Ingolstadt
Wo Bier auf Ethik trifft

Der Zeitplan steht: Das Georgianum wird zu einer Begegnungsstätte mit ziemlich buntem Konzept

29.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

−Foto: Eberl, Stefan, Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Wenn alles nach Plan läuft, beginnt 2019 im verfallenden Georgianum die Sanierung. 2021 sollen die Arbeiten vollendet sein. Es entsteht eine Begegnungsstätte mit sehr bunt gemischtem Konzept: Bier, Buchdruck, Konzerte, Universitätsgeschichte, ein Wirtshaus und ein Ethikzentrum der Uni.

Gut möglich, dass im Presseamt der Stadt auf jedem Tisch ein Heiligenkalender steht. Es ist aber auch vorstellbar, dass die Mitarbeiter auswendig wissen, dass der 29. Juni der Gedenktag für Peter und Paul ist. Denn es konnte kein Zufall sein, dass die Behörde ausgerechnet gestern in das Georgianum am Hohe-Schul-Platz lud – jenes Monument des Spätmittelalters, dessen (mittlerweile profanierte) Kapelle den Aposteln Peter und Paul geweiht war. „Alles reiner Zufall!“, beteuerte – mit breitem Lächeln – Presseamtsleiter Michael Klarner.

Da schritt OB Christian Lösel in einen der heruntergekommenen Räume des ehemaligen Prachtbaus, um große Pläne zu verkünden: „Wir sind so weit! Der Zeitplan für die Sanierung steht.“ Noch im Juli befassen sich die zuständigen Stadtratsgremien damit. Wenn alles reibungslos läuft, beginnen 2019 die Arbeiten. 2021 – genau 525 Jahre nach der Einweihung des Georgianums – soll dessen Wiedergeburt vollbracht sein. Die Renaissance rückt näher.

Das Gebäude, das die Ingolstädter dann erwartet, darf man als öffentliche Begegnungsstätte mit einem wirklich sehr bunt gemischten Spektrum bezeichnen. In den drei Bürgerbeteiligungsrunden 2013 und 2014, als viele Schanzer, aber auch lokalpatriotische Zugezogene leidenschaftlich über die Zukunft der riesigen Problemimmobilie in städtischem Besitz diskutierten, wurden die schon damals höchst unterschiedlichen Nutzungsoptionen noch nach dem Prinzip „Entweder das oder das“ abgehandelt – ein Ausschlussverfahren. Doch das Raumkonzept, das die Stadtverwaltung jetzt auf den Weg bringt, erfüllt tatsächlich alle großen Wünsche der Bürger auf einmal; der Kasten ist schließlich groß genug, fast 1600 Quadratmeter.

Das Georgianum der Zukunft soll gesellig (aber natürlich auch lehrreich) als „Haus des reinen Bieres“ den Kult um das Reinheitsgebot für Bier pflegen (ein Plan der Jungen Union). In der Fasshalle, jener beliebten, temporären Trink- und Feierstätte zu Bierfestzeiten, eröffnet dann (dauerhaft) ein Wirtshaus. Ausstellungen bringen den Besuchern die Geschichte der alten Universität und des Buchdrucks näher (eine Initiative Ingolstädter Bildungsbürger, beredt angeführt von Paul Schönhuber). Die frühere Kapelle Peter und Paul dient nach der Sanierung als schmucker kleiner Saal für Veranstaltungen vieler Art: Empfänge, Konzerte, Lesungen, gediegene Feiern und Ähnliches. Und in das einstige Stiftsgebäude zieht ein zuverlässiger Mieter ein: die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Sie wird hier ein „Zentrum für globale Ethik“ betreiben (eine Idee von Peter Schnell und Alfred Lehmann). Da kommt Leben in die Bude.

„Wir wollen unsere Universität über das Georgianum wieder stärker an Ingolstadt heranbringen, denn es ist ja auch eine Ingolstädter Universität“, sagte Prof. Jens Hogreve, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der KU, gestern am Ort des künftigen Geschehens. Er kündigte einen „Bürgercampus“ an, „der den Transfer unserer Forschung in die Gesellschaft unterstützen soll“. Die Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Unternehmensethik. Der universitäre Teil des neuen Georgianums soll alles andere als ein Elfenbeinturm sein. „Das Zentrum bietet die herausragende Möglichkeit, ein Dialogforum einzurichten, um über aktuelle, gesellschaftlich relevante Fragen der Ethik im globalen Kontext zu sprechen“, sagte Hogreve. Auch Lösel betonte: „Das Georgianum wird ein Haus für alle Bürger sein.“ Fröhlich fügte er an: „Kavalier Dallwigk, Feldkirchener Tor, Georgianum – bald laufen alle großen historischen Bauprojekte!“ Die Rossmühle hinter dem Neuen Schloss hat er auch schon anvisiert. Sie wäre ideal als Dependance der nahen Technischen Hochschule. Lösel: „Ich habe ja eine Vorliebe für historische Bauten!“

Die Geschichte des Georgianums ist lang, verlief allerdings über viele Jahrzehnte arg ereignislos. Das 1496 fertiggestellte Kollegiengebäude, benannt nach dessen Stifter, dem bayerischen Herzog Georg dem Reichen, beherbergte zuerst mittellose Studenten der Hohen Schule, danach Priesteramtskandidaten. Später residierten und produzierten Braumeister unter den hohen verzierten Gewölben; das Georgianum wandelte sich sozusagen vom Haus des Geistes zum Haus der Gerste. In jener Zeit, dem 19. Jahrhundert, entstand die Fasshalle. Bis in die 1960er-Jahre hatte das Bürgerliche Brauhaus (Herrnbräu) hier seinen Firmensitz. Ein Dentallabor zog bald wieder aus. Bis 1999 lagerte die Firma Gummi Kraus in dem schon bröckelnden Renommierbau Waren ein. Seither steht das Georgianum leer und verfällt vor sich hin. Eine Erneuerung des Dachstuhls vor sechs Jahren verhinderte immerhin Schlimmeres.

Die Renaissance des Baudenkmals soll rund zwölf Millionen Euro kosten, berichtete Lösel. Die für solche Spezialaufträge gegründete städtische Gesellschaft IN-Ko-Bau sei „voll handlungsfähig“. Nächstes Jahr werde im Georgianum eine Informationsveranstaltung stattfinden. Und Fotografen dürfen bald bei einem Instagram-Treffen in dem alten Gemäuer um sich schießen, wie sie wollen. Die Einladung gehe bald raus, kündigte Michael Klarner an.