Schrobenhausen
Wissenswertes über die Hiag

Kreisheimatpfleger Bernhard Rödig berichtete beim Historischen Verein über das Rüstungswerk

22.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:41 Uhr

Bernhard Rödig sprach beim Historischen Verein Schrobenhausen über die Geschichte der Firma Hiag-Paraxol. Vorsitzende Claudia Freitag-Mair bedankte sich - Foto: mbs

Schrobenhausen (mbs) Am Ende gab’s Anerkennung für „ein Highlight unter den Vorträgen, die zuletzt aus dem Mitgliederkreis des Vereins kamen.“ In der Jahres-Mitgliederversammlung des Historischen Vereins referierte Heimatpfleger Bernhard Rödig über „Die Geschichte der Hiag-Paraxol-Werke.“

Was geschah und geschieht in der Hagenau? Das ist seit bald 75 Jahren eine der allgemein interessierenden Fragen in der Stadt Schrobenhausen, auch deshalb war der Abend bestens besucht. Zu den überraschenden Erkenntnissen gehört – nach Rödigs Ausführungen – die Tatsache, dass schon 1912 eine Sprengstofffabrik ins Auge gefasst war, und zwar auf dem Gelände zwischen dem damals noch viel kleineren Dorf Steingriff und dem Wald der Hagenau. Dieses Ansinnen der Bayerischen Staatsregierung wurde aber nicht umgesetzt.

Ernst wurde es 1938, als die Nationalsozialisten bei der Vorbereitung ihrer Kriegspläne binnen kurzer Zeit und unter strengster Geheimhaltung größere Flächen in der Hagenau rodeten und dort rätselhafte Anlagen bauten. Der Staatsauftrag wurde von Firmen der Privatwirtschaft abgewickelt, die ausführende Degussa trat in der Hagenau unter dem Namen Hiag auf, als Holzverarbeitungs- und -verkohlungs-Industrie Frankfurt AG; der Name Paraxol kam bei Inbetriebnahme ins Spiel.

Gebaut wurde aber nicht eine Munitionsfabrik, wie landläufig gesprochen wurde, sondern eine chemische Anlage, in der Methanol als Sprengstoff-Vorprodukt aufbereitet wurde. Zur Methanol-Anlieferung gab es einen eigenen „Hiag-Bahnhof“, und zwar lagen die Gleise südlich der Pöttmeser Straße, sie tangierten in etwa die Ostseite des heutigen Bauer-Maschinenwerkes.

Eine wichtige Infrastrukturmaßnahme war die Versorgung der Hiag mit Betriebswasser aus der Paar; es wurde mit Pumpwerken bei Hörzhausen aus dem Fluss entnommen und durch das Gelände in den Wald geleitet. Die letzten Überreste der Anlagen sind noch zu finden, ebenso wie einige zerstörte Betonbunker in der Hagenau. Bedenken gab es in der ersten Bauphase bei Leinfelder, ob nicht das zurückgeleitete Betriebswasser der Hiag verunreinigt auf die Papierherstellung treffen würde. Leinfelder-Inhaber Hans Schrödinger wurde daraufhin zu Stillschweigen verpflichtet.

Bernhard Rödig gab ein äußerst faktenreiches Bild der Ereignisse, konnte sogar Luftbilder aus den Aufklärungsflügen der Amerikaner aus der Endphase des Krieges zeigen; die Bombardierungen richteten dann nur Teilschäden an. Eine Sprengung der kompletten Anlagen nach Kriegsende wurde verhindert.

Rödigs bester Informant war der damalige Leiter des Hiag-Paraxol-Werkes Wilhelm Hensinger, der vor wenigen Jahren starb; er war 107 geworden.

In der Nachkriegszeit wurden die leer stehenden Gebäude ab 1946 für Vertriebene aus dem Sudetenland genutzt. Zeitweise lebten über 600 Menschen „in der Paraxol“, und darunter so viele Kinder, dass eine eigene Schule eingerichtet wurde. 1954 wurde die Schule aufgelöst, im Jahr darauf beginnt die Geschichte des neuen Unternehmens, das lange unter den Namen MBB geführt wurde und zuletzt mehrere Umfirmierungen bis zur heutigen MBDA mitmachte.