Windenergie: "Nicht bei 100 Prozent aufhören"

20.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:06 Uhr
Drei Windräder könnten sich bald über Lindach erheben, wie die Fotomontage oben zeigt. Der Standort liegt im auf der Karte blau markierten Vorranggebiet zwischen Hohenwart und Pfaffenhofen. Bürgermeister Jürgen Haindl (rechtes unteres Foto, l.) und BEG-Chef Andreas Herschmann haben aber noch weiterführende Pläne. −Foto: Herschmann (2), Hofmann

Schon als er im vergangenen Herbst den möglichen Bau von drei Windrädern östlich von Lindach ankündigte, stellte Hohenwarts Bürgermeister Jürgen Haindl (FW) klar, dass ihm das nicht genügt. Er wollte die Stromerzeugung mit Wasserstoffherstellung verbinden. Nun ist die Idee offenbar auf dem besten Weg, sich zum Pilotprojekt auszuwachsen.

Das ist nachhaltig. Das ist grün. Wir können was bewegen!" Jürgen Haindl will über erneuerbare Energien, über die Mobilität von morgen und über den Kampf gegen den Klimawandel nicht nur reden, er will handeln. Und zwar so schnell es geht. So möchte er beim Thema Wasserstoffherstellung - in Deutschland ja mittlerweile ein erklärtes politisches Ziel - nicht irgendwann auf einen fahrenden Zug aufspringen. Er will einer von jenen sein, die diesen Zug so richtig in Bewegung setzen: "Wenn wir's selber machen können und wenn wir das jetzt anstoßen können", sagt Haindl, "dann fangen wir's halt mal an!"

Drei Windräder könnten auf Hohenwarter Gemeindegebiet in einem Bereich entstehen, den der Landkreis einst als Vorranggebiet für eine eben solche Nutzung festgelegt hat. Gleich daneben, bereits auf Pfaffenhofener Stadtgebiet, wäre Platz für weitere Anlagen (für die gibt es aber offenbar noch keine so konkreten Pläne). Die drei Hohenwarter Windräder sollen ihren Strom nicht nur ins Netz einspeisen, sondern ihn auch in einen Elektrolyseur schicken, in dem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Wasserstoff gilt als möglicher Treibstoff der Zukunft, den Sauerstoff könnte man in der Kläranlage gut gebrauchen. Und die bei dem Prozess entstehende Abwärme könnte Gewerbebetriebe oder ganze Wohnsiedlungen heizen. Das alles umweltfreundlich.

Und regional. Denn inzwischen hat Haindl die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Pfaffenhofen mit ins Boot geholt, die für den Windpark eine Bürgerbeteiligung organisieren könnte. Bekannt ist mittlerweile auch, wer der Privatmann ist, dem die Grundstücke gehören, auf denen die drei Hohenwarter Windräder gebaut werden sollen: Es ist der Eulenrieder Bauunternehmer Harald Walter.

Drei Windräder - eines für die Gemeinde, eines für die Bürger, eines für den privaten Grundstückseigentümer, der ganz in der Nähe wohnt und in Hohenwart seine Gewerbesteuer zahlt. Regionaler geht es kaum mehr, oder? Doch, natürlich. Indem die Hohenwarter ihren eigenen Strom auch selbst verbrauchen. Eine Art "Paartalstrom" schwebt Haindl da vor, und der soll für die Bürger, wenn sie die Windradl schon vor der Nase haben, auch um ein paar Cent billiger sein.

Ziemlich begeistert hört Andreas Herschmann Haindl zu: "Da haben wir einen Bürgermeister, der in die Zukunft denkt und nicht bei 100 Prozent aufhört", sagt der Vorstandsvorsitzende der BEG. Denn 100 Prozent Versorgungsgrad mit erneuerbaren Energien, übers Jahr gerechnet, hat Hohenwart längst erreicht. "Aber wir brauchen 200 bis 300 Prozent", erklärt Herschmann, "um Mobilität, Heizung und Wasserstoff realisieren zu können."

Da ist er wieder, der Wasserstoff. Denn künftig wird es nicht reichen, noch mehr Strom zu produzieren, um Elektroautos und Wärmepumpen betreiben zu können. Man wird auch einen neuen Treibstoff brauchen, zum Beispiel für den Schwerverkehr, wo Batterien zu schwer sind. Oder als Ersatz fürs Erdgas. Möglichkeiten gibt es viele, man muss sich nur trauen, sie aufzugreifen. Haindl will das machen. "Die Windradl sind der Anfang", sagt er. Dann komme der Wasserstoff. Und dann gehe es eigentlich erst richtig los. Könnte bald eine Flotte von Wasserstoff-Lkw von Hohenwart aus auf die Reise gehen? Gibt es vielleicht Möglichkeiten, den Wasserstoff, der ja ein Gas ist, durch ein Leitungsnetz zu leiten? Wie wäre das alles finanzierbar? Es sind neue Pfade, die Haindl da als Bürgermeister beschreitet. Herschmann, der ihn als "sehr mutig und sehr visionär" lobt, will ihn begleiten.

Doch zurück zu den Windrädern - die müssen ja erst mal stehen. Bevor der Marktgemeinderat für das Baurecht sorgt (im Rahmen des Verfahrens würden auch zahlreiche Behörden, unter anderem Natur- und Immissionsschutz ihre Stellungnahmen abgeben), will Haindl wissen, was die Hohenwarter Bürger von der Sache halten. Am vergangenen Donnerstag wurden die Pläne im Informationsblatt des Marktes veröffentlicht. Bisher, sagt Haindl, seien die Reaktionen durchwegs positiv gewesen.

Gebaut werden sollen die Windräder auf dem Mantelberg. Das Gebiet wurde vom Landkreis Pfaffenhofen als Vorrangfläche für die Windkraftnutzung ausgewiesen. Lindach als nächstgelegene Ortschaft ist rund einen Kilometer entfernt. Verwendet werden soll das Enercon-Modell E-138 mit 138 Meter Rotordurchmesser und 159 Meter Nabenhöhe. Laut Herschmann könnte jede Anlage 7 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen, genug für 2000 Haushalte. Drei Windräder könnten damit den gesamten Strombedarf von Hohenwart - Haushalte und Gewerbe - decken. Für die Anlagen und die Wege dorthin müssten 7500 Quadratmeter (oder 0,75 Hektar) bebaut werden - in einem Bereich, in dem bisher lediglich extensive Landwirtschaft betrieben wird.

Vom Hohenwarter Marktplatz aus wären die Windräder nicht zu sehen - von anderen Stellen im Gemeindegebiet aus aber schon. Das zeigen einige Fotomontagen, die Herschmann erstellt hat. Das ist nicht anders als bei den Toerring-Rotoren bei Englmannsberg - nur dass die in Privatbesitz sind. Für die neuen Anlagen würde die BEG ein Beteiligungsmodell anbieten, ähnlich wie beim Windpark im Gröbener Forst zwischen Gerolsbach und Aresing, bei dem Bürger dieser beiden Gemeinden einsteigen konnten. "Das ist für mich regionale Wertschöpfung und trägt dazu bei, unser Ziel einer dezentralen Energieversorgung zu erreichen", sagt Herschmann.

In drei bis vier Jahren könnten die Windräder - wenn die Bürger sie denn wollen - stehen. Bis dahin will Haindl seine Ideen zur Wasserstoffproduktion und allem, was damit zusammenhängt, weiterverfolgen und in konkrete Projekte gießen. Nun muss nur noch die Bundespolitik Ernst machen mit ihrer Vision von einem Deutschland als Innovationsführer in der Wasserstofftechnologie, um mit dem Hohenwarter Bürgermeister Schritt halten zu können.

SZ

Bernd Hofmann