Hilpoltstein
"Wir sind nicht aus Spaß an der Freude hier"

Landwirte machen mobil: Zur Großdemo in Nürnberg treffen sich bereits Hunderte am Morgen in Roth

17.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:05 Uhr
Traktoren, so weit das Auge reicht, bestimmen am Morgen das Bild in der Kreisstadt Roth. −Foto: Messingschlager

Hilpoltstein - Man kann nur schwer schätzen, wie viele Traktoren an diesem Freitag zusammengekommen sind. 500? 600? Oder gar 1000? Fakt ist, dass der Platz an der Steinerne Eiche in Roth über und über voll mit Traktoren ist und auch auf der Staatsstraße von Hilpoltstein kommende stehen sie, soweit das Auge reicht.

Roth ist natürlich nicht das Ziel der Landwirte, sondern die große Kundegebung am Nachmittag in Nürnberg. Nicht wenige haben schon in der Kreisstadt eine längere Fahrt hinter sich, das lassen zumindest die Kennzeichen vermuten: Nördlingen, Donauwörth, Neuburg und Ingolstadt. Natürlich sind auch viele Neumarkter, Weißenburger und Rother dabei.

Organisiert hat die Schlepperaktion die Initiative "Land schafft Verbindung". Kritisieren wird unter anderem die geplante Verschärfung der Düngeverordnung und Auswirkungen des Insektenschutzes. Eine pauschale Unterversorgung von Pflanzen führe zu Humusabbau und letztlich höherer Freisetzung von CO2, so die Protestbewegung. Die Landwirtschaft dürfe nicht mehr länger billiger Rohstofflieferant der Lebensmittelindustrie sein. Die Ausrichtung der Produktion auf Weltmarktpreise habe in Europa keine Zukunft.

Dass es so viele und vor allem viele junge sind, die mitmachen, zeigt deutlich, dass es den Landwirten reicht, ständig als die zu gelten, "die an allem schuld sind", wie Lukas Magauer aus Eichelburg sagt. Man höre immer nur, was die Landwirtschaft falsch mache. "Wir wollen etwas verändern", macht Josef Seitz - auch aus Eichelburg - deutlich. Dazu müsse man auf sich aufmerksam machen.

"Wir sind nicht aus Spaß an der Freude hier", sagt Katja Schneider aus Schönbrunn. Daheim würde genug Arbeit warten. Zu viele Leute, die mitredeten, täten, als wüssten sie alles, aber sie wüssten nur wenig, klagt Katja Schneider. "Man hat das Gefühl, dass Landwirte gar nichts gut machen können." Für die junge Frau geht es auch um ganz elementare Fragen. "Ich möchte gern den Hof meiner Eltern übernehmen." Da müsse man schon überlegen, ob man den Beruf noch weitermachen könne. "Ich will eine Zukunft haben."

Einer der Koordinatoren in Roth ist Manfred Dorner aus Eysölden, der auch stellvertretender Kreisobmann ist. Er ist zunächst an der Lände in Roth. "Die Polizei hat uns angewiesen, eine zweiten Treffpunkt hier zu machen", sagt er. Über etliche WhatsApp-Gruppen ist er ständig mit den verschiedenen Konvois verbunden. "Jetzt fahren die Abenberger los", verkündet er. Auch in Jahrsdorf rührt sich etwas. Die Eichstätter sind schon in der Dunkelheit aufgebrochen, wie man in einem kleinen Video sehen kann. Vor Ort ist auch ein Fernsehteam, das fleißig Landwirte interviewt. Kurz vor zehn macht sich auch die Lände-Truppe zur Steinernen Eiche auf.

Auf rund einem Drittel der Traktoren sind Schilder angebracht, auf denen deutlich der Unmut der Landwirt abzulesen ist: "Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert", heißt es . Oder: "Auflagenflut killt Bauernmut" und "Ohne Landwirtschaft wärst du hungrig, naggerd und nüchtern". Zu "Ist der Bauer tot, gibt es kein Brot"baumelt plakativ eine Puppe an einem am Traktor angebrachten Galgen. Einer denkt auch an die - unter Umständen genervten - Autofahrer, die hinter dem gigantischen Konvoi herzuckeln müssen: "Sorry, aber sonst werden wir nicht gehört."

Was immer wieder durchklingt, ist die Verärgerung, dass aus Landwirtssicht zu viele mitmischten, die nicht vom Fach sind. "Ich habe es satt, dass mir ständig Verbände, Organisationen etc. vorschreiben, wie ich was machen soll", sagt Bernhard Wiest, ein Jungbauer aus Beilngries. Die ganzen NGOs seien doch omnipräsent. "Das stinkt mir. Ich weiß, was die Pflanzen brauchen."

HK


 

Rainer Messingschlager