Wie kommt der Kiesel in die Wand?

09.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:40 Uhr

Mit welchen besonderen Steinen Häuser gebaut werden, demonstriert Sabrina Hohmann mit ihrer Arbeit "Impression". - Foto: oh

München (DK) Am Anfang war der Stein: Eine ganz ungeahnte Variante gegenwärtiger "Steinzeit" präsentiert die Münchner Architekturgalerie ab heute mit ihrer neuen Ausstellung, die unter diesem Titel ein bemerkenswertes Beispiel taufrischer "Kunst am Bau" präsentiert.

Bemerkenswert ist das Objekt – eine Wohnanlage mit 69 Einheiten in Isarnähe in München – nicht allein wegen des sehenswerten Ergebnisses, sondern auch wegen des anschaulich präsentierten kreativen Prozesses der Fassadengestaltung. Die Architekten Robert Meyer und Victoria von Gaudecker ließen sich zunächst von den 50er Jahren inspirieren – keine Sorge, die organischen Formen spielen eine untergeordnete Rolle, und Pastellfarben sind auch nicht zu sehen. Aber die damals so charakteristische "Kunst am Bau", bei der man keine Trennungslinie zwischen der architektonischen und der künstlerischen Aktion ziehen kann, faszinierte die beiden. So wurde der Bauherr, die auch durch eine Sammlung zeitgenössischer Kunst bekannte Münchner Südhausbau, dazu überredet, 2007 einen beschränkten Wettbewerb unter drei Künstlern auszuschreiben.

Siegerin wurde die 1966 in Ulm geborene Sabrina Hohmann mit einem ebenso einfachen wie poetischen Projekt, das den Titel "Impression" trägt. Hohmann entwarf für die insgesamt 800 Meter langen, in einzelne Platten geteilten Brüstungsbänder des horizontal gegliederten Gebäudes eine Art Relief, in dem Abdrücke von unterschiedlichen Isarkieseln die Hauptrolle spielen. Die Künstlerin begründete ihren Entwurf lapidar: Das Haus steht nahe an der Isar, die auf ihrem langen Weg aus dem Karwendel bis zur Donau die unterschiedlichsten Gesteinssorten mit sich und rund schleift. 69 Unikate suchte sich Hohmann zusammen, da es auch 69 Wohnungen im Haus gibt. Die Steine sollen noch mehr symbolisieren: So zufällig wie die Fragmente der Alpen an den Isarstrand gerieten, fanden auch die Menschen im Haus zusammen.

Zudem spielt das fließende Moment eine bedeutende Rolle. Die Brüstungsbänder umkreisen schwingend das Gebäude. Und so wird das Projekt auch eine Metapher für das Leben. Hohmann sagt dazu: "Für mich ist das Brüstungsband ein gestalterisches Element mit hohem Anspruch – ob es Kunst ist, weiß ich nicht genau. In unserem Fall wird der Anspruch aber gerade dadurch eingelöst, dass Architektur und Kunst nicht mehr zu trennen sind."

Das demonstrieren auch Katalog und Ausstellung auf eindringliche Weise. Der Besucher kann nachvollziehen, welch aufwendige und zugleich sparsame Prozedur zu den Steinabdrücken führte.

Architekturgalerie München, Türkenstraße 30, bis 26. September, Mo bis Mi 9.30 bis 19 Uhr, Do bis Fr 9.30 bis 19.30 Uhr, Sa bis 18 Uhr.