Nürnberg
"Wir sind Europa"

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König sieht sich als Mann ohne Allüren und hofft auf den Zuschlag als Kulturhauptstadt

16.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:49 Uhr
In knapp zwei Wochen entscheidet es sich, ob Nürnberg Europas Kulturhauptstadt 2025 wird, nicht nur der Oberbürgermeister Marcus König verspricht sich von dem Titel einiges. −Foto: Schedlbauer, Stadt Nürnberg

Nürnberg - Marcus König ist seit Mai neuer Oberbürgermeister in Nürnberg.

 

Wir haben mit dem CSU-Politiker, der dieser Tage seinen 40. Geburtstag feierte, über den turbulenten Start und die schwierigen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie - wegen der er aktuell bereits zum zweiten Mal in Quarantäne musste - gesprochen. Dabei hat König auch erzählt, warum er sich trotz der gewaltigen Aufgaben im Sommerurlaub mal richtig mit der Familie erholen konnte und welchen Wunsch er für das erste Amtsjahr noch hat.

Frisch aus den Ferien: Haben Sie abschalten können im ersten Urlaub als Oberbürgermeister?

Marcus König: Ich habe wirklich abschalten können. Es war mein erster Urlaub seit langem. Wir waren mit der Familie zwölf Tage an der Mecklenburgischen Seenplatte und ich konnte mich richtig erholen und auf die Familie konzentrieren. Ausnahmsweise musste ich mal nicht ständig an die Arbeit denken. Es war ein richtig schöner Urlaub.

Schauen Sie jetzt mit wachsender Sorge auf die steigenden Corona-Zahlen?

König: Wir werden auch in Nürnberg wieder mehr Infektionen erleben. Ich hoffe, dass wir glimpflich davonkommen. Aber man muss sagen: Die Zahlen steigen. Ich hoffe nicht, dass wir wieder striktere Maßnahmen verhängen müssen.

Haben Sie vor dem Hintergrund der wachsenden Corona-Zahlen Ihre Entscheidung bereut, in den Sommerferien auf dem Hauptmarkt ein Mini-Volksfest mit Riesenrad und Achterbahn zuzulassen?

König: Vorher haben sich die Leute unkontrolliert in der Stadt getroffen. Mit dem kleinen Volksfest in der Altstadt haben wir ein Angebot geschaffen, wo sich die Menschen treffen können. Wir haben auch der Gastronomie unbürokratisch mit der Genehmigung von Außenbestuhlungen geholfen und sogar Pop-up-Biergärten im Burggraben kurzfristig erlaubt. Wir wollten den Menschen zahlreiche Attraktionen an vielen Punkten in der Stadt bieten, damit sich die Massen nicht an bestimmten Orten konzentrieren. Ich behaupte, dass eine Runde mit dem Riesenrad oder eine Fahrt mit der Achterbahn sicherer gewesen ist, als ein Sommerurlaub in Risikogebieten. Wir haben mit den Schaustellern ein Angebot unter Einhaltung strenger Hygieneregeln gemacht, das die Innenstadt im Hochsommer wirklich belebt hat. Deshalb stehe ich dazu. Auch wenn sich manche Ästheten an der Achterbahn auf dem Hauptmarkt gestoßen haben mögen.

Zurück zur aktuellen Corona-Situation. Würden Sie sich eher als Corona-Optimist oder Pandemie-Pessimist bezeichnen?

König: Corona wird uns noch länger beschäftigen. Wir müssen den Menschen soziale Kontakte mit der bestmöglichen Sicherheit ermöglichen. Wir müssen mit Augenmaß vorgehen und dürfen nicht hysterisch werden. Die Kunst wird es sein, einen Mittelweg zu finden, den die Menschen auch akzeptieren. Diese Mitte in der Krise haben wir in Nürnberg bislang ganz gut gefunden.

Sie haben mitten in der Krise die Amtsgeschäfte übernommen. Wie haben Sie den Sprung in das durch die Pandemie ungewohnt aufgewühlte Wasser in den ersten Tagen wahrgenommen?

König: Ich habe schnell gemerkt: Alleine geht gar nichts. Die Mannschaft ist alles. Wir haben eine gute Stadtverwaltung. Vieles geschieht schon Hand in Hand. Natürlich passieren auch Fehler. Manche Prozesse dauern mir noch zu lange. Aber die Führungsmannschaft hat mir besonders am Anfang geholfen, schnell reinzukommen. Wenn sich diese gute Teamleistung fortsetzt, können sich die Nürnberger freuen, dass unsere Stadt ein Stück besser wird.

Im Rathaus haben Sie schnell mit den wirtschaftlichen Corona-Folgen zu tun gehabt. Ist die doppelte Karstadt-Rettung dabei vielleicht Ihre größte Bewährungsprobe gewesen?

König: Viele haben mich zunächst gewarnt. Nach dem Motto: Halt dich raus! Kann nur schiefgehen. Wird mit dir verbunden. Wie willst du zwei Karstadt-Häuser in Nürnberg retten? Ich wollte es Hand in Hand mit den Beschäftigten, den Gewerkschaften und der gesamten Stadt probieren. Wir wollten gemeinsam zeigen, dass wir die bedrohten Karstadt-Filialen in der Innenstadt und im Stadtteil Langwasser retten können. Und wir haben es geschafft.

Sie haben sogar persönlich zum Hörer gegriffen und mit Amerika telefoniert. . .

König: So ist es. Ich habe den Besitzer der Innenstadt-Immobilie in New York angerufen (lacht). Wenn man nicht kämpft, hat man schon verloren. Ich bin ein Kämpfertyp. Ich bin authentisch und das möchte ich auch bleiben.

 

Gehört zu dieser Authentizität auch, eigene Fehler zuzugeben? Vor der geglückten Karstadt-Rettung haben Sie zunächst den Eindruck erweckt, als wäre das Ende des Warenhauses kein Beinbruch für die Attraktivität der City?

König: Am ersten Tag hat es geheißen, Nürnberg habe keine Chance zum Erhalt der beiden Karstadt-Standorte. Deshalb habe ich zunächst gesagt: Okay. Dann müssen wir uns halt um einen Nachfolger bemühen. Ich habe danach meine Meinung revidiert und gemeinsam mit den Beschäftigten für den Erhalt der Karstadt-Filialen gekämpft. Das gehört für mich zu einem guten Politiker dazu, dass man auch eigene Fehler erkennt und korrigiert.

Sie haben sich insgesamt schnell den Ruf eines "uneitlen Machers" erarbeitet. Gefällt Ihnen diese Charakterisierung?

König: Ich bin der Marcus König ohne große Allüren. Ich will mich nicht verbiegen. Ich will authentisch bleiben. Und wenn ich mal einen Fehler mache, dann werde ich den auch eingestehen. Das erwarten die Leute auch. Gerade in der heutigen Zeit, in der Politiker häufig in der Kritik stehen. Jeder Tag ist eine Prüfung, der ich mich mit meinem Team stellen will.

Mitten in der Krise haben Sie eine Expertenrunde ins Leben gerufen, um den Wiederaufschwung nach der Corona-Flaute zu beschleunigen. Wie wollen Sie Nürnberg wirtschaftlich damit wieder konkret auf die Beine stellen?

König: Wir müssen uns den neuen Technologien verstärkt öffnen. Die Staatsregierung will Nürnberg dankenswerterweise zum Wasserstoff-Zentrum machen. Gemeinsam mit der NürnbergMesse werden wir eine große Wasserstoff-Messe veranstalten. Das ist ein gutes Zusammenspiel zwischen Markus Söder in München und mir hier in Nürnberg. Bestes Beispiel für die gute Zusammenarbeit sind die Pläne für die neue Technische Universität Nürnberg auf dem ehemaligen Güterbahnhallen-Areal mit über 200 Professoren und 6000 Studenten. Wir wollen dort Führungskräfte mit Sozialkompetenz für die Zukunft unserer Wirtschaft ausbilden. Diese neue Universität wird das Jahrhundertprojekt für Nürnberg und ein echter Impulsgeber für die gesamte Metropolregion.

Zum ersten Schultag haben Sie ein Kinderfoto mit Schultüte im Netz gepostet. Wie ist Ihre Schulzeit verlaufen?

König: Mir ist nichts in den Schoß gefallen. Aber ich habe mich immer auf die Schule gefreut. Obwohl ich mich lange hinsetzen musste, um den Stoff zu lernen. Hier habe ich schon mein Kämpferherz entwickelt. Ich war ja nicht auf dem Gymnasium. Ich bin meinen Weg über die Haupt- und Wirtschaftsschule mit anschließender Ausbildung gegangen. Dranbleiben und durchbeißen ist mein Motto gewesen. Das ist auch die Grundlage für meine politische Karriere heute. Ich habe gelernt, nicht gleich aufzugeben, sondern auch Rückschläge wegzustecken.

Inwieweit schmerzt es Sie, auf Ihre Schullaufbahn angesprochen zu werden? Kürzlich sind Sie in der Lokalzeitung in einem durchaus wohlwollenden Porträt als "der Hauptschüler" bezeichnet worden. . .

König: Ich bin stolz darauf. Man muss in unserem Land nicht unbedingt Abitur machen und studiert haben. Es geht darum, die eigenen Talente für die Gesellschaft richtig einzusetzen. Man muss seine Stärken selber erkennen und daraus das Beste machen. Ich konnte mit meinen Talenten etwas anfangen. Man hat mich auch gefördert. Und jetzt bin ich da, wo ich bin.

Wann haben Ihre Eltern oder vielleicht auch Sie selbst schon erkannt, dass aus Ihnen einmal etwas werden würde, wie man so schön sagt?

König: Mit 14 Jahren bin ich in die Junge Union eingetreten. Das ist damals schon ungewöhnlich gewesen. Welcher 14-Jährige interessiert sich schon für Politik? Da haben meine Schulfreunde natürlich gesagt: Du wirst mal Bundeskanzler oder Bürgermeister.

Ihr Amtsvorgänger Ulrich Maly hat in den letzten 18 Jahren immer abgewunken, wenn er nach größeren Ambitionen und noch gewichtigeren Ämtern gelegentlich befragt worden ist. Würden Sie genauso oder warum würden Sie anders handeln?

König: Oberbürgermeister ist mein Traumjob. Wir haben in den nächsten Jahren so viel vor in Nürnberg. Wenn ich dazu beitragen kann, dass es allen gut und vielleicht etwas besser geht, dann werde ich mein persönliches Ziel erreicht haben.

Das erste halbe Jahr im Amt haben Sie fast gemeistert. Was wäre Ihr größter Wunsch für die kommende Zeit?

König: Mein größter Wunsch ist, dass wir am 28. Oktober zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 gekürt werden. Das wäre für uns ein unglaublicher Impuls. Wir haben eine so tolle Stadt mit reicher Geschichte und vielen Ideen. Nürnberg ist Europa in Miniatur. 44 Prozent der Nürnberger haben einen Migrationshintergrund. So viele unterschiedliche Menschen und Kulturen leben in Nürnberg in Frieden zusammen. Wir sind Europa.
 

Nikolas Pelke