Landkreis Roth
Wie die russische Invasion auf die heimische Wirtschaft durchschlägt

25.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:55 Uhr
Unter anderem aus Russland kommen die Schüttgutbehälter, die im Hintergrund von der Decke hängen. Für sein Aluminiumpulver, das Firmenchef Martin Grimm hier zeigt, muss er sich nun andere Rohstofflieferanten suchen. Doch der Markt ist "im Stress und zum Zerreißen gespannt", sagt Grimm. −Foto: Münch

Hilpoltstein/Roth - Corona ist noch längst nicht überstanden, da bricht schon gleich die nächste Katastrophe herein: Mit enormen Sorgen blickt Joachim von Schlenk, Vorsitzender des IHK-Gremiums im Landkreis Roth, auf die russische Invasion in der Ukraine. Auch Unternehmer wie Martin Grimm sind in heller Aufregung.

Joachim von Schlenk befürchtet, dass sich der Kriegsausbruch wie ein "Turboeffekt" auf die ohnehin schon beträchtlichen Lieferprobleme wegen der Pandemie auswirkt. Und der Landkreis Roth mit seiner ausgeprägten industriellen Struktur sei davon laut von Schlenk "überdurchschnittlich stark betroffen". Einerseits über die rasant gestiegenen Gaspreise, andererseits über vielen Rohstoffe, die aus Russland in den Landkreis Roth geliefert werden - vor allem Metalle wie Aluminium oder auch Nickel.

Ein gutes Beispiel, wie die Ukraine-Krise auf die heimische Wirtschaft durchschlägt, ist die Eckersmühlener Firma Grimm Metallpulver. Mit ihrem Aluminiumpulver beliefert sie bis nach Neuseeland die Baustoffindustrie, die daraus unter anderem Porenbetonsteine für den Hausbau macht. Firmenchef Martin Grimm wartet derzeit auf eine für Mitte März terminierte Lieferung von 24 Tonnen Aluminium aus Russland - eine Menge, die dem Materialbedarf des Unternehmens für zwei bis vier Wochen entspricht.

"Aber ich glaube, dass wir so schnell kein Aluminium mehr aus Russland bekommen werden", sagt Grimm, der übrigens auch Porenbetonwerke in der Ukraine beliefert. Seinen Informationen zufolge habe Russland schon damit begonnen, dass Rohstoffe wie Aluminium hauptsächlich der militärischen Produktion im eigenen Land vorbehalten bleiben. "Das war ja bei uns im Zweiten Weltkrieg nicht anders."

Für ihn als Unternehmer sei es jetzt die Aufgabe, sich anderweitig die Rohstoffe zu besorgen, damit er seine Anlagen in Eckersmühlen nicht vorübergehend drosseln muss. Dass die Preise auch für Aluminium gerade "durch die Decke" gehen, sei da noch das geringste Problem, sagt Grimm. "Die entscheidende Frage ist, was von anderen Anbietern überhaupt noch geliefert wird." Schließlich habe zuletzt eine ganze Reihe von mitteleuropäischen Schmelzöfen die Produktion heruntergefahren - und zwar wegen der hohen Gaspreise, die ebenfalls eine direkte Folge der Ukraine-Krise sind.

Zwei Lieferanten hätten ihn am Telefon schon ausgelacht, als er sich nach möglichen Aluminium-Mengen erkundigt hat. "Der ganze Markt ist im Stress und zum Zerreißen gespannt", sagt Martin Grimm, der wie Joachim von Schlenk auch noch ein weiteres Damoklesschwert für viele Unternehmen über der aktuellen Lage hängen sieht. Nämlich: Was passiert, wenn Russland - wie vom Westen angedroht - vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen werden würde? "Mit diesen Auswirkungen schlagen sich jetzt alle Unternehmer herum, die mit Russland zu tun haben", sagt Joachim von Schlenk, dessen tschechisches Werk etwa seit einem halben Jahrhundert zuverlässig aus Russland beliefert wird. "Eine solche Sicherheit waren wir bis jetzt gewohnt", sagt von Schlenk. "Aber spätestens jetzt merken immer mehr Menschen, wie abhängig wir von dieser Stabilität geworden sind." Und was ein Krieg aus dieser Stabilität macht.

HK

Jochen Münch