Wettstetten
Wie aus Holzhackschnitzeln Strom wird

Wettstettener Gemeinderäte informierten sich im biomassebefeuerten Holzenergiewerk der Stadt Kelheim

18.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:44 Uhr |
Mitglieder des Wettstettener Gemeinderats informierten sich im Biomasse-Heizkraftwerk der Stadt Kelheim über dessen Funktionsweise. − Foto: Gülich

Wettstetten/Kelheim - Wie sieht ein Holz-Heizkraftwerk aus?

Wie funktioniert es? Was ist davon in unmittelbarer Umgebung zu hören, zu sehen und zu riechen? Um diesen Fragen auf die Spur zu kommen, haben zwölf der Wettstettener Gemeinderäte sowie Bürgermeister Gerd Risch (FW) vergangene Woche auf Einladung der Firma Prolignis das 2011 in Betrieb gegangene biomassebefeuerte Holzenergiewerk der Stadtwerke Kelheim besucht. Dieses versorgt die Stadt Kelheim durch das Verbrennen von Holzhackschnitzeln mit jährlich 11400 Megawattstunden (MWh) Biowärme, zusätzlich werden pro Jahr 2200 MWh ins Stromnetz eingespeist.

Die Anlage erscheint erstaunlich einfach: Ein großer Hof, eine Lagerhalle für die Hackschnitzel, gegenüber das eigentliche Gebäude, dessen Schornstein 23 Meter hoch in den Himmel ragt. Betriebsleiter Cetin Yasasin erklärt zusammen mit der Geschäftsführerin der Kelheimer Stadtwerke, Sabine Melbig, den Ablauf: Ein mit Hackschnitzeln beladener Lastwagen kommt, wird gewogen, die Qualität seiner Ladung kontrolliert. Um den Wassergehalt der Lieferung bestimmen zu können, wird eine Probe für 24 Stunden in einem Trockenschrank aufbewahrt. Das Wichtigste für Yasasin: "Das Mischverhältnis muss passen, wir brauchen so homogenes Material wie möglich. " Dabei achtet er vor allem auf zwei Komponenten: die Beschaffenheit der Schnitzel und deren Wassergehalt.

Ein Radlader bringt die Hackschnitzel von der offenen Lagerhalle, wo der Anliefer-Lkw sie abgeladen hat, zum Schubboden des Kraftwerks, von wo sie mit einer automatischen Fördereinrichtung in die Feueranlage gezogen werden. "Das Prinzip dann ist so ziemlich das gleiche wie beim guten alten Lagerfeuer", erläutert Prolignis-Projektleiter Helmut Hoffmann. In der Kelheimer ORC-Anlage wird durch das Feuer Thermalöl in einem geschlossenen Kreislauf stark erhitzt. Dieser erwärmt einen zweiten Kreislauf, in dem Dampf entsteht, der wiederum mit hoher kinetischer Energie eine Turbine in Rotation versetzt. Über einen angekoppelten Generator wird diese Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt. Die in Wettstetten geplante Anlage würde mit einem Wasserdampfkreislauf arbeiten. Hoffmann erklärt: "Das System funktioniert wie die vor 200 Jahren erfundene Dampfmaschine. " Der gewonnene Strom wird ins Netz eingespeist, zusätzlich kann die Wärme genutzt werden: ein klassischer Kraft-Wärme-Kopplungsprozess.

Der Prolignis-Mann berichtet, wie die Verbrennung abläuft und was CO2-Neutralität bedeutet: Bei der Verrottung oder Verbrennung gebe Holz das im Lauf seines Lebens gespeicherte CO2 zwar wieder ab, aber insgesamt wachse im gleichen Augenblick mehr Holz nach, als verbrannt werde, dadurch sei die CO2-Bilanz ausgeglichen. Im Gegensatz zu den fossilen Brennstoffen, die die Natur in Millionen von Jahren eingelagert habe, die nun aber innerhalb von zwei- oder dreihundert Jahren wieder aufgebraucht würden.

"Was passiert mit der im Verbrennungsprozess entstehenden Asche? ", möchte ein Gemeinderat wissen. Die Rost- und Kesselasche, die voller Mineralstoffe sei, die der Baum Zeit seines Lebens aufgenommen habe, werde zum Beispiel von Bio-Landwirten als Dünger verwendet. "Das Entscheidende ist die Rückführung in den Naturkreislauf", so Hoffmann. Die Filterasche müsse in Silos deponiert werden, könne aber auch beim Straßenbau verwendet werden.

Die Wettstettener Gemeinderäte sehen den Hackschnitzel-Einzug am Schubboden auch von innen, werfen einen Blick in den Ofen, in dem das Feuer bei rund 950 Grad lodert. Sie besuchen die Leitwarte, wo der gesamte Prozess technisch überwacht wird, informieren sich, wie das Anfeuern geht, was man im Sommer mit der überschüssigen Wärme macht, wie im Winter, wenn der Energiebedarf am größten ist, zusätzliche Wärme bereitgestellt werden kann und was zum Beispiel bei einem Stromausfall passiert. Werksleiter Yasasin berichtet von den Emissionsüberprüfungen durch das Landratsamt, zeigt die Schaltzentrale, Spitzenlastkessel, Generator und Turbine.

Größter Unterschied zu der in Wettstetten geplanten Anlage ist die Größe des Projekts: Wettstetten würde ungefähr das Sechsfache an Strom und Wärme liefern. Dieser Umfang ist festgelegt, da das Holzenergiewerk den Ingolstädter Autobauer Audi mit Wärme versorgen soll. Während Kelheim in Spitzenauslastungszeiten einen Erdgaskessel einsetzt, um die Wärmeversorgung sicherstellen zu können, sollen in Wettstetten zwei zusätzliche Heißwasserkessel in Betrieb gehen, die nach dem derzeitigen Planungsstand mit Altholz der Klassen A1 und A2 befeuert würden - ein für einige Gemeinderäte kritischer Punkt.

In Sachen Geräusch- und Geruchsemissionen sind nach dem Besuch alle beruhigt, zumal der Transport der Hackschnitzel in den Ofen, der in Kelheim in der offenen Halle mit Radladern erfolgt, in Wettstetten in einer geschlossenen Halle komplett über ein Kransystem laufen soll, um eine Lärmbelastung zu vermeiden, so Prolignis-Geschäftsführer Mayinger. Er weist darauf hin, dass man beim Gespräch neben einer Anlage stehe, "die bei voller Performance in Betrieb ist". Zu hören ist lediglich ein leises Surren sowie ab und an ein Quietschen. Es riecht schwach nach Wald.

Wie war der Gesamteindruck der Gemeinderäte? "Ich war sehr positiv von der fast nicht wahrnehmbaren Geräuschentwicklung der Anlage überrascht und fand die Erläuterung der technischen Abläufe äußerst informativ", fasst Bürgermeister Risch zusammen. Dem stimmen alle zwölf nach Kelheim gekommenen Gemeinderäte zu. SPD-lerin Carmen Schmidl fügt an: "Wenn wir jetzt die Themen Verkehr und Nahwärme noch positiv regeln können, würde meiner Meinung nach der Umsetzung nichts mehr im Wege stehen. " Sowohl Josef Strasser (CSU) als auch Ralf Wittmann (BWG) betrachten allerdings mit Skepsis den Betrieb der mit Altholz beheizten Spitzenlastkessel. "Das steht für mich nicht mit dem propagierten Umweltgedanken in Einklang und ist deshalb zu 100 Prozent abzulehnen", hält Wittmann fest.

Straßer geht auf das Thema Energiewende ein: "Wir haben uns zur Prämisse gesetzt, einen Beitrag dazu zu leisten, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Hier könnten wir unseren Beitrag dazu erbringen. " Gemeinderätin Johanna Pfersich (FW) ergänzt: "Von dem Gedanken ?Grüne Energie ja - aber bitte nicht vor unserer Haustür' müssen wir uns verabschieden. "

DK

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