Eckersmühlen
"Wie kaputt sind wir eigentlich"

Politiker- und Experten diskutieren über Sucht

14.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Eckersmühlen (hka) Um Antworten auf die Frage "Wie kaputt sind wir eigentlich" ist es bei einer Veranstaltung des Kreisverbandes der Jungen Union, der CSU-Ortsgruppe Eckersmühlen und der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) gegangen.

Gästen waren die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler, Helmut Nawratil, Leiter der Bezirkskliniken Mittelfranken, Gerti Helmbrecht, Landesvorsitzende des Blauen Kreuzes Bayern, Allersbergs Bürgermeisterkandidat Christian Albrecht, Bezirksrat Ernst Schuster und Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer.

Schuster zeigte die Aufgaben der Bezirkskliniken auf. Diese seien weitgehend unbekannt, und die psychischen und seelischen Erkrankungen immer noch ein Tabu in unserer Gesellschaft. Erschreckend sei vor allem der Kinder- und Jugendbereich. Die Belastungen seien heute durch die Verschiebung von manueller hin zur digitalen Arbeit, von Frauen- und Männerrollen sowie das Leistungsleben bei Arbeit und Freizeit stark gestiegen, so Nawratil.

Marlene Mortler zitierte die Aussage eines Arztes: "Früher sind sie zur Kirche gegangen, heute kommen sie zu mir." Heute fehlten Rituale wie gemeinsames Essen. Bei Kindern müssten Eltern Grenzen setzen und Regeln aufstellen. "Überschreiten wir die Grenze und ist es belastend, was wir tun", fragte Edelhäußer. All das führe zu seelischen, psychischen Erkrankungen. Bei Computerspielen oder Internetshopping könne eine schleichende Abhängigkeit auftreten. Chancen und Risiken, "gilt es im Zeitalter von Internet und den digitalen Plattformen genau zu kennen", sagte Christian Albrecht.

Man müsse sich selbst Grenzen bei der Onlinebereitschaft setzen, sagte Helmut Nawratil. Heute stünden die Suchterkrankungen bei Kaufverhalten oder Internet hoch oben auf der Agenda. Hier sei die psychische Suchtberatung gefordert. Mit den Methoden der 1980er-Jahre komme man heute nicht mehr zurecht. Mit der psychiatrischen, genetisch-wissenschaftlichen Forschung gehe man neue Wege. Niederschwellige Angebote für die Patienten müssten ausgebaut werden, um stationäre Aufenthalte zu verringern.

Mortler sprach von "einmal abhängig, immer abhängig." Für Kinder und Eltern biete hier das externe Programm Klasse 2000 in Grundschulen gute Ansätze durch Aufklärung, Beratung und Verbesserung der Zusammenarbeit. Diese Prävention in der Schule sei sehr wirkungsvoll. "Wenn die Schulmedizin eingreifen muss, ist es meistens zu spät."

In der Abschlussrunde wurde deutlich, dass man über die Probleme offen reden müsse, dass man gute Freunde brauche, die ehrlich sind, dass es Schnittstellen brauche, um besser zusammenarbeiten zu können, dass in sechs Millionen suchtbehafteten Familien Kinder aufwachsen, dass die reine Alkoholsucht gesunken, aber die psychischen Behandlungen gestiegen seien.