"Wie ist das bloß gegangen"

27.10.2008 | Stand 03.12.2020, 5:28 Uhr

"Des war eine schöne Zeit": Hilde Finkenzeller (links) und Elfriede Brücklmayr entdecken Schulkameraden auf einem alten Klassenfoto.

Deimhausen (tsj) Bis zu 50 Schüler in einem Klassenzimmer, über alle Jahrgangsstufen: Für die Schüler der Zwergschule in dem 300-Seelen-Dorf Deimhausen sah bis 1969 so der Schulalltag aus. Am vergangenen Samstag trafen sich Ehemalige aus 43 Jahrgängen zum großen Schülertreffen.

"Alle Lebenden, die in Deimhausen eingeschult wurden, zusammenbringen": Das sei der Grund für das Schülertreffen der Geburtsjahrgänge 1920 bis 1962, so Sepp Mayr, einer der Fünf vom Organisationsteam. Vor einem Jahr hätten er, Marianne Rimbeck, Wendelin Reis, Erwin Reicheneder und Josef Schweiger den Entschluss gefasst, alle zusammenzutrommeln.

16 Sitzungen, fast 200 Einladungen und eine ganze Menge Vorbereitungsarbeit liegen zwischen der ersten Idee und der Umsetzung. Quasi als Lohn für die viele Mühe präsentierte sich der Oktober mit bestem Kaiserwetter, als sich am Samstagmorgen rund 140 ehemalige Schüler und sechs ihrer alten Lehrer vor dem Pfarrhaus versammelten.

Das Mitteilungsbedürfnis war enorm. "Eine ganze Klasse mit 50 Schülern aus acht Jahrgängen in einem Zimmer. Wie ist das bloß gegangen" Es sei sehr gut gegangen, bezeugen alle sechs anwesenden Lehrer aus den verschiedenen Epochen der kleinen Dorfschule. "Die Kinder waren so was von brav", schwärmt Franz Steuringer beim Mittagessen im Festzelt. 1969 hat er als letzter Lehrer in Deimhausen seine Zelte abgebrochen. Der Unterrichtsablauf wollte natürlich gut organisiert sein, weiß der lebensfrohe Pädagoge. Denn wenn es seinen Schützlingen langweilig wurde, kamen auch sie auf dumme Gedanken.

Der Unterrichtsablauf blieb über die Jahrzehnte ähnlich: Bei der heute 91-jährigen Lehrerin Anni Moser gab es Unterrichtseinheiten für die verschiedenen Jahrgangsstufen anno 1942 im Viertelstundentakt, gepaart mit Stillarbeit für diejenigen, die grade nicht dran waren. Außerdem seien die großen Schüler auch mal mit den jüngeren in die meist verwaiste Gemeindestube gleich nebenan geschickt worden, zum Lesen üben.

Die Anforderungen waren überschaubar: Im Prinzip sollte jeder nach seiner Volksschulzeit Lesen, Rechnen und Schreiben können. "Einen Selektionsdruck wie heute gab es nicht", schiebt Steuringer nach. Es sei vielmehr so gewesen, dass manche Eltern geradezu überredet werden mussten, um ihren begabten Spross auf eine weiterführende Schule im entfernten Schrobenhausen zu schicken, erzählt seine Kollegin Helga Schweiger. Bei den schlechten Verkehrsanbindungen damals gar nicht so einfach. In Deimhausen gab es bis Ende der 60er Jahre nicht einmal geteerte Straßen. Wenn es geregnet hat, führte der Weg von ihrem angemieteten Zimmer beim Hofbauer mit Gummistiefeln durch den Matsch in die Schule. Es kam schon vor, dass sie mit ihrem Auto richtig im Dreck stecken blieb, erzählt Heide Kriesch, die von 1962 bis 69 in den sechs Landschulen in und um Hohenwart als Lehrerin für Handarbeit und Hauswirtschaft auch in Deimhausen im Einsatz war.

Anni Moser legte im Winter 1942/43 den Weg von ihrem Zimmer in Hohenwart bis nach Deimhausen gleich mit den Skiern zurück, weil es mit ihrem Drahtesel kein Durchkommen gab. Eine Stunde habe die Lehrerin damals gebraucht, bis sie sich durch den Schnee gekämpft habe. Die meisten Lehrer wohnten jedoch mit ihren Familien in der Lehrerwohnung im Erdgeschoss des Schulhauses. "Die haben 24 Stunden auf uns aufgepasst", erzählt Thomas Ries verschmitzt – heute zweiter Bürgermeister von Hohenwart, damals war er der Lausbub, der von Lehrer Steuringer beim Fensterln erwischt wurde.

Unterricht und Alltag lagen nah beisammen im Dorf. Während der Schulzeit legte Lehrer Steuringer mit seinen Schülern den Fußballplatz an. Als er dann barfuß mit hochgekrempelten Hosen und dreckigen Füßen anschließend im Klassenzimmer den Unterricht fortsetzte, sei plötzlich unerwartet der Schulrat vor der Tür gestanden. Wider Erwarten gab es Lob vom Vorgesetzten für den alltagspraktischen Lerninhalt.

Die Klassenkameradinnen Elfriede Brücklmayr und Hilde Finkenzeller erinnern sich auch an einen Schuleinsatz zum Kartoffelkäfer sammeln. Es gehörte auch zum Schülerjob Holz aufzuschlichten, um im Winter Brennmaterial für den Kanonofen im Klassenzimmer zu haben. Die beiden erinnern sich auch an die Zeiten der Schulspeisung in den Nachkriegsjahren für die Flüchtlingskinder, die mit ihren Familien bei den Bauern des Ortes untergekommen sind. Günter Tritt ist einer von ihnen. "Gerammelt voll" sei das Klassenzimmer in den Jahren 1945 bis 50 gewesen erzählt er. Viele scheinen sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen zu haben. Die meisten seien noch in der Gegend geblieben, erzählt Marianne Rimbeck. Trotzdem sind auch Ehemalige dabei, die aus Rostock oder Wiesbaden anreisten, berichtet die Mitorganisatorin mit hochzufriedenem Blick in die ausgelassen plaudernde Gesellschaft.