"Der Boandlkramer"
Wir sehen uns wieder, ganz bestimmt!

Joseph Vilsmaiers letztes Werk "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" ist ein 50er-Jahre-Heimatfilm mit tröstlicher Botschaft

12.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:36 Uhr
Eigentlich sollte der Kerl in der Hölle schmoren, doch dann braucht der Boandlkramer (Michael Bully Herbig, links) dringend die Hilfe des Frauenhelden Max Gumberger (Sebastian Bezzel). Und der Teufel tritt im Anzug auf (Hape Kerkeling, oben). Der heilige Nantwein (Jürgen Tonkel, Mitte) und die Erzengel (Eisi Gulp, links, Götz Otto) sind auch gefordert. −Foto: Leonine Studios

Ein ganz ein fescher Mann isser.

 

So eine vornehme Blässe hat er im G'sicht, und schlank isser, also sehr schlank, er selber würde sagen, fast schon sportlich. A Grischperl, würden die Leut' sagen, eigentlich direkt ein Boandlkramer. "Seit Tausenden von Jahren kann man sich auf mich verlassen - todsicher", so stellt sich die Hauptfigur vor in "Der Boandlkramer und die ewige Liebe", dem 2019 gedrehten letzten Film von Joseph Vilsmaier vor seinem Tod am 11. Februar 2020. Wegen der geschlossenen Kinos ist er ab 14. Mai auf Amazon Prime Video zu sehen.

Schlagartig ist die Zuverlässigkeit beim Teufel, als der Boandlkramer den kleinen Buben Maxl (Seppi Staber) ins Jenseits holen soll - und sich bei der Gelegenheit unsterblich verliebt in dessen bildschöne und gar herzenswarme Mama Gefi (Hannah Herzsprung). Vor lauter "Stubenfliegen im Bauch" vernachlässigt der Tod seine tödlichen Pflichten, die Gesetze der Schöpfung sind ausgehebelt. Und ausgerechnet der Heiratsschwindler Gumberger in Gestalt des Eberhofer-Darstellers Sebastian Bezzel soll dem Boandlkramer helfen, die Gefi zu erobern und das Chaos auf Erden zu verhindern.

Es ist schon eine vogelwilde G'schicht, die sich Michael Bully Herbig, Marcus H. Rosenmüller und Ulrich Limmer da ausgedacht haben. Ursprünglich war "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" als "Fortsetzung" des bayerischen Mythos und des Vilsmaier-Films "Die Geschichte vom Brandner Kaspar" von 2008 angekündigt. Letztlich ist es eine eigenständige Angelegenheit geworden, die sich mit Bully Herbig als Boandlkramer und mit einigen Anspielungen ("Nix mit Karten! ", "Bloß koan Kerschgeist! ") nur lose in die Tradition von Franz von Kobells Ursprungsgeschichte stellt.

 

Und um's vorweg zu sagen: Dafür, dass die Ausgangssituation nüchtern betrachtet ein rechter Schmarrn und das letzte Drittel mitunter haarsträubend ist, ist der Film vor allem für Vilsmaier-Herbig-und-Boandlkramer-Fans eine ziemlich zauberhafte Mischung aus sehr viel Humor, Ernst, Trauer - und immer wieder anrührender Menschlichkeit.

Todernst geht's ums Sterben eines Kindes - nach allen Regeln von Hollywood untermalt mit gespenstisch-dramatischer Chor-Orchestermusik des Augsburgers Ralf Wengenmayr, der schon für Herbigs "Schuh des Manitu", "Wickie" "(T)Raumschiff Surprise" und "Ballon" komponiert hat. Heimelig sanft hat Vilsmaier Stuben, Gärten, Wiesen inszeniert, majestätisch die Pferde und die Dolomiten - der "Boandlkramer und die ewige Liebe" ist ein 50er-Jahre-Heimatfilm.

Krachert ist der Humor, wenn der Tod - zum Zwecke der Brautwerbung erstmals sichtbar und leiblich - im Gartenzaun hängen bleibt oder seinem Pferd Aloisius das Herz ausschüttet. Dem zweiten Pferd Hagen erzählt er nix, das wär vergebens, weil "des is a Preiß".

 

Ebenso gibt es zwischen der ganzen Gaudi sehr viel liebenswert Subtiles und menschliche Nöte: Hannah Herzsprung gibt der Gefi, die vergeblich wartet, ob ihr Mann aus dem Krieg kommt, romantisch-poetische und zugleich bittere Züge. Bully Herbig, so spukig-bleich er auch aussieht, so herrlich er auch nuschelt, so verreckte Sprüche er auch raushaut, verneigt sich in seiner Körpersprache, in seinem Gang, vor Komikerlegenden wie Charlie Chaplin, Laurel und Hardy. Als er im Wirtshaus mit einer Tanznummer auftritt, um endlich das geliebte Herz zu erobern, und erst keiner und dann alle aus dem falschen Grund lachen, sieht der Zuschauer den Tod als die einsamste aller gottverlassenen Seelen - und kann einem leidtun. Und man hätte nicht drauf gewettet, dass es Bully Herbig ist, dem dies einst gelingen würde.

Am besten, und das ist gar nicht so selten, ist der Film, wenn Tragödie und befreiende Komik Hand in Hand gehen. Der kleine Maxl fragt den Boandlkramer: "Glaubst du an Gott? " Und jener antwortet: "Was heißt glauben - er ist mein Vorgesetzter. " Maxl hakt nach: "Warum lässt er es zu, dass der Papa nicht vom Krieg heimkommt? " Und mit all der Hilflosigkeit der Erwachsenen sagt der Tod: "Er hat sich sicher was gedacht. "

Großen Spaß macht es, alle paar Minuten ein prominentes und mit Humor besetztes Fernsehgesicht zu entdecken: Neben Herbig, Herzsprung und Bezzel etwa einen Sigi Zimmerschied als Bürgermeister, Rick Kavanian als Himmelspförtner, der seine Kunden stets im Dialekt ihrer Herkunftsregion willkommen heißt, Eisi Gulp, Jürgen Tonkel und Götz Otto als Erzengel, Nadja Auermann, das Supermodel, als Empfangsdame des Teufels. Und Hape Kerkeling in seinem ersten großen Filmauftritt seit "Horst Schlämmer - Isch kandidiere" von 2009 als Satan persönlich. Ein glamouröser Teufel im weißen Frack ist er, ein Fürst der Propaganda, der dem Boandlkramer in einer Shownummer samt Fernsehballett ermuntert: "Du bist der Tod, nimm dein Leben in die Haaand! " und der sich über die unfairen Methoden seines Gegenspielers echauffiert: "Immer wenn Gott nicht mehr weiter weiß - was macht er? Ein Wunder! Das ist Wettbewerbsverzerrung! " Übrigens:

Der Brandner Kaspar ist deshalb zum bayerischen Mythos geworden, weil große Wahrheiten übers Leben und Sterben darin stecken. Da will einer partout nicht gehen, überlistet sogar den Tod selbst - und übergibt sich ihm dann doch, freiwillig. Darin steckt bei aller volkstümlichen Gaudi viel Ernst und Trost. In der Schlussszene vom "Boandlkramer" sagt Gefi, in einer Ahnung, dass dieser bleiche Kerl etwas ganz Besonderes ist: "Vielleicht seh' ma uns ja noch mal wieder? " Und der Tod antwortet so ehrlich wie zärtlich: "Ja, ganz bestimmt! "

Damit erfüllt sich, was Joseph Vilsmaier über seinen Boandlkramer gesagt hat: "Vor dem muss man keine Angst haben. " Er ist ein netter Kerl, er macht auch nur seinen Job, und am Ende muss es halt sein.

DK


D 2019, Regie: Joseph Vilsmaier, 87 Minuten, frei ab sechs Jahren.

Raimund Meisenberger