Eichstätt
Willibald kam doch nicht in "wüstes Land"

13.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:46 Uhr

Bei der Übergabe der Festschrift in der Abtei St. Walburg: die beiden Herausgeber Klaus Kreitmeir (links) und Konstantin Maier (Mitte) mit Professor Ernst Reiter (rechts). - Foto: buk

Eichstätt (EK) Bisher war schon den Eichstätter Grundschülern zur Bistumsgeschichte klar: Als der Heilige Willibald nach Eichstätt kam, war hier "wüstes" und "unbebautes Land". Diese Sicht hat der Eichstätter Journalist Klaus Kreitmeir nun deutlich korrigiert.

Auf dieses Buch haben Interessenten lange warten müssen: Schon vor fast vier Jahren hatte es der Verlag erstmals angekündigt, immer wieder verschob sich sein Erscheinen. Seit einigen Wochen liegt die Festschrift für den verdienten Eichstätter Kirchenhistoriker-Emeritus Ernst Reiter nun endlich vor, ausgestattet mit dem für den Geehrten absolut treffenden Titel "Verwurzelt in Glaube und Heimat". Bei der Lektüre stellt man fest: Die Geduld des Wartens hat sich gelohnt – so mancher der zehn Beiträge wirft einen neuen Blick auf die Geschichte des Bistums und der Stadt Eichstätt.

Ackerbau und Viehzucht

Aufhorchen lässt der Beitrag zum "Eichstätter Raum bei der Ankunft Willibalds", dem der Verfasser Klaus Kreitmeir bescheiden den Untertitel "Versuch einer Bestandsaufnahme" beigab. Dabei korrigiert Kreitmeir die bislang übliche Sicht, dass Willibald in ein "wüstes" und "unbebautes" Land kam, in dem er zunächst selbst Wald zu roden hatte, um die Gegend bewohnbar zu mache – eine Sicht des Missionars, welche die Nonne Hygeburc (bislang sprachlich wohl unkorrekt als "Hugeburc" bekannt) in ihrer Willibalds-Vita grundgelegt hatte.

Kreitmeir kann dagegen mit Blick auf zahlreiche neuere Studien zeigen, dass der Eichstätter Raum durchaus kein unkultiviertes Gebiet war: Vielmehr bauten die Menschen hier bereits "Gerste, Roggen, Emmer und Hülsenfrüchte" an, sie hielten Schweine, Rinder, Schafe, teils auch Ziegen, Hühner, Gänse und Enten, betrieben Mühlen und stellten aus Jura-Bodenerz Eisen her: Es war also nicht erst Willibald, der laut Hygeburc den Menschen angeblich erst zeigen musste, wie man "in dem noch unbebauten Land den Pflug einstößt".

Die beiden Herausgeber stehen in enger Verbindung zum Geehrten: Klaus Kreitmeir, Jahrgang 1955, war einst wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Ernst Reiter am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und ist heute als Journalist tätig, insbesondere als Redakteur der Eichstätter Kirchenzeitung. Professor Konstantin Maier, Jahrgang 1949, folgte an der Katholischen Universität Reiter auf dem Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte nach.

Die Beiträge stammen von "Kollegen, Freunden, Schülern und Weggefährten" des Emeritus, der 1953 in Eichstätt zum Priester geweiht worden war und sich hier unter anderem im Diözesanarchiv, im Historischen Verein, vor allem aber an der Katholischen Uni engagierte, bereits seit 1983 aber auch als Spiritual von St. Walburg wirkt – weshalb Äbtissin Franziska Kloos dem Band ein zugleich einfühlsames wie respekterfülltes Geleitwort beisteuert, das sich dem Vorwort der Herausgeber anschließt. Die sehr ertragreichen kirchenhistorischen Beiträge sind in einen chronologischen Rahmen gespannt, der im achten Jahrhundert beginnt und zur Zeit der Kirche im NS-Staat endet.

Zum Auftakt steuert Karl-Heinz Rieder "Neue Aspekte zur ,Urbs‘ der Eichstätter Bischöfe" aus der Perspektive der Stadtkernarchäologie bei, ein Aufsatz, der mit etlichen Abbildungen (etwa von Eichstätts Straßen und Wegtrassen zur späten Merowingerzeit oder zum Bauplan der Domburg im späten 10. Jahrhundert) ausgestattet ist. Rieder gibt einen Überblick über die Forschungsgeschichte des 20. Jahrhunderts, stellt Ausgrabungsbefunde zur Baugeschichte Eichstätts im 10. Jahrhundert vor, um eine "Zwischenbilanz" zu ziehen.

Weitere Studien untersuchen speziellere Aspekte wie "die konfessionspolitische Sonderentwicklung der Anhauserhöfe" (Leo Hintermayr), "Die Beziehungen zwischen Eichstätt und Gammertingen dargestellt an der Familie der Herren von Speth von Zwiefalten" (Dorothea Ilisch), "Die mittelalterliche Wallfahrt der Gottesmutter vom Spindeltal" (Bruno Lengenfelder) oder "Predigtdrucke der UB Eichstätt" (Klaus Walter Littger) sowie "Die Geschichte der Eichstätter Domprediger vom Spätmittelalter bis ins 17. Jahrhundert" (Konstantin Maier).

Kampf der Abtei

Ferner geht es um den Kampf der Abtei St. Walburg gegen den staatlich verordneten Schulzwang in den Säkularisations-Jahren 1804/1805 (Sr. Maria Magdalena Zunker OSB) und um "Katholische Kirche und Nationalsozialisten in Ingolstadt" (Ludwig Brandl).

Klaus Kreitmeir / Konstantin Maier: Verwurzelt in Glaube und Heimat. Festschrift für Ernst Reiter. Friedrich Pustet Verlag Regensburg 2010 (Eichstätter Studien Band 58), 204 Seiten, Preis 34,90 Euro.