Riedenburg
"Wir brauchen die Impfung und Vernunft"

Die Riedenburger Stadträtin Felicitas Wollschläger berichtet von ihrer Corona-Infektion

15.01.2021 | Stand 21.01.2021, 3:34 Uhr
"Ich bin glimpflich davongekommen", weiß Felicitas Wollschläger nach ihrer Infektion mit dem Coronavirus. −Foto: Rast

Riedenburg - Das Corona-Virus schlägt vorwarnungslos zu. Der Erreger dringt an Orte vor, wo man ihn kaum vermuten würde. Die bislang bekannteste Persönlichkeit aus Riedenburg, die sich infiziert hat, ist Felicitas Wollschläger. Im Gespräch mit unserer Zeitung schildert die SPD-Stadträtin ihren Krankheitsverlauf und erzählt, welche Schlussfolgerungen sie daraus zieht.

Anfang November ist Wollschläger in einer orthopädischen Rehaklinik in Bad Füssing. Die nach einer Operation am Rücken erforderliche Therapie soll fünf Wochen dauern. Sie bringt einen negativen Corona-Test mit in die Klinik, wird dort aber vorsichtshalber erneut getestet. Das Ergebnis lautet wieder: negativ.

In der Rehaklinik sind die Verantwortlichen intensiv bemüht, die Gefahr durch das Virus zu minimieren. Alle Patienten sitzen allein am Tisch, überall sind Plexiglasscheiben aufgestellt. Es herrscht eine strenge Maskenpflicht. Im Gebäude und in den Außenanlagen sind alle Tische und Stühle abgebaut, um Gruppenbildungen zu vermeiden. Die Restaurants und Geschäfte sind geschlossen. "Mit meinen Mitpatienten führte ich kaum Gespräche. Mein einziger enger Kontakt waren die Physiotherapeuten, die mich täglich behandelten." Die Atmosphäre sei sehr bedrückend gewesen. Doch in der Rückschau weiß sie: "So viele Menschen zusammengeballt - das konnte nicht gutgehen."

Nach zwei Wochen Aufenthalt verspürt sie eine Nackensteifheit. "Ich dachte, ich hätte mich nachts verlegen", berichtet Wollschläger. Sie bekommt eine Physiotherapie und fühlt sich bereits am nächsten Tag besser. Das hält drei Tage an. Doch dann kehren die Nackenschmerzen zurück. Diesmal wird ein Corona-Test angeordnet. Das erschreckende Ergebnis: positiv. "Es ist nicht nachvollziehbar, wo ich mich angesteckt habe." Doch am gleichen Tag werden in der Rehaklinik neun aktive Fälle entdeckt, drei davon betreffen das Personal.

Wollschläger wird sofort in Quarantäne beordert. Die Behandlung wird abgebrochen. Ihr Mann wird informiert. Er steht drei Stunden später mit dem Auto vor der Klinik, um seine Frau abzuholen. Das Personal, das sie hinausbegleitet, trägt Vollschutz. "Die Leute sahen aus wie die in den Intensivstationen." Nach drei Wochen Aufenthalt in der Rehaklinik wird die Patientin als ungeheilt und positiv entlassen.

Daheim in Riedenburg angekommen, begeben sich Wollschläger und ihr Mann sofort in Quarantäne. Die Frau, die sich als Seniorenbeauftragte und im Helferkreis Asyl ehrenamtlich engagiert, braucht nun selbst Hilfe. Die 54-Jährige arbeitet als Bestattungsberaterin. Aus ihren vielfältigen beruflichen Erfahrungen mit Hinterbliebenen weiß sie: "Die Welt kann von einem Tag auf den anderen sehr klein sein." Felicitas Wollschläger ist sich bewusst, dass sie an einer möglicherweise tödlichen Krankheit leidet: "Aber ich dachte nie ans Äußerste." Doch sie quält die Angst, ihren Mann oder ihre beiden erwachsenen Kinder anzustecken.

Auch Wollschlägers Welt ist plötzlich sehr klein: Sie beschränkt sich auf das Haus in Prunn. Die mehrwöchige Isolation empfindet sie als sehr beklemmend. "Denn ich pflege sehr gerne soziale Kontakte."

Nach der strapaziösen Rücken-Operation fühlt sich Wollschläger ohnehin angeschlagen und müde. Doch zu Hause verschlimmert sich die Krankheit. "Ich litt an sehr starken Kopfschmerzen, das kenne ich eigentlich nicht." Die Infizierte spürt ständig einen Druck auf den Brustkorb, wie bei einer beginnenden Bronchitis. Das Atmen fällt ihr schwer. "Ich fühlte mich erschöpft, wie gelähmt." Eine Woche nach der Heimfahrt von Bad Füssing verliert sie plötzlich ihren Geschmacks- und Geruchssinn. "Das war, wie wenn jemand einen Schalter umlegt."

Eine Behandlung der Corona-Infektion ist nicht möglich, es gibt noch keine Medikamente. Wollschläger nimmt lediglich die nach der Rücken-OP nötigen Schmerztabletten weiter ein. Die Quarantäne soll zunächst zwölf Tage dauern. Doch nach Ablauf dieser Frist fühlt sich die Infizierte immer noch sehr schlapp. Sie macht einen weiteren Corona-Test. Das Ergebnis ist niederschmetternd: 17 Tage nach ihrer Infektion ist sie weiterhin positiv. Lediglich die Virusbelastung ist etwas gesunken. Die Quarantäne wird um eine Woche verlängert.

Das Ehepaar bewältigt diese Zeit gemeinsam. Beide nutzen getrennte Schlaf- und Badezimmer, nehmen die Mahlzeiten aber gemeinsam ein. "Denn es ist unrealistisch, sich zu 100 Prozent aus dem Weg zu gehen." Die Kinder erledigen die Einkäufe. "Ich bin gut bekocht und versorgt worden." Am Ende infiziert sich ihr Mann nicht, was Felicitas Wollschläger sehr glücklich macht.

Gut zwei Monate nach der Infektion ist sie noch immer nicht vollständig genesen. Ihr Geschmacks- und Geruchssinn ist nicht ganz zurückgekehrt. Lacke, Farben und Chlor riecht sie nach wie vor nicht, ihr fehlen auch Teile bestimmter Aromen. Die Schlappheit und das Kopfweh sind vergangen, sie fühlt sich zu 80 Prozent wiederhergestellt. Ihr ist bewusst, dass sie eigentlich einen milden Krankheitsverlauf hatte: "Ich bin glimpflich davongekommen."

Seit einigen Tagen arbeitet Wollschläger wieder. Aber ab Mittag sinkt die Leistung rapide, die Konzentration lässt nach. Sie weiß dann: "Ich muss langsamer tun."

Die Corona-Leugner fordert sie auf, in einem Krankenhaus mitzuhelfen. Eine Bekannte von ihr arbeite in einer Intensivstation, deshalb wisse sie, was sich derzeit dort abspiele. Die Überzeugungen der sogenannten Querdenker lassen sie sprachlos zurück: "Man kann diese Leute mit Argumenten nicht überzeugen."

Sobald sie drankommt, will sich Wollschläger so schnell wie möglich impfen lassen. Das ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Allerdings taucht bei ihr ein weiteres rätselhaftes Phänomen dieser Krankheit auf: Bei einem Test waren keine Antikörper nachweisbar. Es ist unklar, warum dem so ist. "Diese Krankheit ist so neu, man kennt noch so wenige Fakten." Die Verläufe seien sehr unterschiedlich, deshalb sei es wichtig, gegenseitig Erfahrungen auszutauschen. "Andere Infizierte können sich gerne bei mir melden." Auch das ist ein Grund, warum Wollschläger so offen mit ihrer Infektion umgeht.

Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, ihre sozialen Kontakte weiterhin auf ein Minimum zu beschränken sowie die Abstands- und Hygieneregeln strikt einzuhalten. "Das ist zu meinem eigenen Schutz und zu dem der anderen." Denn nur, wenn sich die Menschen vernünftig verhielten, hätten wir eine Chance, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Gesellschaft benötige eine Kombination aus Impfung und Vernunft. Wenn sie die Bilder von Skifahrer-Horden sieht, dann schüttelt sie nur noch ratlos den Kopf. "Skifahren ist doch nicht lebensnotwendig, ich verstehe das nicht."

Wollschläger ist nicht übertrieben optimistisch, dass es rasch gelingen wird, die Pandemie einzudämmen. "Corona wird uns noch länger beschäftigen als uns lieb ist", prophezeit sie. "Denn dieses Virus nimmt keine Rücksicht."

ratCorona-Infizierte, die mit Felicitas Wollschläger Erfahrungen austauschen wollen, können an die E-Mail-Adresse f.wollschlaeger@spd-riedenburg.de schreiben.