Oberstimm
Wo der Marktausschuss noch selber anpackt

Das gibt es nur am Barthelmarkt: Was andernorts die Verwaltung erledigt, dafür nehmen in Oberstimm Gemeinderäte Urlaub

21.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:50 Uhr
Der Marktausschuss Manching beim Ausmessen: Die Mitglieder nehmen sich dafür Urlaub. −Foto: Eberl

Oberstimm (DK) Es ist alt, abgegriffen und alles andere als repräsentativ.

Aber auf den Inhalt kommt es an, und der ist ein einmaliger Schatz: das blaue Buch des Barthelmarkts. Da steht alles drin, was man über den Barthelmarkt wissen muss - wenn man es denn lesen kann. "Das habe ich von meinem Vorgänger geerbt", sagt Georg Kumpf, dienstältestes Mitglied im Barthelmarktausschusses des Marktes Manching und deshalb Verwalter des Buchs. Und von dem hat er auch das System übernommen. Für jeden einzelnen der rund 300 Stände - vom Gurkenhobler bis zum Bierzelt - werden die Größe, die Standnummer, die Lage und sonst noch einiges notiert. Alles, was man wissen muss. Farbige Markierungen am Rand erleichtern die Zuordnung. Zumindest für den, der das System verstanden hat. Der Laie erkennt nur eine Anhäufung von Spalten und Zahlen. Und weil es der Brauch ist, werden die Einträge in das Buch nach wie vor mit dem Bleistift vorgenommen. Weil man da radieren kann, sagt Kumpf. Am Barthelmarkt gelten halt eigene Gesetzte - auch im 21. Jahrhundert.

Natürlich gibt es auch einen Plan vom Gelände in digitalisierter Form. "Da sind alle Leitungen, Kanäle, Gullideckel und Bäume verzeichnet", erzählt Adolf Engel. Der Plan hängt groß im Marktbüro am Südende des Oberstimmer Areals, im ehemaligen Haus der Bäuerin. Auch diese Karte ist farbig, um im Falle eines Falles eine schnelle Suche oder Zuordnung zu ermöglichen. Langjährige Mitglieder des Ausschusses haben freilich die wichtigsten Sparten ohnehin im Kopf. "Wer in diesen Ausschuss geht, muss ein Herz für den Barthelmarkt haben", sagt Thilo Bals. "Und das gilt auch für die Stellvertreter, die jedes Ausschussmitglied hat", ergänzt Birgid Neumayr. Denn das am Freitag beginnende, vier Tage dauernde Traditionsfest, zu dem wieder gut 200000 Gäste erwartet werden, ist äußerst arbeitsintensiv. "Und die Arbeit geht nach dem Markt weiter", weiß Hans Froschmeier wie alle seine Mitstreiter aus eigener Erfahrung.

Der Marktausschuss des Marktes Manching, wie er offiziell heißt, umfasst acht Mitglieder aller im Gemeinderat vertretenen Fraktionen plus Bürgermeister Herbert Nerb als Vorsitzenden. Er tagt ziemlich regelmäßig übers Jahr verteilt und ist damit auch gut ausgelastet. An die 1200 Bewerbungen gehen Jahr für Jahr für den Oberstimmer Barthelmarkt ein - 300 Plätze stehen zur Verfügung. "Jede Bewerbung wird einzeln angeschaut", betont Kumpf. Manchmal sagt aber ein Schausteller ab, weil er beispielsweise sich auch auf einem anderen, zeitgleichen Volksfest beworben hat. Dann werden am Freitag die wenigen Restplätze vergeben. "Die stehen dann schon um 8 Uhr vor der Tür. Aber manchmal sind noch nette Geschäfte mit dabei", erinnert sich Neumayr.

"Unser Ziel ist es, die Attraktivität des Barthelmarktes jedes Jahr noch weiter zu steigern", betont Rathauschef Nerb. Deshalb schauen die Mitglieder auch darauf, jedes Jahr ein paar Attraktionen zu gewinnen und immer wieder neue Geschäfte auf die Festwiese zu holen. Deswegen fahren sie auch Jahr für Jahr auf den Gillamoos - rein dienstlich natürlich. Der Barthelmarkt und der (! ) Gillamoos arbeiten nämlich bei den Attraktionen zusammen. Weil das Traditionsfest in Abensberg immer eine Woche nach Oberstimm stattfindet, ziehen manche Fahrgeschäfte gleich dorthin weiter. Rund ein Fünftel der Geschäfte ist jedes Jahr neu. Andere, wie das Fahrgeschäft Kreis, sind vermutlich seit über 100 Jahren fast jedesmal auf dem Markt.

Mit der Auswahl ist es aber noch nicht getan. Denn was ansonsten die Verwaltungen in den Kommunen oder Kreisen oder sogar Fremdfirmen erledigen, macht in Oberstimm der Ausschuss selber - eine weitere unter den vielen Besonderheiten des Barthelmarkts. "Das ist uns von keinem anderen Fest bekannt", sagen die Mitglieder unisono. "Und das war schon in Oberstimm so": Will heißen, als Oberstimm bis 1978 noch eine selbstständige Gemeinde war. Und dann eigentlich erst lieber zu Ingolstadt wollte, als in Manching eingemeindet werden. Aber das ist eine andere Geschichte. . . Gut eine Woche vor dem Beginn beginnt für die Ausschussmitglieder jedenfalls die heiße Phase. Dann nehmen alle Urlaub, dann schlägt die große Stunde von Georg Kumpf. Auf dem großen Gelände an der Kreuzung B13/B16 wird jeder Stand ausgemessen. Mit ihrem Leiterwagerl und allen Utensilien bewaffnet, als da wären ein großer Hammer, Metermaß, Farbdosen, Stangen und etliches mehr, ziehen sie über die Festwiese und setzen ihre Pflöcke und Markierungen. Da muss alles genau stimmen, denn sonst funktioniert der fein sorgfältig austarierte Plan hinten und vorne nicht mehr.

Manchmal passiert es aber doch, dass die Schausteller verkehrte Maße angegeben haben - was sich aber im Regelfall erst herausstellt, wenn sie am Platz sind. "Da wird gerne mal die Deichsel am Wagen vergessen", sagt Engel. "Der Klassiker ist die Tür, die nicht mehr aufgeht", ergänzt Kumpf unter dem Schmunzeln seiner Kollegen. Alle wissen, wovon er spricht, es kommt immer wieder vor. Gerade, wenn der August nur vier Sonntage hat, sind die Schausteller bis kurz zuvor oft noch auf anderen Märkten und kommen auf einen Schlag erst am Donnerstag. Und dann kann es schon mal hektisch werden, wenn jeder schnell aufbauen will.

Doch auch solche Situationen lassen sich klären. Je nach Naturell und Temperament der Damen und Herren Gemeinderäte im Ausschuss mit Geduld, Verhandlungsgeschick, mit Nachdruck oder auch Sturheit. Auf jeden Fall mit offizieller Legitimation - als Organ der Verwaltung. "Wir sind der verlängerte Arm des Ordnungsamts", sagt Werner Semmler: "Wir haben alle Dienstausweise. " Das Marktbüro dient während dieser Zeit als Amtsstube, als Außenstelle des Rathauses. Die Mitglieder kontrollieren Schank- und Schließzeiten und sorgen dafür, dass nachts Ruhe am Gelände einkehrt - nicht zuletzt auch wegen der Anwohner. "Am härtesten ist die Nacht von Sonntag auf Montag", erzählt Froschmeier. Die wenigsten haben ein Auge zugetan, und wenn, dann nur wenige Stunden. Doch im Morgengrauen muss jeder wieder seien Mann beziehungsweise seine Frau stehen. Wenn dann am Rossmarkt die Bierzelte den Betrieb aufnehmen, steht an jedem Ausschank ein Mitglied des Marktausschusses und kontrolliert mit Uhr oder Smartphone, dass überall gleichzeitig ausgeschenkt wird: um punkt 6 Uhr und nicht eine Sekunde früher.