Nürnberg
Wo Bayerns Regenten in Öl verewigt sind

Im Nürnberger Justizpalast gibt es bei den "Stadt(ver)führungen" vom 22. bis 24. September den Königssaal zu bestaunen

13.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr

Nürnberg (HK) Deutschlandweit einmalig sind die Nürnberger "Stadt(ver)führungen". Bei dem dreitägigen Führungsmarathon, der heuer vom 22. bis 24. September stattfindet und unter dem Motto "Zeichen & Wunder" steht, öffnet der Justizpalast mit dem Königssaal und der Bibliothek seine verborgene Herzkammer.

Mit eigenen Augen haben nur wenige den Königssaal im Justizpalast bisher gesehen. Dabei wurde der schmucke Saal bereits vor über 100 Jahren eröffnet. "Dieser Königssaal wurde vom Ludwig III. höchstpersönlich am 11. September 1916 nach siebenjähriger Bauzeit eingeweiht", erklärt Christoph Strötz, Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg, und zeigt auf das Porträt des letzten bayerischen Monarchen unter der gläsernen Kuppel des holzvertäfelten Prachtraums.

"Das ist schon ein sehr würdiger Saal", sagt Strötz und zeigt auf die royale Ahnengalerie, die den Fries unter der Decke ziert. Selbstverständlich durfte in dem blaublütigen Raum kein bayerischer "Kini" fehlen. In dem Repräsentationssaal sind alle sechs Regenten seit der Erhebung Bayerns zum Königreich im Jahr 1806 in Öl vertreten. Zusätzlich zieren Lobeshymnen auf die Justiz in lateinischer Sprache wie etwa "Iustitia regnorum fundamentum" (Gerechtigkeit ist die Grundlage der Reiche) den Königssaal. Dem letzten Bayernkönig hat dieser Spruch freilich persönlich nicht mehr viel geholfen. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, der Abdankung von Kaiser Wilhelm und den Wirren der November-Revolution musste schließlich auch Ludwig III. vom Thron steigen.

Zuvor erhielt die Nürnberger Bevölkerung noch die Gelegenheit, den neuerbauten Justizpalast bei einem Tag der offenen Tür in Augenschein zu nehmen. Neben dem Königssaal mit den Bildnissen der Monarchen sollen sich die Besucher seinerzeit besonders für die elektrischen Aufzüge interessiert haben, die praktisch direkt von den Gefängniszellen im tiefen Keller in die Sitzungssäle im oberen Teil des Gebäudes führten. Die Häftlinge mussten nur noch einen relativ kurzen Weg über einen unterirdischen Verbindungsgang aus dem Untersuchungsgefängnis zu den neuartigen Aufzügen im Untergeschoss hinter sich bringen, um sich dem Urteil der Justiz zu stellen.

Ob den Angeklagten der neue Luxus mit den bequemen Aufzügen gefallen hat, ist freilich nicht überliefert. Gesichert ist dagegen, dass die Nürnberger beim Anblick der Bibliothek große Augen bekommen haben sollen. Der holzvertäfelte Raum ist dem Königssaal direkt vorgelagert. "Das ist schon eine fürstliche Bibliothek", sagt Christoph Strötz und öffnet einen der Schränke zu den wertvollen Bänden. Heuer würde der Freistaat sicher nicht mehr so großzügig bauen, ist sich Strötz sicher. Selbst die "normalen Büros" im Justizpalast seien königlich dimensioniert. Die Fernsehleute vom "Franken-Tatort" hätten die Sache freilich arg übertrieben, als sie aus der Luxusbibliothek das Arbeitszimmer eines Staatsanwaltes machten. "Hybris" nennt der Präsident derartige Verkennungen der Lage.

Immerhin über sieben Millionen Goldmark hat der Monarch seinerzeit für den Bau des Justizpalastes springen lassen. Bis heute ist der Bau das größte Justizgebäude im Freistaat. Den Namen "Palast" trägt das Haus eben nicht umsonst. Königssaal und Bibliothek sind nur zwei Beispiele der Pracht. Nicht alles ist bis heute erhalten geblieben. Die imposante Säulenhalle im dritten Obergeschoss des Haupthauses ist einem Bombenangriff zum Opfer gefallen. Weltweit bekannt wurde der Palast durch die Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes. Demnächst soll der Ostbau mit dem berühmten Saal 600 fast ausschließlich für museale Zwecke genutzt werden. Der Freistaat baut derzeit für rund 20 Millionen Euro ein neues Strafjustizzentrum, das den altehrwürdigen Gerichtssaal ersetzen soll.

Bei den Stadtverführungen können Besucher in die spannende Geschichte des Justizpalastes eintauchen. Ewald Behrschmidt, der ehemalige Vizepräsident des Oberlandesgerichts, wird den Besuchern am 22. September alles über das Bauwerk, seine Geschichte und die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse erzählen.

"Ich bin hier heute auch zum ersten Mal", gesteht Andreas Radlmaier vom Kulturreferat der Stadt und rühmt die Schönheit des Königssaals und die fantastische Ruhe in der edlen Bibliothek im Justizpalast. "Bei den Stadtverführungen kann man neue Orte entdecken, die man noch nicht auf dem Schirm gehabt hat", sagte Radlmaier bei der Programmpräsentation für die "Stadt(ver)führungen". Die Teilnehmer haben die Qual der Wahl aus 931 Einzelführungen.