Karlshuld
"Wir haben immer gekauft"

Karlshulds Bürgermeister Karl Seitle über seine Philosophie, eine Gemeinde voranzubringen

01.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:34 Uhr
Es ist die sechste und aus Altersgründen die letzte Amtszeit von Bürgermeister Karl Seitle. Ein paar größere Aufgaben will er aber bis 2020 auf jeden Fall noch für Karlshuld erledigen. „Mir macht mein Beruf Spaß. Ich mache das aus Überzeugung“, versichert er. −Foto: Frank

Karlshuld (DK) Wer Karl Seitle etwas über Gemeindepolitik erzählen will, der muss früh aufstehen.

Der 67-Jährige ist seit 33 Jahren Bürgermeister der Gemeinde Karlshuld. In dieser Zeit hat er dem Straßendorf im Donaumoos seinen Stempel aufgedrückt, hat es zu einer Vorzeigegemeinde entwickelt. Inzwischen ist es nach den Städten Neuburg und Schrobenhausen die drittgrößte Kommune im Landkreis – und sie wächst weiter.

Gestartet ist Karl Seitle als Verwaltungsmann. Er hat verschiedene Stationen bis einschließlich zum Diplom-Verwaltungswirt absolviert, aber eigentlich ist er mehr Gestalter als Verwalter. 3400 Einwohner hatte seine Heimatgemeinde, als er am 1. Mai 1984 auf dem Bürgermeisterstuhl Platz nahm. 5700 Einwohner sind es heute. Es blitzt in seinen Augen, wenn Seitle die Zahlen wie aus der Pistole geschossen nennt. „Meine Philosophie war immer, günstiges Bauland für die Nachgeborenen bereitzustellen. Dadurch ist auch die Infrastruktur gewachsen“, erklärt er. Jetzt sind es vier Supermärkte, zwei Tankstellen, zwei Apotheken, drei Ärzte, ein Kinderarzt und nicht zuletzt eine Grund- und Mittelschule, in der Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse unterrichtet werden. Hinzu kommen 50 Vereine, auf die Seitle große Stücke hält. „Die haben wir alle unterstützt.“

„Das Thema Realschule ist durch. Das war politisch.“

 

Als der Landkreis den Bau einer neuen Realschule ins Auge fasste, stand Seitle schon in den Startlöchern. „Ich hätte sie gerne nach Karlshuld gebracht“, bedauert er. „Wir hätten auch das Grundstück gehabt.“ Er hätte es dem Landkreis sogar geschenkt. Doch höheren Orts wollte man das nicht. Die Landkreisverwaltung hatte die Antragsunterlagen noch gar nicht beisammen, da hatte sich im Kultusministerium der Daumen bereits gesenkt: Keine Realschule in der Landkreismitte. „Das Thema ist durch. Das war politisch“, sagt Seitle und hakt es ab. Er arbeitet mit seinem Gemeinderat vorwärtsgerichtet. „Wir sind zwölf Freie Wähler, sechs von der CSU und drei von der SPD und es funktioniert einwandfrei“, versichert er. Es ist Seitles sechste Runde als Bürgermeister. „Ich bin ein Auslaufmodell“, klassifiziert er sich scherzhaft selbst. So recht glauben mag man das nicht, aber das Gesetz hat eine Altersgrenze vorgeschrieben und die macht auch vor bewährten Fahrensmännern im Donaumoos nicht halt. Viele junge Karlshulder haben noch nie einen anderen Bürgermeister erlebt als „König Karl“, wie er gelegentlich genannt wird. Dabei pflegt er einen Politikstil, der keineswegs monarchistisch ist. „Sichere Finanzen, keine Schulden und den Bürger finanziell so weit wie möglich schonen“, hat er zu Beginn seiner letzten Amtszeit postuliert. Und daran fühlt er sich gebunden. Die Gemeinde schreibt keine roten Zahlen und so soll es auch bleiben. „Wenn man schuldenfrei ist, braucht man keine Ausbaubeitragssatzung. Und das kommt den Bürgern zugute.“

Die vorangegangene Wahl war ein Novum für Seitle: Er hatte eine Gegenkandidaten. Frank Richlich von der CSU holte 34,4 Prozent, doch Seitle blieb mit 65,6 Prozent Chef im Ring. 2008 waren es noch 97,3 Prozent und im Jahr 1990 geradezu sozialistische 99,02 Prozent. „Ich hatte damals das beste Ergebnis in ganz Bayern unter den Berufsbürgermeistern ohne Gegenkandidat“, erzählt der 67-Jährige nicht ohne Stolz. Sprichwörtlich ist schon sein „alles schon bezahlt“, das er bei gemeindlichen Projekten in bayerischem Idiom verkündet. Das Geheimnis des Erfolges: Beharrlichkeit, wenn es darum geht, beim Freistaat Zuschüsse locker zu machen. Und eine vorausschauende Grundstückspolitik. „Wir hatten in meiner Anfangszeit 50 Tagwerk, jetzt haben wir 200. Wir haben immer gekauft“, verrät er seine Strategie. Und dabei müsse man immer fair zu den Grundstückseigentümern sein. Darum ist dieses Geschäft auch Chefsache, denn „wir weisen nur Neubaugebiete aus, wenn uns der Grund zu 100 Prozent gehört“.

Als Richard Keßler als Landrat die Umweltbildungsstätte Haus im Moos haben wollte, waren Königsmoos und Karlshuld im Rennen. „Ich war schneller. In 14 Tagen haben wir die Grundstücke gehabt“, freut er sich noch heute. Überhaupt misst der Gemeindechef dem Haus im Moos große Bedeutung zu. Aus Karlshuld fließen jährlich etwa 48 000 Euro in die Umweltbildungsstätte. „Das ist es uns schon wert.“ Seitle steht auch hinter dem Birkwildprojekt, das dort umgesetzt wird (wir berichteten) , wie er sich überhaupt als naturverbundener Mensch versteht. Der Privatmann Seitle, Vater von vier Kindern und Opa von drei Enkeln, hat früher Brieftauben gezüchtet. Dann ließ ihm sein Beruf, von dem er sagt, dass er ihm Spaß macht, zu wenig Zeit für dieses Hobby. Jetzt hat er noch 20 Kaninchen der beliebten Rasse Farbenzwerge und ist bekennender Fan des 1. FC Nürnberg. Ein kleiner Ausgleich für einen harten Job, denn es gibt auch Probleme. Da wäre der Kiesabbau auf 42 Hektar Fläche zwischen Karlshuld und Kochheim, den die Firma Wittmann bei der Regierung von Oberbayern raumordnen lässt. „Das kann man nicht machen“, stellt Seitle fest. „Die Gemeinde wird sich wehren. Damit würde Kochheim von Karlshuld getrennt.“ Und dann muss noch die Kläranlage erweitert werden, die zu 50 Prozent der Gemeinde Königsmoos gehört. „Wir haben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.“ 50 Millionen, sagt Seitle, seien in seiner Amtszeit investiert worden. Da waren Kindergartenplätze mit Neu- und Anbauten zu schaffen, dann kamen die Krippenplätze dazu – 2011 für zwei Gruppen, danach nochmals vier Gruppen. Jetzt werden noch drei Krippengruppen geschaffen, zwei Kindergarten- und zwei Hortgruppen. 6,5 Millionen Euro werden dafür gebraucht. „Das bring’ ich noch ohne Schulden hin“, ist der Rathauschef sicher. 48 Frauen sind in den Kindergärten und -krippen beschäftigt.

„Die Gemeinde wird sich wehren.“

 

Die aktuell größte Baustelle ist die Straße in Kleinhohenried, die 2,7 Millionen Euro kosten wird. Dann steht noch der Neubau des Feuerwehrhauses für zwei Millionen und der des Bauhofes für eine Million Euro an.

Seitle ist seit dem Jahr 2000 auch Chef der Wasserversorgung Arnbachgruppe. Die ist so etwas wie sein Steckenpferd. „Wir haben ungefähr zehn Millionen Euro investiert und haben noch Rücklagen. Wir sind die Billigsten und haben keine Probleme.“

Es ist also vorläufig noch nichts mit Auslaufmodell, aber wenn Karl Seitle im Jahr 2020 das Karlshulder Rathaus, in dem er als Standesbeamter schon „Hunderte Paare getraut hat“, für immer verlässt, dann mit dem Wunsch „dass es für die Bürger so weitergeht, dass sie sich wohlfühlen und nichts zahlen brauchen“.
 

Zur Person

Karl Seitle ist ein echtes Moosgewächs. Am 20. April 1950 im Zentrum des heutigen Landkreises Neuburg-Schrobenhausen geboren, entschied sich Seitle für den Beruf eines Verwaltungsangestellten. Am 1. September 1968 wurde er in seiner Heimatgemeinde in dieser Funktion eingestellt. Danach kam von Juli 1970 bis Dezember 1971 ein Intermezzo bei der Bundeswehr, die er als Unteroffizier verließ. Im September wurde er Gemeindeinspektoranwärter, absolvierte einen fachwissenschaftlichen Lehrgang für den gehobenen Verwaltungsdienst und wurde im Januar 1977 zum Gemeindeinspektor ernannt. 1978 folgte die Bestellung zum Standesbeamten, ein Jahr später die zum Verwaltungsinspektor, Anfang 1981 die zum Verwaltungsoberinspektor und im August ’81 wurde ihm der akademische Grad Diplom-Verwaltungswirt (FH) verliehen. Seit Mai 1984 ist Karl Seitle Bürgermeister der prosperienden Gemeinde Karlshuld und seit Juli 1986 gehört er als Nachrücker für den verstorbenen Franz Schütz dem Kreistag Neuburg-Schrobenhausen in der Fraktion der Freien Wähler an.