Ingolstadt
Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

Horst Schalles hat den Überblick: Seit Jahrzehnten ist er Luftbildfotograf für den DONAUKURIER

03.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:12 Uhr

Blick ins Cockpit: Zuletzt war Horst Schalles etwa mit einer Do 27 aus dem Jahr 1959 unterwegs, hier fotografiert beim Flug über den Nordosten der Stadt. Manchmal nehmen ihn die Piloten der Sportfluggruppe auch in anderen Fliegern mit. Meist ist er jedoch in einem Ultraleichtflugzeug unterwegs.

Ingolstadt (DK) Noch ein kurzer Rumpler und die DO 27 hebt ihre Räder von der Startbahn am Manchinger Flughafen. Das betagte Flugzeug knattert in die erste Kurve Richtung Ingolstadt. Plötzlich knackt es im Kopfhörer.

„Ich finde es immer wieder faszinierend, wie das funktioniert: Fliegen.“ Die Stimme gehört Horst Schalles. Er sitzt hinten im Flieger und schaut aus dem kleinen Schiebefenster, auf seinen Knien liegt ein Fotoapparat mit langem Objektiv. Dem Piloten huscht ein Lächeln über die Lippen. Er weiß genau, dass Horst Schalles unzählige Starts hinter sich hat. Tausende Stunden hat er als Passagier in Flugzeugen verbracht.

Eigentlich ist Schalles gelernter Filmer. 1970 kam er zur WTD nach Manching. Mit der Kamera dokumentierte er Testflüge und Flugbahnen von abgeworfenen Lasten. Manchmal stand er festgegurtet in der offenen Ladeluke eines Hubschraubers, um ein Flugzeug in voller Geschwindigkeit abzulichten. Den Erstflug eines Eurofighters hielt Schalles mit der Kamera fest, als Copilot eines weiteren Düsenjägers, der neben dem Kampfjet her raste.

Heute mag es Schalles langsamer. Auch weil der Rücken nach so mancher Mehrfach-G-Belastung zwickt. 2008 ging er in Ruhestand, aber von der Fliegerei will er nicht lassen. Heute hat er statt der Filmkamera allerdings meist einen Fotoapparat dabei. Regelmäßig hebt er für den DONAUKURIER ab, fotografiert Baugebiete, ganze Ortsteile, bestimmte Gebäude und Baustellen. Viele Zusammenhänge werden erst durch seine Bilder anschaulich.

An diesem Tag will Schalles ein Foto der Baustelle auf der Autobahnbrücke machen. Bernd Müller bewegt den Steuerknüppel nach links, die DO legt sich in eine steile Kurve, die Baustelle liegt jetzt fast senkrecht unter Schalles’ Objektiv. Der Verschluss klickt. Die Aufnahme ist im Kasten. Dann geht es noch ein, zwei Mal um den Altstadtkern herum. Im Auwaldsee zeichnet sich ein winziger Schwimmer vor dem Dunkel der Wasserpflanzen ab, im Norden werden die gewaltigen Ausmaße des Audi-Werks erahnbar, vom ehemaligen Bayernoil-Gelände reckt sich ein letzter Kamin der DO 27 entgegen. Der Rest der Industrieanlage ist bereits abgebaut.

Sein erstes Bild für den DK hat Schalles Ende der 1980er Jahre gemacht. Er hat das Gelände fotografiert, auf dem 1992 die Landesgartenschau stattfand – der heutige Klenzepark. Viele Veränderungen Ingolstadts hat Schalles aus der Luft beobachtet. „Ingolstadt wächst so schnell, dass man das Gefühl hat, die Altstadt schrumpft“, sagt er in das Mikrofon vor seinem Mund, und auch wenn die Tonqualität nicht ideal ist, das Bedauern in seiner Stimme ist kaum zu überhören. „Ich bin aber froh, dass sich auf dem Gießereigelände wieder etwas tut“, sagt Schalles und drückt den Auslöser, als der Flieger auf dem Weg zurück nach Manching über die große Baustelle brummt.

Kurz darauf hoppelt die DO über die Landebahn. Müller bringt sie vor dem Hangar der Sportfluggruppe zum Stehen. Ihre Mitglieder sind es, die Schalles regelmäßig in die Luft bringen. Vor der Halle wartet schon Udo Daniel. Auch er ist schon häufiger mit Schalles geflogen. „Das erste Mal beim großen Hochwasser 1994“, erinnert sich der Pilot.

Daniel will mit der DO 27 ein paar Runden über den Platz drehen. Auch Schalles klettert noch einmal in den Flieger. Wieder das Magenkribbeln, der Steigflug, die erste Kurve. „Es macht einfach Freude“, sagt Schalles und zückt schon wieder die Kamera.