Schrobenhausen
Wer kommt für die Altlastenbeseitigung auf?

Erhard-Gelände: Die Vereinigte Spital- und Leinfelderstiftung hat den Rechtsstreit erweitert

10.02.2021 | Stand 23.09.2023, 16:57 Uhr
Das Erhard-Gelände ist längst verkauft und wird zurzeit bebaut. Derweil behaken sich noch immer die Vorbesitzer wegen der Kosten für die Altlastenbeseitigung. Es geht um viel Geld. −Foto: M. Schalk

Schrobenhausen - 2017 hat die Vereinigte Spital- und Leinfelderstiftung das ehemalige Erhard-Gelände hinter der Christuskirche von Altlasten befreien lassen.

Die Klärung der Frage, wer für die Kosten aufzukommen hat, beschäftigt schon seit einer Weile Anwälte. Inzwischen ist ein weiteres Verfahren eingeleitet worden, bei dem es nach Informationen unserer Zeitung um einen Streitwert von gut 450000 Euro geht. Das wurde jetzt vom Landgericht Ingolstadt auf Anfrage bestätigt. Einer, der bei dem Verfahren im Blickpunkt steht, ist Ex-Bürgermeister Karlheinz Stephan (CSU).

Worum geht es? Die Stiftung will die gesamten Kosten der Altlastensanierung wiederhaben, und zwar vom Verkäufer des Erhard-Geländes - obwohl beim Kaufvertrag im Jahr 2008 eine beschränkte Haftung ausgehandelt worden war. Für den Fall, dass sich im Verfahren herausstellt, dass der Verkäufer und Namensgeber des Geländes nicht bezahlen muss, wurde parallel eine sogenannte Streitverkündung ausgesprochen. Die besagt, dass als nächster in der Reihe der langjährige gesetzliche Vertreter der Stiftung zur Rechenschaft gezogen würde. Der hieß bis zum 31. April 2020 Karlheinz Stephan und war im Hauptberuf Schrobenhausens Bürgermeister.

Das ganze Verfahren findet fernab der Öffentlichkeit statt. Harald Reisner (FW), der heute Kraft Amtes gesetzlicher Vertreter der Stiftung ist, bestätigt auf Anfrage, dass es den Rechtsstreit gibt, nennt aber keine Details, ebenso wie das Landgericht Ingolstadt.

Im Dezember 2019 hatte die Stiftung den Verkäufer zunächst auf 50000 Euro verklagt, elf Jahre nachdem der Kauf vonstatten ging. 50000 Euro - das ist die Summe, auf die man sich einvernehmlich als den maximalen Anteil des Grundstücksverkäufers an der Altlastenbeseitigung 2008 im Kaufvertrag geeinigt hatte.

Der Haken: Die Altlastensanierung im Jahr 2017 kostete mehr als 50000 Euro, sogar sehr viel mehr. Von knapp einer halben Million Euro für Sanierung und Abbruch ist die Rede. Geld, das der Vereinigten Spital- und Leinfelderstiftung in Rechnung gestellt wurde.

Und jetzt versucht die Stiftung, doch noch die gesamten Auslagen erstattet zu bekommen. Um ein entsprechendes zweites Verfahren einzuleiten, musste der Stadtrat zustimmen, denn der stellt zugleich den Großteil des sogenannten Stiftungsausschusses. Dazu kam es in nichtöffentlicher Sitzung vor ein paar Wochen. Nach Informationen unserer Zeitung fiel der Beschluss einstimmig. Karlheinz Stephan selbst sowie die vier Topjus-Anwälte Bastian Fuchs (CSU), Günther Schalk (FW), Stefan Eikam (SPD) sowie Helmut Eikam (der eine Funktion im Stiftungsrat ausübt) waren von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen. Topjus vertritt die Stiftung übrigens inzwischen nicht mehr; das Mandat hat nun eine Münchner Kanzlei, die auch die neue Klage bearbeitet.

Welche Rolle nun Karlheinz Stephan spielt, warum es einen Zugriff auf ihn geben könnte? Auch er kann sich dazu nicht äußern, als jemand, der Teil des Verfahrens werden könnte. Genau darauf verwies er bei der Anfrage unserer Zeitung.

Warum also er? Wie genau die neuen Anwälte ihre Klage aufbauen, ist noch nicht öffentlich. Dass in dem Verfahren nicht alles rund lief, steht aber schon länger im Raum. Die Schrobenhausener Stadtverwaltung, die das Verfahren im Auftrag der Stiftung abwickelte, hätte sich laut Vertrag vor Beginn der Sanierung wegen der geplanten Maßnahmen mit dem Verkäufer abstimmen müssen. Es wurde schon bei der Verhandlung vor dem Landgericht öffentlich, dass man diesen Teil des Vertrags im Rathaus wohl vergessen hatte . . .

Umso unschöner für Manfred Erhard, dass er nun trotzdem für den Gesamtbetrag gerade stehen soll - und das, wo doch eine Haftung über 50000 Euro hinaus von beiden Seiten explizit im Vertrag ausgeschlossen worden war.

Teil des gesamten Geschäfts war übrigens nicht nur sein Grundstück, sondern auch noch angrenzende Wiesen eines anderen Verkäufers östlich des Altenheims. In diesem anderen Kaufvertrag wurde nach Informationen unserer Zeitung jegliche Altlastenhaftung ausgeschlossen.

Auch Manfred Erhard darf sich zurzeit nicht öffentlich äußern. Dass er die Welt nicht mehr versteht, mag man sich leicht vorstellen. Sein Vertragspartner war ja nicht irgendwer, sondern ein Bürgermeister, wenn auch in dessen Rolle als Stiftungsvorstand.

Wie war das nun mit den Altlasten? 2008 hatte Manfred Erhard sogar ein Angebot eingeholt, um selbst eine Sanierung des Areals vorzunehmen, um das Grundstück dann gereinigt übergeben zu können. Dazu kam es aber nie. Wohl auch, weil Manfred Erhard das Gelände nach dem Verkauf noch einmal für eine Weile anpachtete. Erst 2010 oder 2011 endete die Nutzung.

Das wäre dann der nächste Zeitpunkt gewesen, auf dem Grundstück für klare Verhältnisse zu sorgen. Die Gelegenheit, nun die Altlasten konkret festzustellen, wurde von beiden Seiten nicht gezogen. Es gab wohl einen Rundgang mit mehreren Beteiligten auf Seiten des Verkäufers und der Stadt in Vertretung der Stiftung. Damit ließ man die Sache auf sich beruhen.

Was noch wichtig werden könnte: Erhard wies (wir berichteten) wohl die Stadtvertreter, die namens der Stiftung da waren, bei diesem Rundgang darauf hin, dass die Heizöltanks auf dem Gelände zwar abgepumpt aber nicht abgebaut worden seien, und dass deshalb einige Pumpen auf dem Gelände unbedingt in Betrieb bleiben müssten. Sie kontrollierten nämlich den Grundwasserspiegel hier, im Überschwemmungsgebiet der Paar. Als bei einem Hochwasserereignis am 19. September 2016 der Paarpegel Mühlried auf bis zu 2,47 Meter stieg, liefen die Pumpen aber nicht; sie waren nämlich längst von der Stadt abgeschaltet worden, das gilt als protokolliert. Im Nachgang soll es auf dem Gelände nach Öl gestunken haben, heißt es.

Die Abschaltung der Pumpen dürfte der Stadtbauhof vorgenommen haben. Denn der hatte das Stiftungsgelände bezogen, nachdem Erhard es endgültig verlassen hatte. Nach Recherchen unserer Zeitung nutzte der Bauhof die Stiftungsflächen übrigens über Jahre gratis - ohne Vertrag, ohne eine Pacht an die Stiftung zu bezahlen und ohne vorher oder nachher den Zustand des Geländes zu dokumentieren.

Auf eine Anfrage unserer Zeitung im Frühjahr 2020 hin behauptete der Stiftungsratsvorsitzende Karlheinz Stephan schriftlich, die Pumpen habe es nie gegeben - obwohl er darauf hingewiesen worden war, dass der Redaktion sogar ein Foto einer der Pumpen vorliege. Wenige Monate später tauchten dann nach Informationen unserer Zeitung im Rathaus sogar Wartungsrechnungen der Pumpen auf, die deren Existenz belegen. In einem Schreiben vom 16. Juni 2020 an seine Kollegen im Stadtrat, das der Redaktion vorliegt, behauptete Stephan, erst tags zuvor darüber informiert worden zu sein, dass es diese Pumpen wohl doch gab.

Wie mehrere Stadträte, die in der Zeit des Grundstückskaufs 2008 dabei waren, übereinstimmend berichten, war die Grundlage für das Geschäft übrigens nicht primär eine mögliche Erweiterung des Altenheims, sondern eine Strukturpolitikmaßnahme der Stadt Schrobenhausen. Karlheinz Stephan wollte das ölige Gewerbe aus dem Überschwemmungsgebiet entfernen, merkte wohl aber, wie mehrere damalige Stadträte berichten, dass er bei ihnen dafür keine Haushaltsmittel bekommen würde.

Also kam er auf die Idee - was die Stadträte übereinstimmend als durchaus cleveren Schachzug Stephans werten -, die Stiftung als Vehikel zu benutzen und ihr damit zugleich Erweiterungsflächen fürs Altenheim St. Georg zu verschaffen. "Das kann man natürlich machen, so lange das am Ende eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten ist", sagte einer der Stadträte gegenüber unserer Zeitung. Genau das aber stehe nun infrage, nachdem nun die Stiftung auf den Kosten der Altlastensanierung sitzengeblieben sei.

Wann und wie das Verfahren nun weitergeht? Zurzeit wird dem Vernehmen nach zunächst der Vertrag von 2008 noch mal unter die Lupe genommen. Und es werden wohl Verjährungsfristen und Zuständigkeiten kontrolliert. Das alles kann sich also wohl noch eine Weile hinziehen. Ob Karlheinz Stephan am Ende tatsächlich ins Spiel kommt, gilt zum jetzigen Zeitpunkt als völlig offen.

SZ

Mathias Petry