Pfaffenhofen
Wichtel sind auch Liebesboten

Kleines Jubiläum: Seit zehn Jahren überbringen die Weihnachtswichtel Geschenke

05.12.2018 | Stand 25.10.2023, 10:34 Uhr
Unterwegs bei Eis und Schnee: Die Wichtel wie Sabrina Beck verteilen die Geschenke bis Weihnachten bei jedem Wetter. −Foto: Schnapp

Pfaffenhofen (PK) "Der Wichtel", heißt es im Online-Lexikon Wikipedia, "ist ein kleines Phantasiegeschöpf, das vor allem in nordischen Sagen Gutes tut". Bitte? Der Wichtel - ein Hirngespinst? Wer auch immer diesen Beitrag verfasst hat, ist herzlich eingeladen, sich selbst zu überzeugen: Der Wichtel lebt, auf dem Christkindlmarkt hat er seine Hütte bezogen. Und das jetzt schon im zehnten Jahr!

Die Idee war damals, 2008, entstanden, als es auf dem Hauptplatz noch gar keinen Weihnachtsmarkt gab. Bis dahin waren im Advent auf dem Urban-Parkplatz an der Löwenstraße eine Handvoll Buden aufgebaut. Da geht mehr, dachten sich SPD-Chef Markus Käser und der Software-Unternehmer Fabian Stahl. Auf einer gemeinsamen Autofahrt diskutierten sie eine Aktion für den Verein lebendige Innenstadt, bei der Stahl Präsident ist. Der hatte sich zum Ziel gesetzt, das Pfaffenhofener Zentrum attraktiver zu machen. Das neue Vorhaben sollte charmant sein, einen kostenlosen Lieferservice für Innenstadt-Läden mit einem sozialen Aspekt und einer Attraktion verbinden. Noch vor der Autobahnausfahrt Schweitenkirchen stand die Idee - das Weihnachtswichteln war geboren.

Und so funktioniert es: Wer anderen nach dem Motto "Heimlich teilen, heimlich schenken, ohne an sich selbst zu denken" eine Freude machen will, der kauft in einem der teilnehmenden Innenstadtgeschäfte ein Geschenk, gibt es unter Vorlage des Kassenbons im Wichtelhäuschen mit der Adresse des zu Beschenkenden ab - und alles andere erledigen die Wichtel. Kostenlos. Für anderswo besorgte Geschenke fällt eine Gebühr von 2,50 Euro an. Die Wichtel packen die guten Gaben in Säckchen und fahren sie im Umkreis von 20 Kilometern kostenlos aus.

Käser bezeichnet sich als den "Urwichtel", weil er damals als erster ins Wichtelwams schlüpfte und Geschenk-Säckchen zwischen Baar-Ebenhausen und Gerolsbach, Hohenwart und Schweitenkirchen ausfuhr. Und mehr noch: Früher traten die Wichtel in den Geschäften auf. Käser erinnert sich: "Ich stand bewegungslos im Schaufenster, und wenn ein Kind vorbeikam, wackelte ich mit den Armen." Das hat er offenbar ziemlich gut gemacht, noch heute werde er darauf angesprochen.

Wichtel fast der ersten Stunde ist auch die Grünen-Chefin Kerstin Schnapp. In schweren Stiefeln, angetan mit weitem Wams, dickem Schal und krempeliger Zipfelmütze in den Pfaffenhofener Stadtfarben blau und gelb sitzt sie in der Wichtel-Hütte: In der Ecke sind Holzscheite gestapelt, von der Decke baumelt an Tannengrün Weihnachtsdeko: Tannenzapfen, Strohsterne, bunte Engelchen. Eine Christkindlmarkt-Besucherin schneit herein, zwei Päckchen unterm Arm. Ihren Namen will sie nicht verraten ("Wichtel-Geheimnis!"), nur so viel: Ihre Tochter wohnt in München, und in deren Auftrag hat sie jetzt zwei Geschenke gekauft, für die Patentante in Scheyern und die Oma in Gerolsbach. Was in den Päckchen drin ist? Unzulässige Frage, die auch der Wichtel nicht stellt. Böse Überraschungen hat es offenbar bisher noch nicht gegeben, obwohl damals eine Zeitung unkte, dass schon die alten Trojaner Probleme mit einem geschenkten hölzernen Pferd hatten, in dessen Bauch sich griechische Soldaten versteckt hatten, um dann die Stadt einzunehmen.

Nur manchmal sind die Überraschungen zu offensichtlich. Einmal, erzählt die Wichtelin, die von drei weiteren Helfern unterstützt wird, mussten sie einen Schreibtisch überbringen. Der lässt sich ja nur schwer in Geschenkpapier verbergen. Ein andermal wuchtete sie sich mit Hanteln ab, "man ahnt ja nicht, wie schwer die sind". Federleicht dagegen war ein Liebesbrief, dessen Absender ihn sehr üppig mit seinem After Shave parfümiert hatte.

Die Wichtel sind winterfest. Sie fahren bei jedem Wetter, und wenn es zeitlich eng geworden ist, dann ausnahmsweise auch noch an den Weihnachtsfeiertagen. Manche Empfänger werden nämlich öfter bewichtelt, wie etwa ein älterer Herr, bei dem Schnapp immer wieder neue Säckchen vorbeitrachte oder an die Türklinke hängte. "Der hat bestimmt viele Enkel", vermutete sie. Tatsächlich war der Mann Witwer; seine zahlreichen weiblichen Friedhofsbekanntschaften wollten ihm eine Freude machen.

Das muss doch für Schnapp ein großes Glückgefühl sein, als Geschenk-Bote unterwegs zu sein? Zumal sie schon immer ein Faible für Kobolde hatte; als Kind liebte sie den Pumuckel. "Ja", lacht der Wichtel, der im vergangenen Advent mit den anderen Helfern rund 2000 Präsente überbracht hatte, "die Leute freuen sich riesig." Wissen die denn, von wem das Geschenk kommt? "Nein, und selbst wenn wir's wissen, verraten wir es nicht." In den Säckchen liegt eine Karte mit Weihnachtswünschen, aber der Absender muss sich nicht outen. Einmal sei da ein älterer Herr gewesen, der hartnäckig nachfragte. Keine Chance. "Der hat dann die Handschriften seiner gesamten Weihnachtspost mit dem Kärtchen verglichen; vergeblich."

Auch Kinder wollen's manchmal genau wissen. Dem Wichtel Sandra Härtenberger zog ein Dreikäsehoch die Zipfelmütze vom Kopf. Ertappt! "Du bist ja gar kein echter Wichtel, du hast ja keine spitzen Ohren." Und ein anderes Kind wunderte sich: "Ihr schaut alle so aus wie Erwachsene, aber ihr seid so klein wie Kinder." Knirpse können taktlos sein, denn Käser, Schnapp oder auch der allererste Wichtel Julia Lob sind nicht gerade mit übermäßiger Körpergröße ausgestattet.

Lob ist inzwischen Wichtel a.D. Jetzt schenkt sie in der Hütte gegenüber Glühwein aus. Mit dem Erlös finanziert der Verein die Wichtelaktion. Sandra Härtenberger betreut nebenan das Bastelzelt. Da schnippeln Eva und ihre kleine Schwester Frieda an einem Weihnachtsengel, vielleicht wird es ja ein Wichtelgeschenk. Ebenfalls mit an Bord ist Josef Postel. Statt Wichteln und Basteln liest er Kindern im der Hütte Märchen vor.

Wochentags von 16 bis 19 Uhr und an den Wochenenden von 12 bis 19 Uhr können in der Wichtelhütte Geschenke abgegeben oder Wünsche erfüllt werden: An die Hüttenwand sind Wunschzettel von Bedürftigen gepinnt worden, die die Caritas den Wichteln übergeben hat. Mit einer Packung Tee, einem Glas Schoko-Aufstrich oder auch einem Staubsauger kann man anderen eine Freude machen. Die Wichtel fahren die Präsente dann aus. Bei Bestellungen bis zum 19. Dezember garantieren sie eine Lieferung bis Heiligabend.
 

Albert Herchenbach