Eichstätt
"Wir müssen jetzt reagieren"

Anpassung an den Klimawandel und Zukunftsstrategien Themen beim Diözesanen Studientag

27.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:23 Uhr
Zum Studientag "Anpassung an den Klimawandel" hatten Lisa Amon, Nachhaltigkeitsreferentin für das Bistum Eichstätt, und Martin Wagner, Landesgeschäftsführer der Katholischen Landvolk Bewegung (links), den Experten Harry Lehmann vom Umweltbundesamt Dessau sowie Bischof Gregor Maria Hanke (rechts) eingeladen. −Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Dass die weitreichenden Klimaveränderungen einer effizienten Anpassung auf vielen Ebenen bedürfen, bildete den Hintergrund für den diesjährigen Studientag, zu dem das Referat Schöpfung und Klimaschutz der Diözese Eichstätt und das Landesbildungswerk der Katholischen Landvolk Bewegung (KLB) am vergangenen Samstag geladen hatte.

Im Fokus standen dabei nachhaltige Anpassungsstrategien an die klimatischen Veränderungen, die zu erwarten sind. Die Teilnehmer - Vertreter aus Kirche, Politik und Umweltverbänden sowie zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger - erlebten einen informativen Studientag mit hochkarätigen Vorträgen und Workshops.

Hauptredner Harry Lehmann vom Umweltbundesamt gestand gleich zu Beginn seines Vortrags schmunzelnd: "Ich gebe zu, dass ich schon mehrmals gerne alles hingeschmissen hätte." Denn angesichts der "sehr großen Problemlage, die wir haben", und den unzureichenden Antworten und Taten darauf, stelle sich schnell Frustration ein. Trotzdem präsentierte der promovierte Physiker und Leiter des Fachbereichs für Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien des Amtes in Dessau zugleich die positive Botschaft des Tages: "Wir haben in allen Sektoren die notwendige Technologie, um Deutschland mit Blick auf Klimaschutz, Klimaanpassung und Ressourcenwende zukunftsfähig zu machen - wir müssen es nur tun!"

Dann führte Lehmann seine Zuhörer in die aktuelle Problematik ein, so mit einer eindrucksvollen animierten Darstellung der Jahresdurchschnittstemperaturen seit 1850, bei der die rasante Zunahme der Temperaturen in Richtung auf die 1,5-Grad-Linie bis zum Jahr 2017 zu verfolgen war: "Wenn es bei 1,5 Grad Zunahme bleibt, kann die Welt mit einem Blechschaden davonkommen", so Lehmann, "oberhalb von 1,5 Grad aber wird es gefährlich." Im Klimaabkommen von Paris, so erinnerte er, hatten alle beteiligten Staaten 2015 beschlossen, dass die Temperatur höchstens um zwei, möglichst aber nur um 1,5 Grad im Vergleich zur Temperatur zu Beginn der Industrialisierung zunehmen soll. In Deutschland sollen bis 2050 95 Prozent weniger Treibhausgase produziert werden; das Zwischenziel, den Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, werde man in Deutschland laut Lehmann verfehlen: "Die Treibhausgaslücke, die wir haben, kommt aber nicht von mangelnden technischen Möglichkeiten, sondern von mangelnder Umsetzung durch die Politik", kritisierte er offen. Grund dafür, daraus machte Lehmann kein Hehl, seien die Interessen und Verfilzungen der großen "Mächte" mit der Politik - der Großindustrien und Gewerkschaften zum Beispiel, die jede Transformationsanstrengung eher bremsten statt unterstützten. Welche globalen und lokalen Gefahren kommen durch Treibhauseffekt und Klimawandel auf uns zu? Auch hier beschönigte Lehmann nichts: "Jenseits von 1,5 Grad müssen wir weltweit mit unberechenbaren Extremwetterlagen rechnen." Starkwinde, Überschwemmungen, Dürren zögen global gesehen wiederum Ernteausfälle und somit Migrationswellen nach sich. Aber auch für Deutschland müssten nach einer Studie von 2016 wachsende Trockenheit, Überschwemmungsgefahren und massive Auswirkungen auf die Landwirtschaft erwartet werden: "Wir müssen also jetzt mit effizienten Strategien und Vorsorgeprinzipien reagieren", forderte Lehmann. Die Umstellung auf erneuerbare Energien, die Realisierung neuer Städtebau-, Wohn- und Verkehrskonzepte seien dazu ebenso erforderlich wie eine veränderte Landwirtschaft, eine innovative Baubranche und ein Umdenken im Tourismus. Untrennbar verbunden mit der notwendigen "großen Transformation" sei jedoch auch die Frage des Lebensstils jedes Einzelnen: "Unsere Wohlstandsmaschine zurückliegender Jahrzehnte ist nicht mehr zukunftsfähig", so Lehmann. Jeder müsse bei sich anfangen, seine Verhaltensweisen zu prüfen. Dazu gehöre auch der Diskurs über Lebensstile - ohne diese Verhaltensänderungen moralinsauer als Verzicht, sondern vielmehr als Chance und Gewinn zu sehen.

Am Nachmittag beschäftigten sich die Teilnehmer in vier Workshops mit den Themenbereichen Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Gesundheit und Migration. Nach einem jeweiligen Impulsvortrag der geladenen Experten diskutierten die Besucher über mögliche Gefahren und notwendige Anpassungsstrategien. Den Abschluss des Studientages bildete eine Vesper mit dem stellvertretenden Generalvikar der Diözese Eichstätt, Pater Michael Huber MSC, in der Kreuzkapelle des Priesterseminars.
 

Einsatz für die Schöpfung erforderlich

Im Rahmen des Studientags hat auch Bischof Gregor Maria Hanke aus kirchlich-theologischer Perspektive Schöpfungsverantwortung gefordert.Er plädierte dafür, die jungen Menschen, die ihre Zukunft in der "Friday-for-Future"-Bewegung bei Politik und Verantwortlichen anmahnten, ernst zu nehmen, bleibe die gegenwärtige Große Koalition ihre Hausaufgabe gegenüber dem Klimaabkommen von Paris doch weitgehend schuldig. Vor allem habe die Politik es unterlassen, den Menschen reinen Wein darüber einzuschenken, dass wir uns schon lange an einem Punkt befinden, an dem umweltfreundlichere Technologien allein nicht mehr helfen, sondern Verhaltensänderungen der Menschen erforderlich seien."Der Einsatz für die Schöpfung kann als genuin christlicher Lebensstil praktiziert werden, der im Glauben an den Schöpfergott wurzelt, der seine Schöpfung nicht für wenige, sondern für alle Menschen geschaffen hat", so Bischof Hanke. Es sei schließlich das Kernanliegen der christlichen Botschaft, den Menschen zur Umkehr zu versöhntem Leben mit Gott, den Menschen und der Schöpfung zu bewegen. Dabei solle diese Umkehr nicht "in ein Leben mit verbissenen Zähnen und ständigem Moralisieren" einmünden, sondern "in größere Dankbarkeit, Achtsamkeit und Freude an den kleinen Dingen des Lebens". ddk

Dagmar Kusche