Schrobenhausen
Wie der Vater, wie die Söhne, wie die Brüder

19.02.2021 | Stand 23.09.2023, 5:07 Uhr
Eine explosive Atmosphäre: Heimspiele von Panathinaikos Athen im Olympiastadion (Bild) sowie im Apostolos-Nikolaidis-Stadion sind stets etwas Besonderes. Kostas Pitsias genoss diese Stimmung auch schon einige Male live vor Ort. −Foto: Imago Images

Schrobenhausen und Athen sind exakt 1546,07 Kilometervoneinander entfernt. Aber für Kostas Pitsiasist die griechische Hauptstadt fußballerisch gesehen quasi um die Ecke - denn dort ist sein Lieblingsklub beheimatet,dort kickt Panathinaikos regelmäßig um Punkte sowie Titel.Dass dies die jüngsten Jahrzehnte nicht wirklichnach Wunsch klappte, dass den Seinen vom Erzrivalen Olympiakos Piräus immer wieder in die Suppe gespuckt wurde - kein Problem für den 47-Jährigen.Der Gastronom bleibt seinen "Grünen" trotzdem hundertprozentig treu und verfolgt ihren Weg ebenso leidenschaftlich, wie er seinen aktuell in der Bezirksliga kickenden Sohn Nikolaos unterstützt beziehungsweise wie er regelmäßig allerhand Leckereien in seiner Küche zaubert.

 

Traditionen haben im Leben von Kostas Pitsias einen großen Stellenwert. Also taufte er sein zweites Restaurant in Pöttmes folgerichtig "Santorini", nachdem sein er-stes in Schrobenhausen "Samos" heißt. "Sie sollten jeweils den Namen einer griechischen Insel bekommen", erklärt der 47-jährige Gastwirt aus Leidenschaft. Und nicht etwa "Panathinaikos" genannt werden - obwohl Pitsias mindestens mit ebenso viel Leidenschaft Fan dieses Traditionsfußballklubs ist. "Aber falls ich irgendwann mal eine reine Kneipe eröffnen würde, wäre das vielleicht doch eine gute Idee", sagt er lachend.

Denn Panathinaikos ist für ihn weit mehr als nur ein Verein aus Athen, er stellt für Pitsias ein Stück Heimat dar. Schließlich war er einst, im Jahr 1974, in Griechenland auf die Welt gekommen und verbrachte dort auch die er-sten zehn Jahre seines Lebens, ehe er mit der Familie nach Bayern ging. Aber wieso ausgerechnet der Hauptstadtklub? Seine Heimat würde doch noch einige andere Top-Vereine bieten. PAOK Saloniki etwa. Oder Olympiakos Piräus, das dort den nationalen Fußball nach der Jahrtausendwende beinahe nach Belieben beherrscht, das zwischen 2000 und 2020 gleich 17-mal Griechischer Meister wurde. "Ganz einfach, weil wir in unserer Familie alle Panathinaikos-Fans sind", erklärt Pitsias: "Egal, ob mein Vater Nikolaos, alle meine Brüder oder jetzt meine beiden Söhne - für uns gibt es nichts anderes." Womit wir eben erneut bei den Traditionen in seinem Leben sind. Und Grün gegen Rot, Panathinaikos gegen Olympiakos - dieser irgendwie ewige Zweikampf im Fußball seines Geburtslandes gehört auf jeden Fall dazu.

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Natürlich, besonders die beiden jüngsten Jahrzehnte waren dabei extrem hart, denn so wirklich viel zu gewinnen gab es für den Lieblingsverein von Pitsias in dieser Zeit nicht. "Nur" zwei mickrige Meistertitel in Griechenland (2004, 2010), "nur" drei nationale Pokalerfolge (2004, 2010, 2014), während der verhasste Erzrivale aus der unmittelbar benachbarten Hafenstadt von Triumph zu Triumph eilte - das tat auch dem Edelfan aus Schrobenhausen sehr weh. "Olympiakos ist in Griechenland schlimmer als der FC Bayern in Deutschland", berichtet er: "Seine Überlegenheit macht niemandem mehr Spaß - außer vielleicht seinen eigenen Anhängern." Wäre es da nicht an der Zeit, eventuell umzusatteln und einem anderen Verein die Daumen zu drücken - vielleicht sogar einem aus Deutschland? Mit so einer Frage erntet man bei Pitsias nur einen bitterbösen Blick, gepaart mit einer Riesenportion Unverständnis: "Als echter Fan muss man auch leidensfähig sein - und sich nicht wie eine Fahne im Wind verhalten. Wer mit seinem Klub nicht auch durch schlechte Phasen geht, von dem halte ich absolut nichts."

 

Wobei Panathinaikos eben nicht nur ein Klub sei, sondern zudem griechischer Stolz pur. "Wenn ich allein daran denke, wie wir 1971 im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister gestanden waren - im legendären Londoner Wem-bleystadion, gegen Ajax Amsterdam. Nun gut, am Ende verloren wir mit 0:2 - aber wir sind bis jetzt der einzige Verein aus unserem verhältnismäßig kleinen Fußballland geblieben, der überhaupt mal in das Finale dieses Wettbewerbs kam", erzählt Pitsias mit leuchtenden Augen. Dass er in jenem Jahr noch überhaupt nicht geboren war, dass er das historische Match also überhaupt nicht live miterlebt hatte - völlig egal. Als gestandener Panathinaikos-Anhänger spricht man trotzdem davon - weil eben auch das eine gute Tradition ist.

Die Saison 1995/96, als die Athener bis ins Halbfinale der Champions League durchmarschierten und dort zudem noch das Hinspiel bei Ajax Amsterdam mit 1:0 gewannen, gehört ebenfalls zu jenen Highlights, an die man sich im Fanlager der "Grünen" liebend gerne zurückerinnert. Nun gut, das Rückmatch im eigenen Stadion ging dann zwar mit 0:3 verloren - aber immerhin. "Man kann es nur immer wieder betonen: Für griechische Verhältnisse waren das sensationelle Erfolge", erklärt Pitsias.

Bloß seitdem hat sich viel verändert. Und ja, es gab auch Phasen, in denen der mittlerweile 47-Jährige überhaupt nicht damit einverstanden war, was ganz allgemein in Sachen Fußball in seinem Heimatland passierte. "Es gab da tatsächlich einige Jahre, in denen ich mich komplett weigerte, die nationale Meisterschaft zu verfolgen. Da ging es in der griechischen Liga drunter und drüber, da herrschte allerorts Korruption. Nein, das machte überhaupt keinen Spaß mehr", erinnert sich Pitsias.

 

Aber auch diese Zeiten gehören "Gott sei Dank" schon lange der Vergangenheit an. Und der zweifache Restaurantbesitzer aus Schrobenhausen beobachtet inzwischen wieder mit voller Leidenschaft "sein" Panathinaikos. "Seit der Corona-Krise tue ich das sogar mehr denn je", berichtet er: "Denn inzwischen habe ich mir ein TV-Paket inklusive Receiver zugelegt, das alle Partien aus unsere Superleague Ellada überträgt - ähnlich wie Sky hier in Deutschland. Dadurch bin ich mehr denn je über alle fußballerischen Ereignisse in Griechenland bestens informiert."

Gerade am vergangenen Sonntag saß Pitsias voller Freude vor dem heimischen Fernsehgerät: 2:1-Heimsieg gegen das verhasste Olympiakos - was war das für eine Genugtuung für die geschundene Panathinaikos-Fanseele! Aber so hundertprozentig glücklich wirkt der Schrobenhausener dennoch nicht. "Das Problem ist, dass wir momentan nicht einmal mehr die zweite Kraft in Griechenland sind, Aris Saloniki, AEK Athen und selbst PAOK befinden sich in der Tabelle aktuell vor uns", erklärt er. Das gehe eigentlich gar nicht.

Aber es bleibt ja weiterhin die Hoffnung auf eine gute Zukunft. "Und der Verein nimmt tatsächlich Strukturen an", glaubt Pitsias festgestellt zu haben. So sei mittlerweile eine neue Arena für 30000 bis 40000 Zuschauer geplant, die das altehrwürdige, aber viel zu kleine Apostolos-Nikolaidis-Stadion ablösen soll. Zugegeben, bei wichtigen Partien zog Panathinaikos immer wieder ins Athener Olympiastadion um - aber jenes gilt eigentlich als ständige Heimat des Lokalrivalen AEK.

 

Und die Rivalität im Fußball - sie scheint in Griechenland sogar noch ausgeprägter zu sein als in den meisten anderen Nationen. Pitsias findet das allerdings nicht schlimm: "Ganz im Gegenteil. Sie ist die Würze, die unbedingt dazugehört. Nein, ohne Lästern geht es nicht - so lange es im Rahmen bleibt und nicht beleidigend wird."

Der 47-Jährige fachsimpelt ganz allgemein sehr gerne über Fußball, verfügt in dieser Hinsicht über ein enormes Fachwissen. Wobei dies kein Wunder ist, schließlich war der jetzige Schrobenhausener über einige Jahrzehnte hinweg selbst aktiv gewesen - und das sogar zum Teil sehr hochklassig. So hatte Pitisias in seiner A-Jugendzeit beim namhaften FC Augsburg gekickt, ehe er auch in Griechenland nochmals sein sportliches Glück suchte - und in der dortigen Zweiten beziehungsweise Dritten Liga auf Torejagd ging. "Das ganz große Geld verdiente ich hier jedoch nicht, also ging ich wieder zurück zu meiner Familie nach Deutschland", berichtet der inzwischen 47-Jährige. TSV Dasing, TSV Hohenwart, SV Karlshuld und schließlich TSV Weilach hießen dort dann seine nächsten Stationen - ehe er vor rund zehn Jahren seine Karriere im offiziellen Punktrundenbetrieb beendete.

"Aber Fußball wird immer meine große Leidenschaft bleiben", verrät Pitsias mit leuchtenden Augen: "Das ist wie ein Virus, das dich dein gesamtes Leben lang befällt." Dementsprechend ist für ihn klar: "Nachdem ich vor rund zweieinhalb Jahren gesundheitlich sehr angeschlagen war, muss ich in nächster Zeit dringend etwas abnehmen, muss mein jetziges Gewicht reduzieren, damit ich zumindest wieder in der AH ein bisschen kicken kann. Der Grasgeruch fehlt mit tatsächlich sehr."

Wobei er vor der Corona-Zwangspause doch ausgesprochen oft am Fußballplatz stand - nämlich immer dann, wenn sein Sohn Nikolaos für den TSV Hollenbach in der Bezirksliga Schwaben Nord spielte. "Bei seinen Partien leide ich sogar noch mehr mit, als das bei den Matches von Panathinaikos der Fall ist", gibt der stolze Papa zu. Und er lobt seinen Filius, der übrigens traditionell exakt so getauft wurde wie der Opa, in den höchsten Tönen: "Er hat definitiv das Zeug, den näch-sten Schritt nach oben zu gehen. Er muss sich halt weiterhin auch körperlich plagen und den gleichen Biss entwickeln, den ich damals besaß."

Wenn der inzwischen 47-Jährie etwas macht, dann immer leidenschaftlich, voller Hingabe. Und das gilt nicht nur für den Fußball an sich beziehungsweise für sein Dasein als Panathinaikos-Anhänger. Pitsias ist eben auch Gastronom, ist Koch mit ganzem Herzen. Seine besondere Spezialität, wenn er im "Samos" am Herd steht? "Eigentlich alles", sagt er lachend: "Wobei ich Moussaka besonders gerne zubereite. Außerdem liebe ich Schweinefleisch, weil dies wie ein leeres Blatt Papier ist, auf dem du wirklich alles zeichnen kannst." Einen Panathinaikos-Teller gibt es übrigens noch nicht auf seiner Speisenkarte. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja nach dem nächsten Titelgewinn der "Grünen"...

SZ

Roland Kaufmann