Neuburg
Windpocken in der Asyl-Notaufnahme

Gesundheitsamt lässt Flüchtlinge impfen / Keine Ansteckungsgefahr für die Bevölkerung

24.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:09 Uhr

Zwei Einstiche musste der arme Kerl über sich ergehen lassen. Ein paar Tränen flossen, dann war es überstanden. Die Impfung in der Neuburger Kinderklinik soll diesen kleinen Schwarzafrikaner gegen Windpocken, Mumps, Masern und Röteln immun machen - Foto: Frank

Neuburg (DK) Ein Fall von Windpocken ist in der Notaufnahme-Unterkunft für Asylbewerber am Descartes-Gymnasium aufgetreten. Bislang der Einzige. Das Gesundheitsamt hat reagiert und lässt die Bewohner impfen. Die Neuburger Kinderklinik erwies sich als hilfreicher Partner.

Der Mann aus Eritrea kam bereits am Donnerstagabend in Neuburg an und war bei einer ersten ärztlichen Untersuchung und auch am Freitag noch völlig unauffällig. Am Sonntag hatte der Mann dann Fieber und Hautausschlag. Damit war die Diagnose klar. „Bislang haben wir keine weiteren Fälle“, sagt Medizinaldirektor Bernhard Schmid, der Leiter des Neuburger Gesundheitsamtes. Das kann allerdings noch kommen, denn Windpocken oder Varizellen sind sehr infektiös, die Inkubationszeit beträgt laut Robert-Koch-Institut acht bis 28 Tage, liegt in der Regel aber bei 14 bis 16 Tagen.

Das Gesundheitsamt hat auf den aktuellen Fall reagiert. Der Erkrankte wurde in die Kliniken St. Elisabeth eingeliefert und dort isoliert. Gestern wurden in einem Durchgang die 16 Kinder, die mit insgesamt 150 Asylsuchenden in den Turnhallen des Descartes-Gymnasiums untergebracht sind, im Kinderkrankenhaus gegen Mumps, Masern, Windpocken und Röteln geimpft. Die Behandlung in der Kinderklinik hatte der Landkreis aus organisatorischen Gründen einer Impfung bei niedergelassenen Ärzten vorgezogen. Die Kinder im Alter bis zu zehn Jahren kamen in Begleitung ihrer Eltern. Dolmetscher, der Medizinaldirektor und Mitarbeiter des Landratsamtes begleiteten die Asylsuchenden. „Es ist selbstverständlich, dass wir das übernehmen. Für uns war es keine Frage, dass wir das machen“, erklärte Stefan Seeliger, Chefarzt der Kinderklinik. Die Impfaktion lief routiniert und flott ab, ein paar Kindertränen gehörten naturgemäß auch dazu, aber nun haben die Kleinen ihren Impfschutz. Für die übrige Bevölkerung bestehe kein Anlass zur Sorge, sagte Seeliger. In unseren Breitengraden sind die meisten Menschen immun, entweder, weil sie die Varizellen bereits als Kinder hatten, oder weil sie dagegen geimpft worden sind. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass in Deutschland 95 Prozent der Erwachsenen Antikörper haben.

Das Gesundheitsamt hat das Personal, das mit den Asylbewerbern in Kontakt kam oder noch kommt, sowie die Schule von dem Windpockenfall informiert. Gesundheitsamtsleiter Bernhard Schmid hat in diesem Zusammenhang von Veranstaltungen mit der Schule oder Helferkreisen abgeraten, weil er kein Risiko eingehen möchte. Für die Dauer von zwei Wochen wird präventiv niemand aus der Notunterkunft verlegt und auch niemand neu aufgenommen.

Die Masse der Asylsuchenden sind junge Männer. Von ihnen haben erfahrungsgemäß 92 Prozent einen natürlichen Schutz vor Windpocken. Frauen und Kinder seien weniger häufig geschützt, erklärte Schmid.

Die 150 Flüchtlinge werden alle medizinisch unter die Lupe genommen. „Etwa 40 Leute pro Tag. Ende der Woche haben wir alle untersucht“, berichtet der Medizinaldirektor. Bislang, so stellt Schmid erleichtert fest, habe man keinen Fall von Tuberkulose entdecken können. Er hoffe, dass es so bleibt. Bereits am ersten Tag wurden mehrere Fälle von Krätze, medizinisch Scabies, festgestellt. Die Krankheit wird durch die Krätzmilbe verursacht, deren Weibchen sich durch die Oberhaut bohren und dort in Kanälen Kotballen und Eier ablegen. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel drei bis sechs Wochen. „Es waren 21 Fälle, und die haben wir alle sofort behandelt“, berichtet Schmid. Mit dem Auftragen des speziellen Medikamentes sterben die Milben ab, können also nicht mehr übertragen werden. In diesem Zusammenhang dankt der Gesundheitsamtsleiter dem Neuburger Dermatologen Bernhard Hildebrandt, der sich spontan bereiterklärt habe, am Freitag und Samstag mitzuhelfen. Auch andere niedergelassene Ärzte hätten ihre Hilfe angeboten.