Reichertshofen
"Wir geben der Kartoffel einen Vorsprung"

Der Reichertshofener Thomas Langenecker wehrt sich gegen den Vorwurf, Landwirte seien Umweltverschmutzer

02.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:21 Uhr
Thomas Langenecker zeigt sein Feld, auf dem die Braugerste schon geerntet ist. Im Vordergrund blühen - trotz des einmaligen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, Blumen und es fliegen Insekten. −Foto: Konze

Reichertshofen (DK) "Niemand will jemanden vergiften.

" Thomas Langenecker, Landwirt aus Reichertshofen, bringt es auf den Punkt: Landwirte wie er setzen Pflanzenschutzmittel nur ein, "wenn es unbedingt notwendig ist". Er sieht sich nach den Aussagen eines Reichertshofeners, der von "Giftwolken" sprach, als Betroffenen und will sich wehren: "Wir geben der Kartoffel durch den Einsatz von Herbiziden die Chance, sich zu entwickeln, zu wachsen. " Und er wählt für den Einsatz eines Fungizids - zum Beispiel bei Krautfäule - einen Vergleich: "Wenn eine Pflanze krank ist, muss sie der Landwirt behandeln. So wie ein Landwirt eine kranke Kuh oder ein krankes Schwein behandeln lässt. So wie sich ein kranker Mensch vom Arzt behandeln lässt - und meist auch ein Mittel verschrieben bekommt. "

Langenecker lässt den Vorwurf nicht gelten, Landwirte würden Unkraut töten. "Wir geben der Kartoffel einen Vorsprung", nennt er es. Und wenn die Kartoffelpflanzen später groß und stark sind, lässt er auch die Unkräuter wieder zu. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bedeutet also nicht, dass sogenannte Unkräuter auf Lebenszeit nicht mehr wachsen. Nachbehandelt wird wegen ein, zwei Stellen mit Unkraut übrigens nicht - auch weil es laut Langenecker unwirtschaftlich ist. Für 25 Hektar Kartoffelfeld veranschlagt der Reichertshofener pro Behandlung mit einem Pflanzenschutzmittel zwischen 1000 und 1200 Euro. "Da überlegt man sich schon, ob man es macht. " Der 30-Jährige betont, er fahre mit Feldspritzen "so wenig wie möglich" raus auf seine Felder.

Für Langenecker bedeutet Pflanzenschutz nicht nur das Spritzen von Mitteln. "Sortenwahl, Standort, Fruchtfolge, Bestandsdichte und Saatzeitpunkt gehören - neben verantwortungsbewussten Pflanzenschutz - auch dazu. " Er nennt das "integrierten Pflanzenschutz". Und wenn der Reichertshofener so auf dem Feld steht und erzählt, kommt er wieder auf den Reichertshofener Kritiker. "Wenn man sich in einem Jahr im Internet zum angeblichen Spezialisten ausbilden kann, dann wäre ja meine fünfjährige Ausbildung umsonst. "

Langenecker steht auf seinem Kartoffelacker, betrachtet die Pflanzen, sieht eine Maus vorbeihuschen und betont: "Wir haben in Deutschland die schärfsten Gesetze, die es weltweit gibt. " Und holt weiter aus: "Wir reden vom globalen Denken. Aber wie soll der bayerische Landwirt mit der Konkurrenz aus dem Ausland mithalten? Während in Deutschland immer mehr Wirkstoffe nicht mehr zugelassen werden hat in Brasilien der neue Präsident seit Jahresanfang 211 Pflanzenschutzmittel genehmigt. Etwa 30 Prozent der Substanzen sind in der Europäischen Union verboten, die Hälfte der Mittel gelten als gesundheitsschädlich. "Und dieses Gemüse und Obst kommt dann zu uns. " Die Landwirtschaft in Bayern würde schlecht geredet. "Das darf nicht sein, das sind wir nicht! " Die bayerische Landwirtschaft sei "vielleicht die beste in Deutschland".

Erika Meyer, Geschäftsführerin der BBV-Geschäftsstelle Ingolstadt, die an diesem Tag zusammen mit Manfred König (Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Landskreis Pfaffenhofen) und Siegfried Ederer (Stellvertretender Kreisobmann) Langenecker unterstützt, sagt: "Die Landwirte sind frustriert. Es geht ans Gemüt. Viele können mit der Situation nicht umgehen. " Landwirte würden kriminalisiert für etwas, was legitim sei.

Langenecker setzt auf "Qualität aus Bayern". Sein Hof ist zertifiziert, er lässt seine Kartoffeln freiwillig kontrollieren, dazu kommen staatliche, unangekündigte Kontrollen. "Da erlaubt sich keiner, mehr von einem Mittel einzusetzen als erlaubt oder gar ein Mittel zu spritzen, für das es keine Zulassung gibt. " Auf dem Schafberg, wo die Braugerste bereits abgeerntet ist, ging laut Langenecker die "Gaudi" mit dem Anwohner los. "Er hat mich fotografiert und beschimpft. Kurz darauf waren die Fotos, auf denen ich sehr wohl zu erkennen war, auf sozialen Medien. Es ist nicht schön, wenn man dann auch noch als Mörder oder Umweltverschmutzer betitelt wird. " Langenecker ist betroffen: "Ich mache nichts falsch. " Und Mörder, fügt er an, würden mindestens 15 Jahre eingesperrt.

Zum Thema Öko-Landwirtschaft sagt Langenecker: "Meiner Meinung nach ist das eine super Sache. Nur muss es auch für den einzelnen Betrieb in seine Strukturen passen. Jeder Betrieb ist in dieser Hinsicht einzigartig. Auch muss das Schwarz-weiß-Denken - konventionell ,böse', Öko ,gut' - aufhören. Beide produzieren auf höchsten Standards. " Und er glaubt: "In Zukunft werden öko und konventionell noch enger zusammenrücken. " Langenecker will verdeutlichen, dass er kein Problem mit der Meinung anders Denkender hat. "Nur kann es nicht sein, über Hass und Hetzparolen Stimmung zu machen. Das ist keine Grundlage für vernünftige Diskussionen. " Er empfiehlt auch, dass sich Verbraucher durch solch negative Stimmungen nicht beeinflussen lassen: "Sie sollen auch ruhig mal beim Bauer ihres Vertrauens nachfragen, warum manches so gemacht wird, wie es gemacht wird. "

Bei Winden am Aign zeigt Langenecker eine Blühwiese, weit ab von Wanderwegen. Niemand sieht, dass der Reichertshofener hier eine fünfjährige Blühfläche angelegt hat - mit zertifiziertem Saatgut. "Ich mache das ja nicht für den guten Ruf, sondern aus Überzeugung. " Überall summt und brummt es. "Hummeln, Bienen, Schmetterlinge. Volles Rohr", freut sich Langenecker. Diese 7000 Quadratmeter sind ein Paradebeispiel für Artenschutz. "Ich könnte hier ja auch Kartoffel anpflanzen. "

Langenecker sagt, es heiße oft, Landwirte hätten kein Umweltbewusstsein. "Doch das stimmt nicht. " Beweis: Ein paar Meter weiter findet sich ein sogenannter Gewässerrandstreifen - eine vom Landwirt nicht bewirtschaftete Fläche zwischen Feld und Wassergraben: "Das sind sieben Meter, die ich freiwillig vom Wasser wegbleibe - mit dem Saatgut und daher auch mit dem Pflanzenschutz. " Was im Zuge des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" jetzt gesetzlich vorgeschrieben wird. "Ich mache es schon. "