Schatz noch heute gibt, ist wohl vor allem dem Zufall zu verdanken.

 

"Die Kirche ist sicher nicht jedermanns Geschmack", sagt Josef Krammer, "doch sie wirkt vor allem bei Sonne sehr belebend." Mit dem Geschmack spielt der Weicheringer Dorfchronist, der den Sakralbau nach 40 Jahren in der Kirchenverwaltung bestens kennt, vor allem auf dessen Ausstattung an. Jugendstil und auch Elemente der Neuromanik vermischen sich in dem Gebäude und vermitteln einen geradezu untypischen Eindruck für eine Kirche. Ähnliche Bauwerke gibt es kaum, einzig im Zwieseler Raum ist die Pfarrkirche Herz Jesu in Ludwigsthal bekannt. Sie stammt ebenso wie der Schwesterbau in Weichering aus der Feder Franz Hofstötters, dessen Werk heutzutage beinahe komplett verloren ist. Fast wie Wandfliesen sieht die von dem 1958 gestorbenen Künstler gemalte Wandoptik im Jugendstil aus. Dazu kommen Altäre und Figuren aus der Werkstatt des Abensbergers Sebastian Osterrieder, der als Krippen-Wastl vor allem für seine Weihnachtskrippen bekannt ist. In Weichering steht die einzige vollständig erhaltene Altarausstattung von ihm. "Allerdings keine Krippe", erklärt Krammer, verweist aber gerne auf eine Krippendarstellung Osterrieders am Marienaltar.

Eine ebenso reichhaltige wie innovative Ausstattung, die das zwischen 1901 und 1903 entstandene Gotteshaus schmücken. Und die Weichering vor allem dem damaligen Königshaus zu verdanken hat. "Die Wittelsbacher waren damals öfter zur Jagd in Grünau", erklärt Krammer. Daher sei München maßgeblich an der Einrichtung der nahen Kirche in Weichering beteiligt gewesen. Sowohl Osterrieder als auch Hofstötter erhielten ihre Aufträge damals aus der Landeshauptstadt, dazu kamen zwei Gebetsräume über Glockenhaus und Sakristei, von wo aus die königlichen Herrschaften die Messen verfolgen konnten. Den Bau selbst musste freilich die Dorfgemeinschaft stemmen. Mithilfe eines Kirchenbauvereins, den der damalige Pfarrer Bernhard Käufel bereits 1894 gegründet hatte, dem Verkauf der Gegenstände aus der alten Kirche in die ganze Region, über immense Darlehen, welche die Pfarrei erst 1940 endgültig abbezahlt hatte, und sogar über einen Kirchenbaupfennig aufs Bier. Doch eine Alternative gab es Krammer zufolge kaum. "Die alte Kirche am heutigen Kapellenplatz war schon seit 1649 baufällig", weiß er. Überlieferungen berichten von mehreren notdürftigen Instandsetzungen, doch keine erwies sich als dauerhaft. Daher folgte auf Käufels Initiative hin der Kauf zweier Grundstücke im Ortskern, einige Hundert Meter vom Vorgängerbau entfernt - der bisherige Standort hatte sich für ein größeres Bauwerk als viel zu klein erwiesen. Aus dem alten Gotteshaus findet sich am Hochaltar - gestiftet von Reichsfreiherr Theodor Freiherr von Cramer-Klett - noch eine Darstellung des heiligen Vitus, Schutzpatron des Gotteshauses.

Dass in Weichering heute noch so gut wie alles vom damaligen Zustand erhalten ist, war aber beileibe keine Selbstverständlichkeit. Denn gerade mal gut ein halbes Jahrhundert nach Fertigstellung des Gotteshauses folgte eine zu gut gemeinte Renovierung, in deren Zuge die Handwerker nicht nur sämtliche Malereien überweißelten und viele Ausstattungsgegenstände ausbauten. Der Pfaffenhofener Kirchenmaler Michael Weingartner verlieh dem Inneren zudem eine komplett neue Optik. Kein dauerhafter Zustand. Ab 1987 machten die Verantwortlichen diese doch recht radikale Vereinfachung rückgängig. "Wir hatten dabei einige Vorteile: Zum einen gingen die billigen Kalkfarben einfach wieder runter", erinnert sich Krammer. "Zum anderen hatte der damalige Mesner die komplette Ausstattung gerettet und auf dem Dachboden gelagert."

Spuren dieser Ära finden sich noch heute. Hinter dem Altar gibt es noch Teile von Weingartners Werk, ebenso an der Unterseite der Emporentreppe und im Vorraum der Kirche. Die Abbildungen der vier Evangelisten im Altarraum sind hingegen bei der zweiten Renovierung nicht groß aufgehübscht worden und daher noch im Originalzustand erhalten. Gleich daneben am Hochaltar findet sich übrigens ein amüsantes Detail der Weicheringer Kirche: eine Statue der heiligen Crescentia. Sie wurde schon 1900 selig, aber erst gut 100 Jahre später heiliggesprochen. "Bei uns ist sie aber schon immer als Heilige verehrt worden", sagt Krammer und zeigt auf die Inschrift unter der Statue, die diese als heilig bezeichnet.

 

 

Die Serie

In unserer Serie "Kunst und Glaube" stellen wir bedeutende sakrale Schätze aus der Region vor. Diesmal: die katholische Pfarrkirche in Weichering, die neben ihrer seltenen Ausstattung im Jugendstil auch eine besondere Historie bietet. | DK