Wer sind wir eigentlich?

"Einige Nachrichten an das All" hat am Donnerstag in Ingolstadt Premiere

03.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:21 Uhr
Die Welt ist dabei zu explodieren, und die Menschen machen einfach so weiter, wie bisher. Das Plakat wirbt für "Einige Nachrichten an das All". −Foto: Busching

Ingolstadt - Pioneer 10 und 11 transportierten Anfang der 70er-Jahre auf dem Weg zu Jupiter eine Aluminiumplatte mit Bildern von Menschen.

Voyager 1 und 2 führten bei der Erforschung des interstellaren Raums eine Schallplatte samt Tonabnehmer mit sich, auf der sich Begrüßungen in vielen Sprachen und Musikstücke von Bach und Chuck Berry befanden. Und im Jahr 2008 beamte die NASA den Beatles-Song "Across the Universe" ins All. Der Wunsch, mit wem auch immer da draußen Kontakt aufzunehmen, ist nicht neu.

In seinem Stück "Einige Nachrichten an das All" hat Wolfram Lotz eine Art Unterhaltungsshow erfunden, in der ausgesuchte Gäste - eingeladen sind neben dem US-amerikanischen Botaniker und Ichthologen Constantine Samuel Rafinesque, Heinrich von Kleist auch ein Politiker aus der Gegenwart - mit Hilfe einer Apparatur ihre Botschaft ins All senden dürfen, "damit man dort erfährt, was uns Menschen bewegt - was treibt uns um, was sind unsere Ängste, unsere Sehnsüchte, unsere Hoffnungen, wie ticken wir - kurz: Wer sind wir eigentlich? " Und im Folgenden wird man Zeuge des Ringens um die "richtige" Nachricht: Gibt es irgendetwas in diesem Leben, von dem es sich zu berichten lohnte?

Unter der Regie von Maaike van Langen hat das Stück am Donnerstag im Kleinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt Premiere. Eine Herausforderung, denn eigentlich sträubt sich das Stück mit einer Vielzahl an merkwürdigen Figuren, seinen unmöglichen Regieanweisungen und vor allem den ausufernden Fußnoten gegen eine theatrale Umsetzung. Da führen Kinder ein Krippenspiel auf, da erzählt ein alleinerziehender Vater vom Unfalltod seiner Tochter, da singt ein Unhold vom Weltraumschrott, da entdecken zwei Beckettsche Figuren, dass sie in einem Theaterstück gefangen sind und begeben sich auf Sinnsuche.

"Für mich geht es darum, dass wir so vieles über das Leben nicht wissen. Trotzdem bemühen wir uns jeden Tag aufs Neue, den Alltag zu bewältigen. In dem Stück gibt es elf Figuren, die alle eigene Strategien gefunden haben, damit umzugehen. Dass das Stück keine klassische Form hat, keinem linearen Erzählen folgt, finde ich schön. Ich sehe es eher als eine Collage von Versuchen, dieses Dilemma zu benennen", sagt Maaike van Langen.

Mit insgesamt 64 Fußnoten hat Wolfram Lotz sein Stück versehen - und die reichen von "Man ist da, und irgendwann ist man wieder weg" bis zu "Sinnlosigkeit umgekehrt: Tiekgisolnnis". Wie soll man das spielen? Bei Regisseurin Maaike van Langen kommt der Text der Fußnoten aus dem Lautsprecher. "In jedem einzelnen Moment gibt es viele verschiedene Realitäten. Neben der Szene, die gerade stattfindet, sind da auch Gedanken, die den Menschen durch den Kopf gehen. Assoziationen, die sie haben. Oder eine Nachricht, die man gleichzeitig liest. Das hat der Autor mit den Fußnoten auszudrücken versucht. Sie stehen für die Komplexität des Lebens. "

Autor Lotz stellt philosophische, existenzielle Fragen, in seinem Text geht es um den Tod und das, was danach ist. Das ist mitunter elegisch, bisweilen sinnfrei, aber auch skurril und komisch. Die größte Herausforderung? "Das Stück so sein zu lassen, wie es ist. Es nicht stimmiger zu machen. Das Chaos zu gestalten", sagt die Regisseurin. Und was soll der Zuschauer mitnehmen? Maaike van Langen überlegt: "Vielleicht, dass man akzeptiert, dass die Welt zu groß ist für unser Gehirn. "

DK


Premiere ist am Donnerstag, 6. Februar, um 20 Uhr im Kleinen Haus, Kartentelefon (0841) 30547200.

Anja Witzke