Berlin
"Wir lassen Afghanistan nicht im Stich"

Kabinett will weniger deutsche Einheiten abziehen als erwartet – Bis zu 850 Soldaten sollen bleiben

18.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Berlin (DK) Bei seinem Besuch in Kabul hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine klare Botschaft im Gepäck: Auch wenn der Nato-Kampfeinsatz am Hindukusch Ende des Jahres ausläuft, bleibt die Bundeswehr auch 2015 in Afghanistan und womöglich darüber hinaus.

Bis zu 850 deutsche Soldaten sollen sich nach den Plänen der Bundesregierung künftig an der Nachfolgemission „Resolute Support“ – Entschlossene Unterstützung – beteiligen. „Wir lassen Afghanistan nicht im Stich“, so Müller. Insgesamt 12 500 Soldaten sollen verhindern, dass Warlords und Taliban wieder die Herrschaft übernehmen und die erzielten Erfolge wieder zerstört werden.

War zuletzt noch von 600 bis 800 Bundeswehreinsatzkräften die Rede gewesen, wird jetzt leicht aufgestockt. Das Bundeskabinett wird am heutigen Mittwoch grünes Licht für das neue, auf zwölf Monate begrenzte Mandat geben, bevor der Bundestag darüber berät und entscheidet. Eine breite Mehrheit gilt als sicher.

Die neue Aufgabe der Einsatzkräfte wird vor allem in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte liegen. Die Zeit der Kampfeinsätze und Gefechte soll damit vorbei sein. Die neue Mission habe einen anderen Charakter als der bisherige Isaf-Einsatz, heißt es in dem Entwurf des Mandats. „Sie ist kein Kampfeinsatz und hat auch nicht die Aufgabe, sich direkt an der Terror- und Drogenbekämpfung zu beteiligen“, so die Beschreibung. Dennoch könne es zu Gefechten kommen. Geordneter Rückzug oder am Ende doch eine Fortsetzung ohne absehbares Ende? Bleibt es bei den Plänen der US-Administration, Ende 2016 auch die letzten Truppen abzuziehen, würde auch die Bundeswehr kaum länger bleiben. „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“, so lautete stets die Devise in den vergangenen 13 Jahren. Zuletzt hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Zweifel an dem Fahrplan und die Sorge geäußert, dass die Entwicklung in Afghanistan ähnlich wie im Irak nach dem Abzug amerikanischer Truppen laufen könnte. Merkel will sich für einen längeren Verbleib der Amerikaner einsetzen. Ohne die Amerikaner wäre die Sicherheit der internationalen Streitkräfte kaum zu gewährleisten.

Im Falle eines totalen Abzuges internationaler Truppen fürchten Experten, dass das Land wieder in Chaos und Gewalt stürzen könnte. Die deutschen Soldaten werden künftig im Kabuler Hauptquartier eingesetzt und übernehmen weiter vom Camp Marmal in Masar-I-Scharif die Führungsrolle im Norden Afghanistans. Seit 2001, nach den Anschlägen auf die Vereinigten Staaten, ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Der frühere Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte die Mission damit begründet, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde. Bis zu 5350 deutsche Soldaten waren zeitweise dort und leisteten ihren gefährlichen Dienst, zurzeit sind es noch 1520. 55 kamen ums Leben, 35 von ihnen wurden im Gefecht oder bei Anschlägen getötet.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hatte sich zuletzt wieder verschlechtert. Die Angst unter den Afghanen, das zeigen Umfragen, wächst dramatisch. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte gestern die deutschen Pläne für eine Beteiligung an dem Ausbildungseinsatz.