Ingolstadt
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Wie es mit dem Altenheim weitergeht, ist ein Jahr vor dem historischen Stiftungsjubiläum noch ungewiss

06.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

Zimmer zu vermieten: Daniela Fahrmeier, Leiterin der Buchhaltung, zeigt auf den Nordtrakt des Altenheims in der Fechtgasse. Ein Teil des stiftungseigenen Komplexes wird derzeit nicht von Senioren, sondern vorübergehend von Pflegekräften, Studenten und Praktikanten bewohnt. Für das Heim soll im Frühjahr ein Sanierungskonzept beschlossen werden. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die altehrwürdige Heilig-Geist-Spitalstiftung steht vor einem großen Jubiläum. 2019 wird sie genau 700 Jahre alt. Derzeit mag allerdings keine rechte Feierstimmung aufkommen. Denn noch ist völlig unklar, wie die Zukunft der Stiftung zugunsten der Altenpflege gesichert werden kann.

Wer das Alten- und Pflegeheim in der Fechtgasse kennt oder selbst Angehörige dort besucht, der macht sich umso mehr Sorgen, weil zwar schon viel über die finanzielle Krise der Trägerstiftung bekannt wurde, aber wenig über mögliche Auswege aus dem Dilemma. "Wir wollen die Dinge schon transparent machen", beteuert Dirk Müller, "aber man muss auch bedenken, dass es Zeit braucht, um die Dinge aufzuarbeiten." Müller ist Rechts- und Ordnungsreferent der Stadt, hat aber in dieser Funktion - wie seine Vorgänger - auch einen Nebenjob, um den ihn derzeit keiner beneidet: Der Jurist ist für die Stiftungen verantwortlich.

Im März, so kündigt er an, soll im Stiftungsausschuss über ein Zukunftskonzept für das Altenheim in der Fechtgasse beraten werden. Ein Architekt habe den entsprechenden Auftrag bekommen. "Wir überlegen auch eine Mischform aus Teilabriss und Sanierung, aber unter Berücksichtigung der Kubatur." Nach Müllers Worten müsse die Einrichtung mindestens "120 bis 150 Plätze haben, um überhaupt wirtschaftlich zu arbeiten". Die derzeitige kurzfristige Vermietung eines Gebäudeteils an Studenten, Praktikanten und Pflegekräfte sei nur eine "Notlösung, damit wir Einnahmen erzielen".

In die Krise geraten ist die Heilig-Geist-Spitalstiftung wohl vor allem durch das Technische Rathaus, das ihr gehört und an die Stadt vermietet ist, also eigentlich regelmäßig gute Einnahmen bringen sollte. Doch das nach dem Krieg wieder aufgebaute Verwaltungsgebäude erweist sich derzeit eher als Belastung denn als Geldquelle. "Die Stiftung", glaubt Siegfried Bauer, "war noch nie so schlecht beieinander wie jetzt." Der ehemalige Stadtplaner hat jahrzehntelang selbst im Technischen Rathaus gearbeitet. Zusammen mit dem Sparkassen-Ruheständler Max Wanninger hat Bauer vor einigen Monaten einen Fragenkatalog an die Stadt geschickt. Tenor: Wie geht es weiter mit den stiftungseigenen Gebäuden und dem Komplex Fechtgasse? War die finanzielle Beteiligung am Neubau des Pflegeheims (Anna-Ponschab-Haus am Klinikum) gerechtfertigt?

"Die Stiftung", fordert Bauer, "muss für die Zukunft aufgestellt werden in einer Zeit, in der es der Stadt gut geht. Die Stiftung besteht jetzt bald 700 Jahre, es kann doch nicht sein, dass die den Bach runtergeht." Der frühere Stadtbedienstete war 1977 bei der Einweihungsfeier des Altenheims in der Fechtgasse selbst mit dabei. Heute lebt seine 93-jährige Mutter noch in dem sanierungsbedürftigen Komplex.

Mit einer Unterschriftensammlung hat die Rentnerin Edith Möller (64) schon im März 2017 im Rathaus Alarm geschlagen und auf die Nöte der städtischen Senioreneinrichtung aufmerksam gemacht. Damals hatte gerade die Schließung der Kurzzeitpflege allgemeine Empörung verursacht. "Die Leute haben so einen Hals", schimpfte die Ingolstädterin bei dem Fototermin mit dem Oberbürgermeister und den Referenten.

Aus heutiger Sicht, sagte Möller jetzt zum DK, sei das "schon ein Weckruf in die Fraktionen hinein" gewesen. "Aber die Sache tritt irgendwie auf der Stelle." Ihr Eindruck: "Man ist mit dem Stiftungsvermögen nicht sorgfältig genug umgegangen." Es gebe einfach keine Lobby für alte Leute. "Warum", so fragt sie, "sollen alte Leute aus dem Stadtbild verschwinden? Pro Kindergartenplatz müsste ein Altenpflegeplatz geschaffen werden!"

Die Sorge des Stiftungsreferenten Müller gilt momentan jedoch eher dem Problemfall Technisches Rathaus, wo es "leider einige unerwartete Verzögerungen" gegeben habe. Die hätten jetzt eine Art "Dominoeffekt" mit zusätzlichen Kosten: Dachsanierung verspätet, im Herbst Panne durch die mit Beton verstopften Abwasserrohre, Umzug der Stadtmitarbeiter aus dem Dachgeschoss in einen Teil des leer geräumten Altenheims zunächst verschoben, deshalb Ersatzvermietung an der Fechtgasse - klingt alles nicht so einfach.

Als nächstes soll die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft als Baubetreuerin in Aktion treten. Deren Technischer Leiter Alexander Bendzko kündigt im Technischen Rathaus die baldigen Gutachterarbeiten für eine "prüffähige Statik" an. Etwa an 30 Stellen müssten von einer Fachfirma Decken geöffnet werden. "Wir wollen in den laufenden Betrieb nicht zu sehr eingreifen, das kann man nur samstags machen." Erst wenn statisch alles in Ordnung sei und man ausreichend Sicherheit habe, so Bendzko, könne die schon längst geplante Dachsanierung beginnen.
 

Spitalstiftung: "Defizite seit 2011"

Ingolstadt (rh) Auszüge aus dem Rechenschaftsbericht, dem Haushalts- und Finanzplan des Stiftungsreferenten Dirk Müller, vorgelegt im Stadtrat am 5. Dezember 2017:

Rücklagen aufgezehrt: „In Folge der bereits mehrfach berichteten Ursachen (verminderte Mieteinnahmen, fehlende Zinserträge, hohe Instandhaltungsaufwendungen, Zinsbelastungen im Anna-Ponschab-Haus, Fachkräftemangel in der Pflege) erzielt die Stiftung seit dem Jahr 2011 Defizite. Dies setzt sich auch im Jahr 2016 fort. Die Gewinnrücklage der Stiftung Heilig-Geist-Spital wird von den Verlustvorträgen der Heime zum 31. Dezember 2016 aufgezehrt.“

Teure Dachsanierung: „Die für das Haushaltsjahr 2017 geplante Dachsanierung am Technischen Rathaus, kalkuliert mit Gesamtkosten von rund 2,5 Millionen Euro, verschiebt sich in das Jahr 2018/2019. Sie wird das Jahresergebnis in voller Höhe belasten.“

Weiter im Minus: „Bei unveränderter Angebotsausrichtung weist der Finanzplan 2019 bis 2022 ein Jahresdefizit des Altenheims Heilig-Geist-Spital von durchschnittlich 450 000 Euro aus. Es zeigt sich deutlich, dass eine wirtschaftliche Stabilisierung der Einrichtung ohne eine konzeptionelle und bauliche Neugestaltung des Altenheimes unter Berücksichtigung der aktuellen pflegerischen Entwicklungen, baulichen Vorgaben und Personalsituation in der Pflege nicht möglich ist.“

Pläne verschoben: „Umbaupläne für das Heilig-Geist-Spital im Gebäudeteil Nord, die in den Vorjahren mit insgesamt 4,7 Millionen Euro Baukosten im Finanzplan ab 2018 veranschlagt waren, wurden bis zur Verabschiedung eines Gesamtkonzepts fallen gelassen.“