Ingolstadt
"Wie ein Blitz aus heiterem Himmel"

Pfarrer Matthias Blaha verlor im frühen Kindesalter seine Eltern - und feiert an Allerheiligen Auferstehung

31.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:50 Uhr
Mit seinen Eltern auch lange nach deren Tod tief verbunden: Der Pfarrer von St. Anton, Matthias Blaha. Er war neun Jahre, als sein Vater starb, zwei Jahre später starb die Mutter. Unten ein Bild von Edeltraud und Franz Blaha aus dem Familienalbum. −Foto: Hammer/privat

Ingolstadt (DK) Er ist kein Kind von Traurigkeit: Matthias Blaha (48), seit zehn Jahren Pfarrer von St. Anton, erzählt im Gottesdienst schon mal einen Witz. Auch seine Faschingspredigten sind allseits beliebt. Dabei haben er und sein Bruder als Kinder einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Mit neun Jahren verloren sie den Vater, zwei Jahre später die Mutter. Dennoch ist Allerheiligen, jener Tag, an dem man traditionell der Verstorbenen gedenkt, für Pfarrer Blaha kein trauriger Tag.

Der 1. November, Allerheiligen, ist Pfarrer Matthias Blaha im wahrsten Sinne heilig. Der "Tag der Auferstehung", wie er sagt, an dem er als Pfarrer nach dem Gottesdienst die Gräber segnet, verbindet Blaha stark mit seiner eigenen Familiengeschichte. "Es ist kein trauriger Tag", sagt er. "Eher so was wie ein herbstliches Osterfest", bei dem es darum gehe, "an die Auferstehung der Verstorbenen zu denken". Der Gottesdienst, den er für Allerheiligen vorbereite, sei vom Thema Auferstehung geprägt. "Es wird ein fröhlicher Gottesdienst", sagt Blaha.

Dass er als Pfarrer an Allerheiligen arbeiten muss und das Grab seiner Eltern im etwa 200 Kilometer von Ingolstadt entfernten Langdorf im Bayerischen Wald deshalb nicht besuchen kann, stimmt ihn nicht traurig. Der Gräbergang habe für ihn nicht die erste Priorität. Er fahre öfter während des Jahres ans Grab. Die geistige Verbindung ist ihm viel wichtiger. Nicht erst, seit er Pfarrer ist, ist Blaha fest davon überzeugt, dass das Leben mit dem irdischen Dasein nicht zu Ende ist: "Ich habe eine sehr intensive Verbindung zu meinen Eltern. Ich weiß, dass sie leben und an meinem Leben teilhaben."

Matthias Blaha war neun Jahre alt und in der vierten Klasse, als eines Morgens seine Mutter in die Schule kam und ihm zusammen mit der Lehrerin mitteilte, dass der Vater nachts an einem Herzinfarkt gestorben sei. "Die Botschaft traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel." Obwohl der Vater schwer herzkrank war. Eben weil er krank war, habe er morgens oft länger geschlafen, sodass er und sein Bruder zur Schule sind, nichtsahnend, dass der Vater zu diesem Zeitpunkt tot im Bett lag.

Doch das Schicksal schlug zwei Jahre später noch einmal zu. Matthias und sein ein Jahr jüngerer Bruder Johannes fanden frühmorgens ihre erst 51-jährige Mutter leblos im Bett liegend. Sie war die zweite Frau seines Vaters, dessen erste Frau an Krebs gestorben war. "Sie hatte so einen leeren Blick und nicht mehr geschnauft", erinnert sich Blaha. Die Brüder hätten sofort gewusst, dass die Mutter tot sei. Weil sie vier Jahre zuvor schon einmal eine Gehirnblutung gehabt hatte und ihren Kinder daraufhin einschärfte, was im Notfall zu tun sei, riefen sie den Hausarzt an, der schließlich den Tod der Mutter feststellte und die beiden Kinder zunächst zu Nachbarn brachte. Dann verständigte er den Bruder der Verstorbenen, der mit seiner Frau und den beiden Kindern Markus und Judith in Auerbach in der Oberpfalz lebte. Der Onkel habe sofort, ohne wenn und aber, gesagt: "Ihr kommt zu uns." Für Matthias und seinen Bruder war das "eine ganz wichtige Botschaft". Die beiden wuchsen bei Onkel und Tante auf und wurden behandelt, wie die leiblichen Kinder auch: "Wir hatten die gleichen Pflichten wie sie, etwa bei der Hausarbeit, wir wurden geschimpft wie sie, wenn wir was angestellt haben, und wir hatten die gleichen Rechte wie sie." Bereits früher seien die beiden Familien in engem Kontakt gewesen. In den Ferien ging's nicht in den Urlaub, sondern zu den Verwandten. Wenn er heute gefragt werde, wo er herkomme, nenne er Auerbach als Heimatort.

Seinem Onkel und seiner Tante sei er sehr dankbar. Es sei schließlich nicht einfach, plötzlich statt zwei vier Kinder versorgen zu müssen. Aber sie waren jetzt eine Familie. Dankbar ist er auch dafür, dass Onkel und Tante nie den Anspruch hatten, von ihm oder seinen Bruder als "Mutter" oder "Vater" angesprochen zu werden. "Eine Person kann man nicht auswechseln. ,Mutter' und ,Vater', das sind Titel, die man nicht auf andere Personen überträgt." Im Haushalt habe auch die Oma gelebt. Für sie war der Tod der Tochter ein Trauma. "Es gibt nichts Schlimmeres, als erleben zu müssen, wie sein Kind stirbt", sagt Blaha. Ein Trost war es für Oma, zu wissen, dass die Enkelkinder gut versorgt sind.

"Wir waren gezwungen, uns mit den existenziellen Fragen des Lebens sehr früh auseinanderzusetzen", sagt Blaha. Dass er später einmal Pfarrer werden würde, hatte er damals noch nicht gedacht. "Wir haben uns gefragt, wie geht's nach dem Tod weiter? Wo sind die Eltern?" Da sei es für sie hilfreich gewesen, dass sie aus einem religiösen Elternhaus stammen. Natürlich sei auch er manchmal "auf Gott sauer gewesen". Doch "die Gewissheit der Auferstehung nach dem Tod war für mich keine Frage."

Wenn wir um einen Menschen trauern, sei dies ein Indiz dafür, dass dieser Mensch im Himmel ist, sagt Blaha. Der Pfarrer glaubt fest: "Wer im Leben Gutes getan hat, bekommt einen Platz im Himmel."

 

Ruth Stückle