Neuburg
Wertvolle Unterstützung in schwieriger Zeit

Seit zehn Jahren ist die Frühchennachsorge Harl.e.kin in der Region 10 engagiert

02.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:18 Uhr
  −Foto: Reinbold/Elisa

Neuburg - Jedes zehnte Neugeborene in Deutschland kommt zu Früh zur Welt - auch in der Region 10. Doch wer kümmert sich um die Kleinen und ihre Eltern, wenn sie aus der Klinik entlassen werden und noch unzählige Fragen und Sorgen um die Entwicklung ihres oftmals viel zu früh geborenen Kindes haben?

Bis Herbst 2010 waren diese Eltern und Kinder, wenn sie keinen erhöhten medizinischen Bedarf hatten, nahezu sich selbst überlassen. Seit zehn Jahren begleitet die "Harl. e. kin-Nachsorge" - unter dem Dach des Familiennachsorgevereins Elisa die Eltern vom geschützten klinischen Setting ins häusliche Umfeld.

Keine 1000 Gramm haben Finn und Charlotte auf die Waage gebracht, als sie zur Welt kamen, in der 27. Schwangerschaftswoche. Die Zeit in der Klinik verging, aber die Herausforderungen, die daheim auf die Familie der Beiden warteten, waren mit der zunehmenden Stabilisierung und Gewichtszunahme nicht erledigt, im Gegenteil: Es brauchte jemand, der unterstützen konnte. Die jungen Eltern bekamen noch in der Klinik einen Kontakt zur Harl. e. kin-Nachsorge vermittelt. Noch auf Station lernen die Eltern "ihr Nachsorgetandem", bestehend aus einer Kinderintensivkrankenschwester und einer Mitarbeiterin einer Frühförderung aus der Region kennen, wodurch bereits zu Beginn der Nachsorge Vertrauen und Sicherheit entsteht was gerade in einer solch schwierigen wie belastenden Situation ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist.

Über 600 Kinder wurden bis zum heutigen Tag von den vier Kinderkrankenschwestern und drei Mitarbeiterinnen der Frühförderung in der Region auf diese Weise versorgt. "Die Tendenz, dass Kinder zu früh zur Welt kommen, ist steigend", berichtet Melanie Reinbold. Sie ist seit 2011 Harl. e. kin-Koordinatorin in Neuburg und weiß um die Statistik und damit die Notwendigkeit ihres Dienstes. "Bis sich der Nachsorgedienst etabliert hat, klaffte hier eine Versorgungslücke in der Region": Denn Früh- und Risikogeborene, die keine schweren Erkrankungen haben, werden zusammen mit ihren Eltern relativ schnell aus dem Krankenhaus entlassen, oft noch vor dem eigentlichen Geburtstermin. Die Hebamme - falls vorhanden - kann hier zwar unterstützend eingreifen, oft treten aber spezielle Fragen und Sorgen im Zusammenhang mit der Frühgeburtlichkeit auf. Frühchen bräuchten oft nicht nur eine medizinische, sondern auch eine pädagogische Nachsorge. "Um diesem Bedarf gerecht zu werden, wurde das Harl. e. kin-Modell aus München nach Neuburg geholt", so Reinbold. Im Rückblick die einzig richtige Entscheidung. Zwischen 70 und 80 Kinder pro Jahr nehme man neu auf. Im Jahr 2019 wurden so insgesamt 104 Kinder betreut, die sieben Mitarbeiterinnen legten auf dem Weg zu ihren kleinen Patienten 14 294 Kilometer in der ganzen Region zurück.

Kooperiert wird übrigens von Beginn an mit starken und zuverlässigen Partnern, der KJF-Klinik St. Elisabeth, den Frühförderungen des Pädagogischen Zentrums Ingolstadt des Caritaszentrums St. Vinzenz Ingolstadt und der AWO Neuburg. Eine zukünftige Zusammenarbeit mit einem Frühförderdienst im Landkreis Pfaffenhofen wäre darüber hinaus noch wünschenswert, da auch aus dieser Region viele Kinder Unterstützung durch Harl. e. kin erfahren. Die Harl. e. kin-Mitarbeiterinnen unterstützten dabei nach dem Prinzip "so viel wie nötig, so wenig wie möglich". Schon in den ersten Tagen nach Klinikentlassung kommen Schwester und Frühförderer im Tandem zu den Eltern nach Hause, lassen sich erzählen, wie die Familie die häusliche Situation erfasst, wie es zum Beispiel in den ersten Nächten war, wie das Kind sich verhält, wo Fragen und Sorgen entstanden sind. Im weiteren Verlauf, so erklärt Reinbold, widme man sich aus den verschiedenen Professionen heraus der Entwicklung, der Ernährung und der Diagnostik, berate zu sozialrechtlichen Fragen, vermittle bei Bedarf an weitere Einrichtungen. "Aber alles stets ressourcen- und bedarfsorientiert", macht Reinbold deutlich. Dass es kein starres Konzept geben kann, machen auch die Indikationen deutlich: 2019 waren 40 Prozent der Kinder unter einem Geburtsgewicht von 1500 Gramm. Die Betreuungsdauer, so weiß Reinbold, liegt in den meisten Fällen zwischen zehn und zwölf Monaten, kann aber auch nur wenige Wochen umfassen. Und wie oft sind die Schwestern und die Mitarbeiter der Frühförderung im Kontakt mit den Familien? "Das ist ebenfalls sehr individuell und richtet sich ganz nach den Bedürfnissen der Familie", beschreibt Reinbold.

Es kann ein einmaliger Besuch sein, es können monatliche Kontakte sein. Oft reicht bei kleinen Unsicherheiten und Fragen auch nur ein kurzes Telefonat zwischendurch und häufig lässt sich mit wenig Intervention viel erreichen. Im Schnitt finden pro Nachsorgefamilie rund sechs Hausbesuche statt.

Man bekomme am Ende des gemeinsamen Weges oft die Rückmeldung der Eltern: "Gut, dass zu jedem Themen und Fragenbereich vertraute und kompetente Ansprechpartner da sind. " Das sei letztlich auch ein Alleinstellungsmerkmal dieses bayerischen Weges: Dass man "doppelte Fachkompetenz" vorweisen könne. Und auch am Ende der Nachsorge fällt man nicht hinten runter. Seit vergangenem Jahr gibt es sogar eine eigene Harl. e. kin-Spielgruppe, die aufgrund von Rückmeldungen betroffener Eltern initiiert und sehr gut besucht wird.

PK

Marco Schneider