"Wir sind immer attraktiv für Stechmücken"

Expertin Doreen Walther hat den Überblick über heimische Stechmückenarten und Einwanderer

04.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:07 Uhr
Die Biologin Doreen Walther vom Leibnitz-Zentrum zeigt eine Sammlung von Mücken. −Foto: Pleul/dpa-Archiv

Sie sind lästig, aber in der Regel harmlos. Expertin Doreen Walther hat den Überblick über heimische Stechmückenarten und Einwanderer. Ein Gespräch über Anziehungskräfte, Abwehrtipps und zwei asiatische Neuzugänge.

Frau Walther, die Stechmücken sind unterwegs. Viele Menschen haben bereits erste Stiche. Kann man schon sagen, ob es ein gutes Jahr für Stechmücken wird?

Doreen Walther: Wir haben in Deutschland 52 Stechmückenarten, die unterschiedlich über den Winter kommen. Die einen überwintern als Ei, manche als Larve und andere als flugfähige Mücke. Sobald die Temperaturen ansteigen, kommen die Mücken aus ihren Winterquartieren. Normalerweise sind sie schon begattet und haben eine Blutmahlzeit aufgenommen. Die eine oder andere Mücke muss aber noch einmal nachtanken. Das sind die, die wir im zeitigen Frühjahr registrieren. Dazu kommt, dass sich die erste Generation der Frühjahrsarten schon entwickelt hat - gerade in Süddeutschland, wo wir schon länger sommerähnliche Temperaturen haben. Und diese Weibchen brauchen eine Blutmahlzeit, denn sie benötigen das Protein für die Reifung ihrer Eier. Ob es in diesem Jahr eine Mückenplage geben wird, kann ich nicht sagen. Wir können immer nur so weit vorhersagen, wie Meteorologen das auch können.



Welches Wetter brauchen Stechmücken?

Walther: Sie benötigen feuchtes, warmes Wetter: Niederschläge und Feuchtigkeit, um ein potenzielles Bruthabitat finden zu können, und Wärme, damit die Entwicklung relativ schnell voranschreitet. Wir hängen in diesem Jahr noch etwas hinterher, denn wir hatten einen sehr kalten März. Der April war zwar warm, aber niederschlagsarm. Das heißt, im Moment steht es für die Stechmücken nicht besonders gut. Aber wenn sich die Witterung ändert, wir Regengüsse und hohe Temperaturen bekommen, kann sich die Stechmückenpopulation noch gut entwickeln, und wir haben im Sommer Freude an den kleinen Biestern.



Nur das Weibchen sticht. Wie viel Blut wird bei einem Stich aufgesaugt?

Walter: Das sind nur wenige Mikroliter. Wenn sie einmal Blut gesogen hat, kann sie davon etwa 300 Eier produzieren. Sie kann auch mehrfach in ihrem Leben Eier legen - vier- bis sechsmal. Männchen und Weibchen aber ernähren sich von Pflanzensäften.



Wie finden die Tiere ihre Opfer?

Walther: Stechmücken fliegen in erster Linie auf das von uns produzierte Kohlendioxid, also unsere Ausatemluft. Die können wir nicht abstellen und deswegen sind wir immer attraktiv für Stechmücken. Außerdem fliegen sie auf unseren Schweißgeruch. Das sind ganz kleine, feine Nuancen - Ketone, Phenole und Alkohole -, die sich im Schweiß befinden und in Kombination mit der Atemluft dafür sorgen, ob wir von Stechmücken beachtet werden oder nicht. Aus Stechmückensicht sind wir alle unterschiedlich und unterschiedlich attraktiv.



Wie kann man dem vorbeugen?

Walter: Auf den Schweißgeruch können wir Einfluss nehmen. Jeder kennt sogenannte Repellentien. Das sind Insektenabwehrmittel, die bewirken, dass der Schweißgeruch mit einem anderen Geruch übertüncht wird. Man kann auch versuchen, alternativ vorzubeugen. Das gelingt allerdings von Mensch zu Menschen unterschiedlich. Der eine sagt, ihm reicht Zitronenöl, dem anderen hilft das Essen von Knoblauch und der nächste muss wirklich zur chemischen Keule greifen.



Was lässt sich sonst machen?

Walther: Wir rufen immer dazu auf, die Bruthabitate im eigenen Umfeld zu vermindern. Im Garten sind das Regentonnen, die man mit Gaze abdecken sollte, um die Weibchen an der Eiablage zu hindern. Zudem sind viele Behälter wie Blumenuntersetzer, Vasen oder Gießkannen zum Teil mit Wasser gefüllt. Das nehmen Stechmücken gerne als Brutbereich an. Die Tiere fliegen nicht zwangsweise kilometerweit. Sie bleiben gerne direkt vor der Haustür, wenn der Tisch gedeckt ist. Die meisten Menschen züchten ihre eigenen Populationen im Garten. Das sehen wir bei unserem Projekt Mückenatlas, für das uns die Leute aus ihrem persönlichen Umfeld Stechmücken einschicken.



Stichwort Mückenatlas: Gab es dieses Jahr bislang viele Einsendungen?

Walther: Wir haben bisher etwa 400 Einsendungen. Die beschränken sich im Moment auf die Arten, die überwintert haben oder die als Frühjahrsarten in Erscheinung treten. Uns interessieren nicht nur die invasiven Arten, also die Einwanderer, von denen wir natürlich Kenntnis haben wollen, sondern auch die einheimischen Arten. Bei invasiven und auch bei seltenen einheimischen Arten gehen wir den Funden nach und nehmen die Hinweise sehr ernst. Wir benutzen diese Daten für Risikoanalysen und auch für Bekämpfungsstrategien. Das sind unglaublich wertvolle und hilfreiche Daten, weil wir nicht zeitgleich überall aktiv sein können.



Welche neuen Arten sind in den vergangenen Jahren in Deutschland entdeckt worden?

Walther: Wenn ich mich in erster Linie auf die invasiven Arten projiziere, dann ist an erster Stelle die Japanische Buschmücke, die wir aktuell in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Thüringen finden. Dann haben wir natürlich Nachweise der Asiatischen Tigermücke, die im Ranking noch über der Buschmücke steht. Hier haben wir bisher in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen Populationen. Die Buschmücke ist eine kälteliebende Art. Sie hat überhaupt keine Probleme, sich unter den hiesigen Umständen zu etablieren, wohingegen die Asiatische Tigermücke eine wärmeliebende Art ist und Schwierigkeiten hat, über die Frostmonate zu kommen. Wenn sie aber die Voraussetzungen findet, etwa in der Kanalisation, kann sie auch in Deutschland überwintern.



Wo in Bayern ist die Asiatische Tigermücke etabliert?

Walther: 2016 haben wir den ersten Hinweis von Tigermücken aus Erding erhalten. Seither gehen wir diesem Nachweis kontinuierlich nach. Die Population ist noch so minimal, dass wir von einer umfassenden Bekämpfung noch nicht ausgehen müssen.



Wie kommen diese Arten zu uns?

Walther: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber ganz oben steht der weltweite Handel mit Gebrauchtreifen. In Asien liegen die Reifen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Tigermücke auf Halde. Wenn es regnet, erkennt die Mücke dies als geniales Entwicklungshabitat für ihre Brut. Sie legt ihre Eier oberhalb der Wasseroberfläche an die Reifenwände ab. Erst wenn beim nächsten Regen der Wasserstand wieder ansteigt, werden die Eier benetzt und die Larven schlüpfen. Jetzt kann man sich vorstellen, dass genau in diesen Zeitraum der Abtransport der Reifen fällt. Wenn dann die Reifen in Europa sind, kann es sein, dass die Larven am Zielort schlüpfen. Zudem gibt es noch eine andere Möglichkeit, nämlich den Handel mit Glücksbambus. Dort reisen die Larven im Wasser mit. Innerhalb Europas ist es vor allem so, dass die Tigermücke als blinder Passagier im Auto sehr oft aus Italien mit nach Deutschland eingeschleppt wird. Als kleines penetrantes Biest fliegt sie dem Menschen hinterher und steigt am Zielort wieder aus. Findet die Mücke ideale Möglichkeiten, kann es zur Eiablage kommen.



Welche Krankheiten kommen dadurch zu uns?

Walther: Die Mücke per se ist erst einmal ungefährlich, aber natürlich lästig. Die Tigermücke ist im Gefährlichkeits-Ranking auf Platz zwei - hinter der Gelbfiebermücke. Wir werden uns an Krankheiten wie Dengue-Fieber gewöhnen müssen, weil in Europa die Einschläge immer näher kommen. Zum einen wegen der etablierten Population invasiver Arten und zum anderen wegen infizierter Reiserückkehrer. Da liegt der Knackpunkt: Haben sich die Mücken etabliert, ist die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens dieser Mücken mit einem infizierten Menschen eben nicht mehr bei Null. Sie ist gering - und ich bin kein Freund von Panikmache -, aber sie ist nicht mehr zu negieren.



Auf welche Arten müssen wir uns die nächsten Jahre einstellen?

Walther: Ich denke, was wir bekommen können, haben wir schon. Die Gelbfiebermücke wird bei uns keine Überlebenschance haben, weil sie eine ausgesprochen wärmeliebende Art ist. Wir hatten 2016 den Nachweis dieser Art, die durch Pflanzensetzlinge eingebracht wurde. Aber sie kann sich aufgrund der hiesigen Temperaturen nicht etablieren.
 

Sandra Mönius