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"Wir kämpfen um Platz drei"

05.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. −Foto: Belzer

Berlin (DK) FDP-Chef Christian Lindner spricht im Interview über das TV-Duell und die Rolle der kleinen Parteien.

Herr Lindner, nach dem TV-Duell Merkel gegen Schulz gibt es Lob für die Runde der kleineren Parteien: War dieser Schlagabtausch das bessere Format?

Christian Lindner: Das Duell war ja weniger Merkel gegen Schulz, sondern eher Merkel mit Schulz. Da lag die nächste große Koalition förmlich in der Luft. Ich hätte mir eine gemeinsame Debatte mit den Spitzenkandidaten aller relevanten Parteien gewünscht. Ich hätte gerne mit Frau Merkel über Zuwanderung debattiert, mit Herrn Schulz über die wirtschaftliche Erneuerung unseres Landes. Der Fünfkampf hatte mehr Themen und mehr Kontroversen, das war ein spannendes Element in diesem Wahlkampf.

 

Angela Merkel gegen Martin Schulz - wer war aus Ihrer Sicht der Gewinner des TV-Duells?

Lindner: Angela Merkel war souveräner. Martin Schulz hat langjährige Positionen der SPD spontan abgeräumt. Er hat in einem Punkt recht: Die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei müssen beendet werden. Diese 180-Grad-Wende der SPD in der Türkeipolitik zeigt, wie wenig geradlinig die Partei ist und wie schnell sie ihren Kurs ändert. Mit der Türkei kann es keine Kooperation geben. Die Türkei-Politik der großen Koalition ist krachend gescheitert. Die FDP fordert seit Jahren das Ende der Beitrittsgespräche. Eine islamistische Präsidialdiktatur gehört nicht in die Europäische Union. Jetzt müssen alle Ampeln der Zusammenarbeit mit Ankara auf Rot gestellt werden. Hier fehlt es der Bundesregierung an Konsequenz.

 

In den Umfragen liegt die Union seit Monaten deutlich vorn. Ist die Bundestagswahl, ist der Wahlkampf schon gelaufen?

Lindner: Das Rennen um Platz eins ist gelaufen. Umso spannender wird das Rennen um den dritten Platz. Die FDP kämpft als Partei der Mitte und Vernunft um Platz drei. Beim TV-Duell war nur von Flüchtlingen und Managern die Rede. Es gibt aber Millionen andere Menschen, die sich um Bildung, Gesundheit, um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft sorgen. Das Thema Bildung ist beim TV-Duell ebenso wenig zur Sprache gekommen wie die Digitalisierung oder die künftige Energiepolitik. Das war mehr Vergangenheitsbewältigung als die Beschäftigung mit der Zukunft.

 

Sie fordern, dass sich nach der Wahl ein U-Ausschuss mit den Entscheidungen der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik im Sommer 2015 beschäftigen soll. Ist das keine Vergangenheitsbewältigung?

Lindner: Als Opposition hätte die FDP kein anderes Mittel, um aus den Fehlern der Vergangenheit in der Flüchtlingspolitik Lehren für die Zukunft zu ziehen. Wir brauchen eine neue Ausrichtung der Zuwanderungspolitik und ein Einwanderungsgesetz. Der Aufenthalt von Flüchtlingen muss klar zeitlich begrenzt und Möglichkeiten der qualifizierten Zuwanderung nach Deutschland müssen geschaffen werden.

 

Am Ende wird die FDP wieder Steigbügelhalter der Union. Wer Merkel und Schwarz-Gelb will, muss die Liberalen wählen?

Lindner: Die FDP ist eigenständig. Natürlich sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber nur, wenn es eine Trendwende gibt. Es muss eine Entlastung bei Steuern und Sozialabgaben geben. Wir brauchen eine Trendwende zum Bürokratieabbau und mehr Investitionen in Bildung statt immer neuer Umverteilung. Statt grenzenloser Aufnahmebereitschaft muss die Einwanderungspolitik geordnet werden. Ohne diese grundlegenden Korrekturen wird es mit uns keine Regierung geben.

 

Kanzlerin Angela Merkel hat der Rente mit 70 während ihres Schlagabtausches mit Martin Schulz eine eindeutige Absage erteilt. Wie hält es die FDP mit dem künftigen Eintrittsalter?

Lindner: Diese Debatte ist doch von gestern. Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, ihren Wohlstand individuell zu planen. Ab einem Alter von 60 Jahren sollte jeder selbst entscheiden können. Wer länger bleibt, kann eine höhere Rente bekommen, wer früher geht, eine geringere.

 

Die Fragen stellte

Andreas Herholz.