Ingolstadt
Wie Ingolstädter Politiker die Kanzlerkandidatur der Union bewerten

12.04.2021 | Stand 23.09.2023, 17:56 Uhr
Markus Söder im Fokus: Nachdem sich die CDU-Parteispitze am Montag für Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union ausgesprochen hatte, rechnete mancher damit, dass der bayerische Ministerpräsident seine Ambitionen auf das Kanzleramt aufgibt. Dazu kam es aber nicht. Die CSU stärkte am Montag ihrerseits ihrem Kandidaten den Rücken. −Foto: Hauser / Archiv

Ingolstadt - Das Votum war eindeutig.

 

Das Präsidium der CDU und der Vorstand der Partei haben sich am Montag in Berlin demonstrativ hinter Armin Laschet gestellt und dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen so ihre Unterstützung als Kanzlerkandidat der Union zugesichert. Bei der Schwesterpartei CSU in München mag man das nicht unbedingt erfreut zur Kenntnis genommen haben, schließlich hatte auch der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder seine Bereitschaft für eine Kandidatur erklärt. Am Nachmittag traf sich auch das Präsidium der CSU, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch die Christsozialen sprachen sich danach klar für ihren Kandidaten aus, der weiter an seiner Bewerbung festhält. CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte die Voten von CSU und CDU gestern ein "erwartbares Ergebnis" und den "Beginn der Beratungen". Es bleibt also spannend.

Alfred Grob, der Vorsitzende der CSU Ingolstadt, hätte sich vor der Versammlung seiner Parteikollegen in München auch vorstellen können, dass sich Söder angesichts des Votums der CDU gegen eine Kandidatur entscheidet. Ein Schritt, den Söder "ohne Gesichtsverlust" hätte vollziehen können, ist Grob überzeugt. Dennoch sei der bayerische Ministerpräsident aus seiner Sicht "der bessere Kandidat". Schon alleine, weil der charismatische Franke Menschen für sich begeistern könne. "Viele haben im Augenblick das Bedürfnis nach jemandem, der die Sache in die Hand nimmt", ist Grob überzeugt. Und das sei Söder eindeutig mehr als Laschet, den Grob "eher als sachlichen Typen" einschätzt. Ein Verwalter eben. Sicher sei jedoch: "Wenn die Entscheidung gefallen ist, wird die Union geeint in den Wahlkampf gehen. "

 Reinhard Brandl, CSU-Bundestagsabgeordneter aus Eitensheim, zeigte sich vom eindeutigen Votum der CDU für ihren Kandidaten nicht überrascht. "Das war so zu erwarten", sagt er. "Trotzdem muss sich Laschet überlegen, ob er es wirklich machen will. " Brandl verweist auf die guten Umfrageergebnisse Söders. "Seine Zustimmung ist sogar in NRW größer als die von Laschet. " Auch in Nord- und Ostdeutschland gebe es viele, die den Bayern unterstützen würden. In der Unionsfraktion des Bundestags sympathisierten ebenfalls viele mit Söder. Darunter etliche Mitglieder der CDU. "Es freut mich jedenfalls, dass ein Kandidat der CSU in ganz Deutschland so viel Zustimmung bekommt. " Das habe sicher damit zu tun, dass der bayerische Ministerpräsident gerade in den vergangenen Monaten Durchsetzungskraft und Entscheidungsfreude bewiesen habe. "Und das waren nicht nur populäre Entscheidungen", betont Brandl. Diese Geradlinigkeit sei künftig auch bundesweit gefragt, wenn es etwa nach der Corona-Krise gelte, Modernisierung, Wirtschaft und Klimaschutz zu vereinbaren. "Dass er das kann, hat er in Bayern bewiesen. " Brandl rät der Union, sich noch "ein paar Tage Zeit zu nehmen", um die Kandidatenfrage abzuwägen. Dann allerdings sollte man rasch entscheiden. Schließlich müsse bald ein Wahlprogramm für die Union erstellt werden, und das "muss natürlich auf den Kandidaten angepasst sein. " Brandl hofft, dass dieser Kandidat Markus Söder sein wird.

Joachim Siebler, Bundestagskandidat des Grünen-Kreisverbands Ingolstadt, war noch vor der CSU-Präsidiumssitzung überzeugt, "das ist für Söder gelaufen". Das CDU-Votum sei eindeutig. Bereits die Vorsitzenden-Wahl der CDU sei mit der Frage verbunden gewesen, wer Kanzlerkandidat werden soll. Hätte die Partei sich jetzt gegen Laschet ausgesprochen, "würde sie ihren eigenen Ast absägen". Dafür sei die Partei aber viel zu machtbewusst. Für eine Unterstützung der CDU hätte Laschet Söder die Kandidatur antragen müssen, vermutet Siebler. Söder selbst ist Siebler noch nicht begegnet. Aber es scheint ihm, Söder sei "ein geborener Schauspieler. Er kann alle Rollen einnehmen. " Siebler meint, dass wohl die Bekanntgabe der Grünen bis diesen Montag einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin zu verkünden, dazu geführt habe, dass die Union bei dieser Frage nun selbst in die Gänge kommt. Sie sei getrieben und nervös. "Es wird höchste Zeit, dass die Gockelei ein Ende hat. " Sie habe die wichtigen Fragen, etwa in Bezug auf Corona, überlagert. Von ihm aus solle die Union die Kandidaten-Frage auch ruhig vor den Grünen klären. "Dann wird die Woche darauf über die Grünen gesprochen. "

 Christian De Lapuente, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Ingolstadt, hat eine klare Präferenz, was die Kanzlerschaft betrifft. Sie heißt allerdings weder Söder noch Laschet, sondern nachvollziehbarer Weise Olaf Scholz. Die Frage, mit welchem Kandidaten die Union in den Wahlkampf geht, sei im Augenblick ohnehin nicht entscheidend. "Angesichts der Corona-Pandemie gibt es für viele Menschen gerade wichtigere Themen", ist er überzeugt. Aber natürlich sei die Frage politisch interessant. Söder sei es gelungen, sich in der Pandemie als eine "Marke" zu präsentieren. "Er hat ja auch nicht alles falsch gemacht", findet De Lapuente. Als Beobachter der Kandidatenfindung bei der Union falle auf, dass es CSU und CDU bisher gelinge, die Sache "ohne großen Streit" zu betreiben. Ob es so bleibt, wird abzuwarten sein. "Wichtig ist, dass sie sich jetzt schnell einigen", betont De Lapuente. In Zeiten der Pandemie könne sich die Politik im Augenblick "nicht zu viele solcher Nebenkriegsschauplätze" leisten, mahnt er.

Hans Stachel, Vorsitzender der Freien Wähler in Ingolstadt, findet, Söder habe die "nötige Strahlkraft und vermittelt auch ein gewisses Maß an Aufbruchsstimmung, wenn man vom Politikstil der vergangenen Jahrzehnte weg möchte". Den verkörpere dagegen Laschet. "Ich glaube, dass die Bevölkerung nach jemandem sucht, der vorausgeht, im Sinne eines Machers. " Zwar sei auch in der Koalition von Freien Wählern und der CSU in Bayern "nicht immer eitel Sonnenschein", aber das sei normal, wenn zwei meinungsstarke Personen aufeinandertreffen, so Stachel mit Blick auf Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) und Söder. Wäre Söder als Kandidat überhaupt bundesweit vermittelbar? "Die Umfragewerte deuten darauf hin", sagt Stachel. Laschet und Scholz seien ein ähnlicher Politikertyp. Söder und Scholz wären unterscheidbarer. Er wolle keine Werbung für Söder machen und könne auch gut damit leben, wenn er nicht Kandidat werde, sagt Stachel. Aber: "Ich traue es ihm zu. "

DK

 

Christine Zinner, Johannes Hauser