Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren

01.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:04 Uhr

Zur geplanten Schließung der Galeria Kaufhof in Ingolstadt:

Natürlich finde ich es auch schade, dass Galeria Kaufhof in der Innenstadt vom Insolvenzverwalter Geiwitz auf die rote Liste gesetzt wurde und demnächst die Schotten schließen muss. Die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens im Allgemeinen und der Filiale in Ingolstadt im Besonderen hat sich aber angebahnt. Einerseits scheint das Konzept Warenhaus in der heutigen Zeit ausgedient zu haben. Andererseits ist da aber vor allem der gemeine Ingolstädter. Dieser liebt es, sich in Schlangen einzureihen und sich eine Prise Plastik zu gönnen. Primark ist der neue Platzhirsch, jeder scheint dort einzukaufen. Hipster haben ausgedient, wer etwas auf sich hält, trägt nachhaltige Kleidung aus Asien - nachhaltig im Sinne einer stabilen Förderung der Kinderarbeit und damit der Arbeitsplatz- bzw. Existenzsicherung. So geht Marketing mal anders gedacht!

Die ganze Fußgängerzone ist überzogen mit Papiertüten mit dem türkisfarbenen Logo, dabei sollten es doch getreu des Corporate-Identity-Gedankens Kunststofftüten sein. Das Groß der Ingolstädter steht auf billig, das ist fakt. Und das ist traurig. Lediglich die "Billigheimer" profitieren.

Interessant dabei zu sehen ist auch, dass nach der Vernebelungsaktion in den heiligen Hallen des Primark der Hunger zu kommen scheint. Aber wer jetzt denkt, dass die heimischen Wirtshäuser unterstützt werden, der denkt fehl. Burger, Beef - das ist es was der Körper braucht, wenn ihn Technopolymere durchströmen. Und völlig klar, dafür ist der Hans im Glück schon da. Wohl genährt nach dieser Plastik-Hack-Orgie wird sich noch ein Eis gegönnt. Das lieben die Ingolstädter: Plastik, Patties und ne Portion Eis!

Mit dieser höchst wissenschaftlichen Feldstudie ist ein jedem klar, welches Konzept in die Räume der Galeria Kaufhof einziehen muss. Genügend Platz ist definitiv da, die Stadt wird sich über sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen freuen.
Boris Nefedow
Ingolstadt

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Nun wollen auch wir uns, der Betriebsrat der Filiale Ingolstadt, an die Öffentlichkeit wenden. Was uns alle an diesem rabenschwarzen Freitag, 19. Juni, erwartete, konnte sich keiner von uns, sowie unseren Kolleginnen und Kollegen vorstellen. Als uns um 12 Uhr die bittere Nachricht erreichte, dass auch unsere Filiale auf der Liste der 62 Schließungshäuser steht, traf uns das alle wie ein Keulenschlag! Eine unfassbare Leere verspürte jeder einzelne, nachdem in einer Mitarbeiterbesprechung um 13.30 Uhr die Schließung verkündet wurde. Tränen, Trauer, Unverständnis.

Da es sich in Ingolstadt fast ausschließlich um eine Eigenimmobilie handelt und wir nach dem langen Umbauzeitraum der Fußgängerzone wieder ein Umsatzplus verbuchen konnten, hatte von uns Mitarbeitern eigentlich niemand damit gerechnet. Nach dem Zusammenschluss 2019 mit Karstadt wurde von Seiten der Unternehmungsleitung leider nie ein zukunftsorientiertes Konzept für das Unternehmen Galeria Karstadt/Kaufhof entwickelt. Stattdessen wurden nur Einsparungen an unseren Gehältern, großflächiger Personalabbau, Austritt aus dem Tarif und eine Trennung der restlichen Mitarbeiter in drei Cluster (Kasse, Warenserviceteam, Verkauf) durchgezogen. Uns war allen klar, dieses Konzept kann für die Zukunft niemals funktionieren. Denn genau das, was im Einzelhandel wichtig, ja überlebenswichtig ist, blieb komplett auf der Strecke - Kunden bedienen und beraten!

Alle Mitarbeiter im Unternehmen haben ihr Bestes gegeben, doch leider wollte auf Seiten der Unternehmensleitung niemand auf die Bedenken aller hören. So war es absehbar - dieses Konzept fährt gegen die Wand. Wir, der Betriebsrat Ingolstadt, können versichern, wir haben zusammen mit dem Gesamtbetriebsrat und Verdi für den Erhalt aller Filialen gekämpft. Außerdem haben wir hier in Ingolstadt zugleich mit unserem Filialgeschäftsleiter Kontakt zur örtlichen Politik gesucht, um den Standort Ingolstadt vorab zu sichern. Leider letztendlich ohne Erfolg.

Zu unserem großen Bedauern schließt unser Haus am 31. Oktober - außer es geschieht von Seiten der Vermieter oder der Stadt noch ein Wunder. Jeder unserer 65 Mitarbeiter fiebert mit Grauen und Angst diesem Tag entgegen. Es stehen Existenzen vor dem Abgrund. Viele von uns sind seit ihrer Ausbildung hier, 30 oder sogar 40 Jahre im der Filiale beschäftigt. Es ist ein großer Teil unseres Lebens, der hiermit beendet wird. Eine "Familie" dürfen wir uns mit großem Stolz nennen, doch diese Familie wird nun jäh zerrissen.

Wir möchten uns vor allem im Namen unserer Kolleginnen und Kollegen bei all unseren Kunden für die teils jahrelange Treue bedanken und im Abschluss noch einmal an die Stadt appellieren: Setzten Sie sich bitte bestmöglich und mit allen Mitteln für unsere schöne Innenstadt ein, um diesem Sterben ein Ende zu bereiten! Wir jedenfalls werden hier in Ingolstadt bis zum letzten Tag für den Erhalt unserer Filiale kämpfen. Denn wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat bereits verloren!
Der Betriebsrat der Filiale Galeria Karstadt Kaufhof Ingolstadt:
Dagobert Rabensteiner, Ursula Wilhelm, Nicole Richter, Kerstin Clemens-Filippini, Michaela Neubauer