Ingolstadt
"Wir müssen den Rotstift ansetzen"

SC Delphin Ingolstadt blickt auf erfolgreiche Sommersaison zurück, kämpft aber mit großen finanziellen Problemen

14.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:21 Uhr

Das Aushängeschild des SC Delphin Ingolstadt: Paul Huch. Der 1,93 Meter große Modellathlet zählt in seiner Altersklasse zu den besten Schwimmern Deutschlands. Vor wenigen Tagen erhielt er aus den Händen von Turner Marcel Nguyen, der bei den Olympischen Spielen in London 2010 die Silbermedaille am Barren und Mehrkampf gewonnen hatte, eine Auszeichnung als „Bester Nachwuchssportler Oberbayerns“. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Die Schwimmer des SC Delphin Ingolstadt hätten derzeit eigentlich allen Grund zur Freude. Die kürzlich beendete Sommersaison war eine der erfolgreichsten in der rund 50-jährigen Vereinsgeschichte. Den Schwimmverein plagen allerdings erhebliche finanzielle Sorgen, in der Vereinskasse soll ein Loch von einer fünfstelligen Summe klaffen. Im Gespräch mit unserer Zeitung machen Vizepräsident Jürgen Seidel (Foto links) und Cheftrainer Steffen Pietsch (Foto rechts) die zwiegespaltene Lage deutlich.

Ferienzeit verbindet man mit Freibad, Sonne, Eiscreme. Aber mal ehrlich: Können Sie nach der langen Saison das Schwimmbecken noch sehen?

Steffen Pietsch: (lacht) So schlimm ist das nicht. Aber es ist mal schön, nicht so im großen Stress zu sein.

Jürgen Seidel: Meine Rolle ist ja eher im Hintergrund, deswegen bin ich nicht so oft am Wasser.

Die Sommersaison lief überaus erfolgreich. Allein bei den letzten beiden Wettkämpfen holte der SC Delphin 109 Medaillen, bei den Bayerischen Jahrgangsmeisterschaften landete Ingolstadt auf Rang fünf. Die Frage, wie zufrieden Sie sind, erübrigt sich dadurch . . .

Pietsch: Auf jeden Fall. Die Saison sind wir aufgrund der Sanierung des Hallenbads an der Ochsenschlacht ziemlich zwiespältig angegangen. Aber ich darf sagen: Die komplette Schwimmabteilung hat das gut hinbekommen.

Was sind die Gründe für den Erfolg?

Pietsch: Wir legen viel Wert darauf, nicht nur den einzelnen Sportler herauszustellen, sondern die Mannschaft. Eigentlich ist Schwimmen ja ein Einzelsport, ein Egosport. Wir versuchen aber dennoch, den Teamgedanken zu fördern. Wenn dieser ausgeprägt ist, dann kommen die Leute gerne ins Training, können sich hier gegenseitig pushen. Das führt zu den guten Leistungen.

Seidel: Unser schwimmerisches Konzept trägt auch seinen Teil dazu bei. Jeder Schwimmer muss ein bestimmtes Niveau erfüllen, um die nächste Leistungsgruppe zu erreichen.

Sie haben es bereits angesprochen: Die Saison ist umso höher einzuordnen, da mit der Sanierung des Hallenbads an der Ochsenschlacht die Trainingsstätte geschlossen wurde und eine optimale Vorbereitung nicht gewährleistet war . . .

Seidel: Das stimmt. Aber wir haben aus der Situation das Beste gemacht.

Pietsch: Der Leistungssport ist das eine, im Breitensportbereich hatten wir aber schon einige Einbußen. Da müssen wir in Zukunft was tun, um auch finanziell den Leistungsbereich, allgemein den Schwimmbereich, abzusichern.

Seidel: Wobei man auch sagen muss, dass uns die Stadtwerke und die Freizeitanlagen GmbH unterstützt haben. Vor allem was die Trainingsmöglichkeiten für die Leistungsgruppen betrifft. Wir konnten diese um fast 90 Prozent aufrechterhalten.

In wenigen Wochen öffnet das Hallenbad an der Ochsenschlacht wieder. Rückblickend: Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt?

Pietsch: Man geht natürlich mit einer ganz anderen Grundspannung in die Saison. Ich denke, das war dann auch bei den Schwimmern der Fall. Aus den gegebenen Bedingungen haben wir es dann hingebracht, dass es in Zukunft schwer wird, dieses Niveau zu halten.

Seidel: Man muss auch vor den Schwimmern den Hut ziehen, die teilweise bei acht Grad Außentemperatur frühmorgens im Freibad ins Wasser sprangen.

Pietsch: Egal wie kalt es war, wir waren ein Team. Es war eine gute Mentalität vorhanden.

Präsident Roland Knoll sagte kürzlich ebenfalls, dass im Verein „alle zusammengerückt“ seien. Hat die schwierige Situation das Vereinsleben sogar gefördert?

Seidel: Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Paul Huch – der nun einmal unser Aushängeschild ist – hat sich voll ins Team integriert und ist in keiner Weise abgehoben. Er ist in dieser Hinsicht ein Vorbild und Leadertyp.

Pietsch: Hoffen wir, dass das alles so bleibt.

Im Frühjahr 2016 bekommen Sie auf dem Gelände des ehemaligen Eisstadions an der Jahnstraße ohnehin ein Schwimmbad, das höchsten Ansprüchen genügt. Laut Oberbürgermeister Christian Lösel könnten darin sogar Deutsche Meisterschaften ausgetragen werden. Ist das bereits ein konkretes Ziel?

Pietsch: Überregionale Meisterschaften auf jeden Fall, aber Deutsche Meisterschaften sind natürlich hoch gegriffen.

Seidel: Die Überlegungen gehen dahin, dass wir zur Eröffnung eine größere Veranstaltung nach Ingolstadt holen.

Das heißt?

Seidel: Wir könnten uns für eine Bayerische oder Süddeutsche Meisterschaft bewerben. Zunächst einmal müssen wir aber die Strukturen im Verein schaffen, die wir brauchen, um solche Wettkämpfe überhaupt ausrichten zu können. Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.

Der sportliche Erfolg ist das eine. Auf der anderen Seite haben Sie mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen. Rund 300 Mitglieder haben den Verein verlassen. Haben Sie den Abwärtstrend inzwischen bremsen können?

Seidel: Der Abwärtstrend ist gestoppt. Aber: Die Größenordnung ist schon besorgniserregend. Wir kämpfen gerade damit, wie wir die kommende Saison finanzieren sollen. Momentan ist die Finanzierung für die kommende Saison sehr instabil.

Das heißt?

Seidel: Wir müssen Sponsoren finden, die uns unterstützen. Wir haben für unsere besten Schwimmer ohnehin schon einen Leistungszuschlag beschlossen – und damit die Eltern noch mehr belastet. Aber irgendwann geht das nicht mehr. Eine Leistungsgruppe, wie wir sie aktuell noch haben, können wir uns kaum noch leisten. Wir müssen überall den Rotstift ansetzen. Das heißt, wir müssen uns unter anderem genau überlegen, an welchen Wettkämpfen wir teilnehmen.

Pietsch: Wir hatten acht Teilnehmer bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften am Start, 18 Leute bei den Süddeutschen Meisterschaften und 30 Schwimmer bei den Bayerischen Meisterschaften: Das ist ein noch nie da gewesenes Leistungspotenzial, das aber auch entsprechend viel Geld kostet.

Dadurch besteht die Gefahr, dass einige hoffnungsvolle Nachwuchstalente den Verein verlassen.

Seidel: Ja, wir haben mit Gina-Sophie Hildebrandt bereits eine Schwimmerin an die LG Stadtwerke München verloren.

Pietsch: Grundsätzlich besteht eher die Gefahr, dass die Leistung nachlässt. Denn wenn die Finanzierung nicht stimmt, kann man nicht mehr so viele Übungsstunden anbieten. Das hat im Schwimmen, einer Ausdauersportart, gravierende Folgen.

Um neue Mitglieder für das Schwimmen begeistern zu können, wäre ein gutes deutsches Ergebnis bei den Europameisterschaften in Berlin von Vorteil.

Pietsch: Die neuen Gedanken von Bundestrainer Henning Lambertz werden langsam angenommen. Zum Beispiel, dass mehr im Ausdauerbereich und härter trainiert wird. Die ersten Ergebnisse haben sich zuletzt schon eingestellt. Ich denke schon, dass unsere Schwimmer bei der Heim-EM ordentliche Leistungen zeigen und um die Medaillen kämpfen werden. Paul Biedermann, Marco Koch oder Steffen Deibler sind gut für Medaillen – Biedermann und Koch sogar für Gold. Bei den Damen muss man abwarten, ob es nach einer Stagnation in den vergangenen Jahren schon wieder für ganz nach vorne reicht.

Eine dieser Damen, die dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) gute Ergebnisse bescherte, war lange Zeit Janine Pietsch. Sie vertrat damit auch den SC Delphin auf internationaler Ebene. Trauen Sie einem Ingolstädter demnächst wieder den Sprung in die Weltspitze zu?

Pietsch: (lacht) Wenn wir 2016 gut aufgestellt sind, sind die Aussichten nicht so schlecht. Paul Huch beispielsweise ist auf einem guten Weg. Er hat die Anlagen, ganz weit nach vorne zu schwimmen.

Das Gespräch führte

Julian Schultz.