München (dpa
"Wir müssen eigene Akzente setzen"

53,8 Prozent: Generalsekretärin Kohnen soll SPD-Chefin werden Pfaffenhofener Käser chancenlos

12.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

München (DK) Die Entscheidung ist gefallen: Mit großer Mehrheit haben die Mitglieder der bayerischen SPD ihre bisherige Generalsekretärin Natascha Kohnen zur Top-Kandidatin bei der Wahl des Landeschefs gewählt. Sie erhielt 53,8 Prozent der Stimmen.

Es gibt wahrlich einfachere Ämter in der SPD als das des bayerischen Landeschefs. Die Machtaussichten sind seit jeher mau - außerhalb der großen Städte ist bei Wahlen im Freistaat für die Sozialdemokraten nur wenig zu holen. Im Landtag ist die Opposition ungeliebter Dauerzustand. Und doch ist das Amt begehrt wie nie - gleich sechs Kandidaten melden ihr Interesse als Nachfolger von Florian Pronold an. Nun haben die Genossen entschieden: Als dritte Frau in der Bayern-SPD soll Natascha Kohnen das Ruder übernehmen. Sie soll auf dem kommenden SPD-Parteitag in Schweinfurt offiziell gewählt werden.

49,5 Prozent der SPD-Mitglieder in Bayern haben sich an der Befragung beteiligt. Der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, der Kohnen wiederholt scharf kritisiert hatte, kam auf 19,8 Prozent. Die vier weiteren Kandidaten - darunter der Pfaffenhofener Markus Käser von der SPD-Initiative "Zeit für die Mutigen" (6,5 Prozent) - waren chancenlos. "Ich habe mir vorher nichts ausgerechnet", sagte der 41-Jährige am Freitag. "Jetzt ist es auch nichts geworden - und ich bin daher nicht enttäuscht."

Die 53,8 Prozent der Sozialdemokraten, die für die 49-jährige Generalsekretärin stimmten, haben nicht nur über den Kopf an der Spitze entschieden. Mit ihrem Kreuzchen justierten sie auch den Kompass der Bayern-SPD neu. Doch wohin zeigt die Nadel künftig? Rückt die SPD nach links oder verfolgt sie weiter ihren pragmatischen Kurs? Letzteres ist zu vermuten, aber so richtig beantworten kann diese Frage am Freitag keiner. Auch nicht eine sichtlich berührte Kohnen: "Ich möchte eine Stiländerung, wir sollen uns künftig nicht mehr nur an der CSU abarbeiten, sondern müssen eigene Akzente setzen", sagt sie. Sie wolle die Menschen in Bayern künftig emotionaler ansprechen, damit diese ein Gefühl für die SPD als politischer Alternative bekommen.

Die SPD brauche ein klareres soziales Profil, bislang habe sie dieses durch einen zu großen Strauß an Themen selbst verwässert, sagt Kohnen. Wie beim Parteitag im vergangenen September beschlossen, solle die SPD mit vier großen Themen punkten: Familie, Wohnen, Arbeit, Integration. Konkreter wird sie nicht. Gefühle? Politische Alternative? Eigene Akzente? Das klingt alles sehr nach Martin Schulz. Der in den jüngsten Umfragen arg ins Straucheln geratene SPD-Kanzlerkandidat hatte nach seiner überraschenden Nominierung auch auf das postfaktische Moment im Zweikampf gegen Angela Merkel gesetzt.

Doch zurück nach Bayern: Für die SPD steht hier eine weitere wichtige Entscheidung ins Haus. Wer soll bei der Landtagswahl 2018 den Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer herausfordern? Auch Kohnen? Für den bei dem Mitgliederentscheid unterlegenen von Brunn, hätte diese zumindest nun qua Amt das Erstzugriffsrecht: "Aus dem Bauch heraus sage ich ja". Doch will sich Kohnen das wirklich antun? Eine Niederlage gegen Seehofer und dessen CSU würde der politischen Karriere sicher nicht zuträglich sein. Doch die Suche eines SPD-Spitzenkandidaten ist in Bayern kein Selbstläufer. Einige in der SPD sehen in Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher einen potenziellen Interessenten.

Im Gegensatz zum letzten Herausforderer, dem altgedienten Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, sind Kohnens und Rinderspachers politische Karrieren noch nicht am Ende. Gerade einmal seit Ende 2015 ist Kohnen Mitglied im SPD-Bundesvorstand, der 47-jährige Rinderspacher streitet seit 2009 als Oppositionsführer im Landtag.

Rinderspacher sieht trotz des personellen Neustarts keinen Bedarf für einen politischen Neuanfang. "Es geht hier für mich nicht um links oder rechts, sondern um Kontinuität und neue Impulse", sagt er. Aber er sei sich sicher, dass "ein in die Jahre gekommener Ministerpräsident, der nur noch mit Mühe seine parteiinternen Widersacher in Zaum halten kann" mit einer frischen SPD-Landeschefin seine Probleme haben könnte. Und Kohnen? "Die Frage der Spitzenkandidatur ist für mich kein Thema im Moment."