Ingolstadt
"Wir sind noch nicht am Ende"

Die Kosten der Halle 9 beschäftigen weiter den Stadtrat und seine Ausschüsse

16.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:27 Uhr

Links die Halle 8, rechts die Halle 9: Die Baupläne für den einen sind vorerst gestoppt, der andere Bau ist inzwischen fast fertig. Bauherr am Ingolstädter Hauptbahnhof ist die Stadttochter IFG. Sie hatte mit dem Besitzer der zwei ehemaligen Bahngüterhallen, der Bahntochter Aurelis, einen 30-Jahres-Pachtvertrag abgeschlossen, verhandele aber jetzt doch über einen Kauf - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Wie konnte die Halle 9 doppelt so teuer wie geplant werden? Mit der Frage beschäftigte sich gestern der Kulturausschuss, zuvor hatte unsere Zeitung das auch den Kulturreferenten gefragt. Der hält sich in der Schuldfrage bedeckt.

Der Rechnungsprüfungsbericht spricht aber eine deutliche Sprache. Auch wegen „gravierender Mängel“ bei der Kostenberechnung und „fehlender Überwachung“ am Bau hätten sich die Kosten von ursprünglich 2,3 Millionen auf 4,6 Millionen Euro verdoppelt. Zu dem Ergebnis kommt der Rechnungsprüfungsbericht, von dem nur wenige Zeilen in der Vorlage für die Ausschüsse und den Stadtrat veröffentlicht worden sind. Der Rest bleibt geheim. Der Oberbürgermeister hatte die Rechnungsprüfung in Auftrag gegeben, nachdem die Kostenexplosion bei der Halle, die Skatern und BMX-Fahrern sowie Bands einen Platz geben soll und zusätzlich einen Saal für Veranstaltungen beinhaltet, bekannt geworden war. Und für Kostenberechnung und Überwachung ist der Planer zuständig.

Den Architekten in die Pfanne zu hauen, halte er nicht für sinnvoll, sagte Kulturreferent Gabriel Engert. „Das hilft keinem.“ Er bestätigte allerdings, dass, als der Stadtrat die 2,3 Millionen Euro für die Halle 9 bewilligte, durchaus klar gewesen sei, dass wegen der Förderrichtlinien für den Trendsportteil der Halle einige teure Auflagen wie Brandschutz und Energiedämmung vorgenommen werden müssen.

Architekt Chris Neuburger hatte erklärt, dass „rückblickend zu viele Fragen offen waren, um die 2,3 Millionen Euro zu halten“. Er hatte auch von einem „gewissen Kostendruck, dem das Projekt von Anfang an unterlag“, gesprochen.

„Es gab keine Vorgabe, eine bestimmte Summe einzuhalten“, sagte jetzt Engert. „Dass es so kosteneffizient wie möglich sein soll, ist aber ganz normal.“ Der Architekt sei auch nicht unerfahren. Er sei einerseits als Musiker, der wisse, was benötigt wird, aber andererseits auch als Architekt, der schon Projekte für die Stadt beziehungsweise ihre Töchter ausgeführt hat, engagiert worden. Bisher habe er auch keine Budgets überzogen. „Es sind Fehler gemacht worden“, sagte Engert. „Es wäre zu vermessen, zu sagen, das wird nie wieder passieren, aber wir haben unsere Lehren daraus gezogen.“

So seien die Bauarbeiten an der angrenzenden Halle 8, in der Bandräume und ein Veranstaltungsraum entstehen sollen, komplett gestoppt worden. Alles werde jetzt erst einmal gegengeprüft, sagt Engert. „Und es wird erst weitergebaut, wenn der Stadtrat das entscheidet.“ Zustände wie beim Bau des Berliner Flughafens oder der Hamburger Elbphilharmonie sehe er bei der Halle 9 aber nicht, sagte Engert. „Die haben sämtliche Termine gerissen. Wir haben ein funktionstüchtiges Gebäude und die Eröffnung im September. Das ist schon was ganz anderes.“

Stadtrat Konrad Ettl, der sich heute im Finanzausschuss mit dem Thema beschäftigen wird, ist sauer: Die Halle 9 sei unbedingt notwendig, „eine in Bayern einmalige Halle“. Aber die Vorgeschichte stört ihn gewaltig: „Es steht fest, dass vor Baubeginn erkennbar war, dass eine sehr hohe Summe zu wenig geplant war. Und dann hätte er den Stadtrat informieren müssen. Das ärgert mich so.“

Gestern stand die Halle 9 auch auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. Ihn plagten dabei „größte Bauchschmerzen“, bekannte Gerd Werding (FW). „Wir sollen jetzt Kosten bewilligen, die um 100 Prozent gestiegen sind, und wissen dabei, dass der nächste Bauabschnitt, die Halle 8, von demselben Architekturbüro geplant wird, das sich derartige Fehlberechnungen geleistet hat. Das begreife ich nicht!“ Wenn die Kosten bei den vielen Großprojekten auch so aus dem Ruder laufen würden, „wäre diese Stadt pleite!“

Finanzbürgermeister Albert Wittmann (CSU) griff Werdings Kritik mit deutlichen Worten auf: „Dieser Architekt wird bei uns keine weitere Halle bauen! Denn so geht es nicht. Wer bei den Kostenberechnungen derart grobe Fehler begeht, kommt für uns nicht mehr infrage.“ Das Rechtsamt der Stadt prüfe Regressforderungen gegen die Architekten, und es werde genau untersucht, „wie das passieren konnte“. Wittmann: „Wir sind noch nicht am Ende.“

Mit Konsequenzen für das Folgeprojekt, die Halle 8. Das für sie eingeplante Geld sei nun „für die Halle 9 aufgebraucht worden“, sagte Wittmann. „Eine Projektgenehmigung kann nur erfolgen, wenn eine qualifizierte Kostenberechnung da ist.“ Dabei müsse man sich aber auf die Architekten verlassen. „Wenn wir alles, was die Büros vorlegen, nochmal nachrechnen müssen, dann können wir es gleich selber machen.“ Auch Kulturreferent Engert betonte erneut: „Einen Weiterbau der Halle 8 wird es ohne Genehmigung des Stadtrats nicht geben.“

Stadträtin Veronika Peters (SPD) setzte sich mit Nachdruck für den Architekten ein. „Denn ich schätze Chris Neuburger fachlich und menschlich sehr!“ Sie findet es unfair, „jetzt alle Schuld bei ihm abzuladen“. Vielmehr sei auch bei der Kommunikation einiges schiefgelaufen“, sagte Peters. „Man hätte von Anfang an mehr miteinander reden sollen.“