Ingolstadt
"Wir haben einen Raketenstart hingelegt"

25.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr

Petr Bares gibt die Richtung vor: Unter der Leitung des gebürtigen Tschechen ist die Nachwuchsabteilung des ERC Ingolstadt zu einer guten Adresse geworden. - Foto: Meyer

Ingolstadt (DK) Fast ein wenig schüchtern lugen die Jugendlichen in die Kaffeeküche im Bauch der Saturn-Arena, wo Petr Bares auf einer Couch Platz genommen hat. "Dürfen wir in den Kraftraum", fragt einer der Jugendspieler. "Ja, aber klärt das mit Maritta (Profi-Fitnesstrainerin Becker, d. Red.) ab", antwortet der 47-Jährige, und die Nachwuchsspieler ziehen ab. "Ich finde das positiv", sagt der Nachwuchskoordinator der Panther. "Sie haben kein Training. Sie wollen freiwillig in den Kraftraum."

Von der U 19-Mannschaft, die nach einem Lehrjahr nun zum zweiten Mal in der Deutschen Nachwuchs-Liga (DNL) antritt, erwartet sich deren Trainer Bares einiges. "Wir haben großes Potenzial und wollen überraschen. Viele werden sich wundern", sagt der ehemalige Profi der Panther, der zur Vorbereitung wie schon in den vergangenen Jahren ins Trainingslager nach Tschechien bat. Gleich zu Beginn stehen mit den beiden Heimspielen gegen die Eisbären Juniors Berlin (2. September, 19 Uhr/3. September, 12.30 Uhr) zwei Härtetests auf dem Spielplan. Nicht minder schwer ist das Auftaktprogramm der Schüler, die zweimal bei den Jungadlern Mannheim ranmüssen.

Die Erfolgsgeschichte des Nachwuchses seit Bares' Amtsantritt ist beeindruckend: Rund 250 Kinder und Jugendliche lernen beim ERCI das Schlittschuhlaufen und trainieren in den Jugendmannschaften, die alle in den jeweils höchsten Spielklassen antreten (siehe Grafik). Wer es nicht direkt in die erste Mannschaft seines Jahrgangs schafft, kann auch für den Kooperationspartner EC Pfaffenhofen zum Einsatz kommen.

Eine weitere Zusammenarbeit pflegt der ERCI mit den Fußballern des FC Ingolstadt: Im seit 2014 gemeinsam betriebenen Nachwuchsinternat wohnen aktuell zehn ERC-Talente. David Adam, Daniel Maul und Luca Bauer repräsentieren Ingolstadt in den Nachwuchs-Nationalteams des Deutschen Eishockey-Bundes. "Wir haben sportlich einen Raketenstart hingelegt", bilanziert Bares, der das vor allem seinen drei hauptamtlichen Trainern mit A-Lizenz zuschreibt: Terry Campbell, Markus Hätinen und Eduard Uvira (siehe unten). Mit der US-Amerikanerin Brooke Reimer, der Ehefrau des neuen Profi-Torhüters Jochen Reimer, ist jetzt noch eine Trainerin für Stocktechnik und Powerskating hinzugekommen.

Während von der Laufschule bis zu den Kleinschülern die spielerische Heranführung ans Eishockey und der Breitensportgedanke im Vordergrund stehen, legen Bares und seine Trainer ab der U 14 den Fokus auf den Spitzensport. "Ab diesem Alter beginnen System und Taktik", erklärt der gebürtige Tscheche Bares, dem eine umfassende und vielseitige Ausbildung wichtig ist: "Rechter Stürmer, linker Verteidiger: Bei uns muss jeder alles spielen, von Anfang an." Genauso wichtig wie der Sport ist die Schule: Als in der vergangenen Saison die Noten eines Nachwuchsspielers zu wünschen übrig ließen, belegte Bares ihn mit einem Trainingsverbot und informierte die Eltern. "Das war ein Denkzettel, seitdem läuft es."

Die Strukturen des Stammvereins, in den die Nachwuchsabteilung eingegliedert ist, konnten mit der rasanten sportlichen Entwicklung allerdings nicht immer Schritt halten. "Die Struktur des Vereins beruht auf dem Ehrenamt und ist 30 Jahre alt", erklärt Bares, der ein Beispiel für die gestiegenen Anforderungen nennt: "Früher gingen die Auswärtsfahrten unserer Schüler- und Jugendmannschaft nach Waldkraiburg oder Klostersee, heute fahren wir nach Krefeld."

Der ERCI unterstützt den Nachwuchs laut Abteilungsleiter Thomas Binder mit rund 250 000 Euro. Organisatorisch, das gibt er zu, "müssen wir noch aufholen". "Aber wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass wir folgen können", fügt Jugendleiterin Christine Schlamp hinzu. Auch Bares sieht den Verein in den vergangenen Jahren auf dem richtigen Weg.

Ein zentrales Problem im Ingolstädter Eissport bleibt nach wie vor die fehlende dritte Eisfläche. Oberbürgermeister Christian Lösel hatte die eigentlich schon versprochen, doch aufgrund der unsicheren Haushaltslage der Stadt war das Projekt auf Eis gelegt worden. So müssen die Jugendlichen weiterhin die beengte Kabinensituation, fehlende Trockenräume und die Trainingszeiten um 6 Uhr morgens in Kauf nehmen - vor der Schule. "Für die Zukunft brauchen wir die dritte Eisfläche. Als Nachwuchsabteilung sind wir brutal gewachsen, die Infrastruktur muss mit der Bevölkerung mithalten. Gerade in Ingolstadt, die zu den am schnellsten wachsenden Großstädten Deutschlands zählt", fordert Bares. Doch das kann noch dauern: "Bis die dritte Eisfläche kommt, bin ich wahrscheinlich schon in Rente", scherzt Schlamp.

Das größte Ziel blieb bislang noch unerfüllt: ein Nachwuchsspieler, der den Sprung zu den Profis schafft. Die Voraussetzungen sind laut Bares gegeben, Durchlässigkeit und Absprache mit der Panther GmbH seien erstklassig - ob unter den Sportdirektoren Jim Boni, Jiri Ehrenberger oder Larry Mitchell. Auf "so viele Eigengewächse wie möglich" hofft Schlamp. "Das passiert nicht in ein oder zwei Jahren", sagt Bares. "Aber das Ziel ist, Ingolstädter in der ersten Mannschaft zu haben."